Streit um Isentalautobahn A 94:"Eine Skandalgeschichte ohne Ende"

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Unendliche Geschichte: Wie es um den Bau der Autobahn 94 bestellt ist. (Foto: N/A)

Autobahngegner sprechen von einer Kostenexplosion beim Bau der A 94 durch das Isental. 360 Millionen Euro waren für das Projekt geplant, die Summe soll sich nun verdreifachen - und Steuerzahler belasten. Verkehrsminister Ramsauer weist alle Vorwürfe zurück.

Von Heiner Effern und Hans Kratzer

Wird der Bau der umstrittenen Isentalautobahn um ein Vielfaches teurer, als dies von der Politik jahrelang proklamiert worden ist? Bis vor kurzem waren die Ausgaben für den 33 Kilometer langen Streckenabschnitt der A 94 durch das Isental auf 360 Millionen Euro veranschlagt. Der Entwurf des Bundeshaushalts 2014 weist für diese Trasse, die als erste Autobahn in Deutschland privat gebaut werden soll, aber überraschend eine Summe von 900 Millionen Euro aus, also fast das Dreifache.

"Ich rechne fest damit, dass die A 94 zum Milliardengrab wird", sagt Anton Hofreiter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundestags. Der Grünen-Politiker wirft Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vor, die wahren Kosten mit einem vermeintlichen Kunstgriff zu verschleiern. Zudem wolle er eine deutlich längere Strecke der A 94 für die Dauer von 30 Jahren privatisieren, als bislang bekannt war. "Diese Autobahn ist eine Skandalgeschichte ohne Ende", sagt Hofreiter.

Bundesverkehrsminister Ramsauer ließ die Kritik am Dienstag von einem Sprecher als "unbegründet" zurückweisen. Die 900 Millionen Euro im Haushaltsentwurf entsprächen keineswegs den reinen Baukosten. In der Summe seien vielmehr auch der Erhalt, der Betrieb und die anteilige Finanzierung für einen längeren Streckenabschnitt enthalten.

Wie das Bundesverkehrsministerium erklärt, betreffe die Ausschreibung nicht nur den Neubau Pastetten-Heldenstein (33 Kilometer). Vielmehr solle die A 94 von Forstinning bis Marktl (77 Kilometer) privatisiert werden. Aus dem Entwurf für den Bundeshaushalt geht dies allerdings nicht hervor.

Die Autobahndirektion Südbayern, die den Neubau geplant hat, erklärt, dass die Kosten nach wie vor bei 360 Millionen Euro lägen. Weitere 50 Millionen Euro für die laufenden Arbeiten im Isental seien bereits vom Bund finanziert. Das Verkehrsministerium begründet die Gesamtsumme von 900 Millionen Euro mit dem großen Aufwand, den ein privater Investor für den Neubau und den Erhalt der Autobahn stemmen müsse: Allein zwischen Pastetten und Heldenstein würden sieben große, 72 mittelgroße und 96 kleine Brücken errichtet, heißt es aus dem Ministerium.

Ein Fremdkörper im Isental: Die im Bau befindliche Betonröhre soll als Unterführung für Anlieger dienen. (Foto: Bauersachs)

Gegner rechnen mit noch höheren Kosten

Für die Aktionsgemeinschaft gegen die Isentalautobahn, die jetzt den Bundesrechnungshof einschalten will, und den Bund Naturschutz zeigt die Kostenentwicklung, "dass gerade die hochgepriesene Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) für die Steuerzahler zu einem Finanzabenteuer ohne Ende wird, selbst wenn dort noch ein Dienstleistungsanteil mit berechnet wird". Verglichen mit den jetzt drohenden Kosten sei eine vernünftige Ausbaulösung der nahen B 12, wie sie die A-94-Gegner seit Jahrzehnten fordern, für einen Bruchteil dieser Summe zu haben.

Verkehrspolitiker Hofreiter geht davon aus, dass die Kosten weiter steigen werden, was auch immer in dem 900-Millionen-Euro-Paket enthalten sein mag. Für ihn steht fest: "Die schleichende Privatisierung der Autobahnen geht zu Lasten der öffentlichen Hand." Nur so könne der Staat den Bau einer Autobahn sofort realisieren, obwohl kein Geld dafür da sei.

Solche ÖPP-Projekte bezeichnet Hofreiter als "versteckte Kreditaufnahme", mit der die Regierung genau die Schuldenbremse sabotiere, die sie ganz Europa verordnet habe. "Anstatt für zwei Prozent Zinsen bei den Banken verschuldet sich die Regierung nun für fünf Prozent bei der Bauindustrie."

Die Lasten hätten künftige Steuerzahler zu tragen, sagt Hofreiter. ÖPP-Projekte seien "intransparent und unsittlich teuer". Der Bundesrechnungshof erhebt seit Jahren Einwände gegen das ÖPP-Prinzip im Autobahnbau, weil dem Bund dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehe. Erst im vergangenen Herbst hatten Experten des Rechnungshofs bei einer Anhörung im Bundestag nochmals auf die finanziellen Risiken der Privatisierung hingewiesen.

Bundesverkehrsminister Ramsauer und die meisten seiner Kollegen in den Ländern halten trotzdem an dem ÖPP-Programm fest. Die Privaten seien effizienter als die Verwaltung und daher billiger, erklärt Ramsauer seit langem, da sei er anderer Meinung als der Bundesrechnungshof. "Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Umsetzung als ÖPP-Projekt regelmäßig zu einer früheren und schnelleren Projektrealisierung geführt hat - bei zugleich hoher Bauqualität", heißt es aktuell aus dem Bundesverkehrsministerium.

© SZ vom 11.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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