Streit um Gewerbegebiete:"Preisgabe von Bayerns Landschaften"

Lesezeit: 2 Min.

Wiesen in Ortsnähe durften bisher nicht nach Belieben zugebaut werden. Nun will Heimatminister Söder mehr Gewerbegebiete zulassen. Bürgermeister begrüßen die Absicht - Naturschützer sind entsetzt.

Von Christian Sebald und Mike Szymanski, München

In Bayern bahnt sich ein neuer Streit um den Landschaftsschutz an. Der Grund: Heimatminister Markus Söder (CSU) will ländlichen Gemeinden die Ausweisung von Gewerbegebieten erleichtern. "Bayern muss nicht nur von oben schön aussehen, sondern auch von unten funktionieren", sagt Söder.

Konkret geht es um die sogenannte grüne Wiese - freie Flächen in Ortsnähe also. Sie durften bisher nicht nach Belieben zugebaut werden. Auch an Autobahnen und anderen Verkehrsknotenpunkten sollen Gewerbegebiete künftig leichter möglich werden. Beim Bund Naturschutz (BN) herrscht darüber helles Entsetzen. "Das ist die Preisgabe von Bayerns Landschaften", sagt BN-Chef Hubert Weiger. Der Städtetag und auch Experten wie Holger Magel von der Akademie Ländlicher Raum teilen diese Kritik.

Für seine Pläne will Söder das Landesentwicklungsprogramm (LEP) aufschnüren, das der frühere Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) erst in der zurückliegenden Legislaturperiode überarbeitet hatte. Allerdings gingen Zeils Lockerungen der CSU und den Lokalpolitikern nicht weit genug. Nun macht Söder die Baustelle wieder auf. "Wir wollen eine behutsame Weiterentwicklung", sagt er. "Wir können den Gemeinden nicht nur Geld zuteilen, wir müssen ihnen auch die Möglichkeit geben, selber Geld zu erwirtschaften."

Gewerbegebiete an der A 8
:Die Route der Goldgräber

Heimatminister Söder will mehr Gewerbegebiete in Bayern zulassen. Entlang der Autobahn von München nach Salzburg herrscht längst Goldgräberstimmung - hier gibt es fast alles vom Outdoor-Erlebnispark bis zur Kaffeerösterei.

Von Heiner Effern, Anne Kratzer und Mike Szymanski

Autobahnausfahrten und andere Verkehrsknotenpunkte eignen sich nach Söders Auffassung deshalb gut für Firmenansiedlungen, "weil da ohnehin schon ein erheblicher Flächenverbrauch ist". Abseits von Ortschaften sollen künftig aber auch neue Hotels und Einrichtungen für die Naherholung sehr viel leichter genehmigt werden können als bisher. Und wenn mehrere Gemeinden sich zusammenschließen für Gewerbeansiedlungen, soll auch das belohnt werden.

Einzig bei Discountern, Supermärkten und anderem Einzelhandel will Söder streng sein. Schließlich kritisieren Experten seit Langem, dass mit jedem neuen Einkaufsmarkt auf der grünen Wiese die Ortszentren weiter veröden. Deshalb will Söder den Einzelhandel von den Lockerungen ausschließen. "Da gibt es keine Änderungen", sagt er.

"Wir begrüßen die Neuerungen sehr"

Den Beifall der Landbürgermeister und der Landräte hat der Heimatminister bereits. "Wir begrüßen die Neuerungen sehr", sagt Jürgen Busse vom Gemeindetag, "wir haben sie ja lange genug gefordert." Auch der Deggendorfer Landrat und Chef des Landkreistages, Christian Bernreiter (CSU), steht zu Söders Absichten. "Das macht es uns Landkreisen sehr viel leichter, Firmen anzusiedeln", sagt er, "Arbeitsplätze sind zentral für unsere gute Zukunft."

Die Wirtschaft begrüßt Söders Vorstoß ebenfalls. "Die Landesplanung muss zeitgemäße Antworten auf den Flächenbedarf der Wirtschaft geben", sagt Peter Driessen vom Industrie- und Handelskammertag. "Es ist ein unnötiges Hemmnis, dass neue Produktionsstandorte an Siedlungen oder Gewerbegebiete angebunden sein müssen. Mehr Ausnahmen, vor allem in Autobahnnähe, sollten möglich sein."

Scharfer Widerspruch kommt vom Nürnberger OB und Städtetagschef Ulrich Maly (SPD). "Söders Pläne sind ein Angriff auf das Weichbild unserer Landschaften", sagt er. "Wenn er sich durchsetzt, werden die Autobahnen im Freistaat bald aussehen wie die in Italien, an denen sich auf Hunderte Kilometer Länge eine Industriehalle nach der anderen aneinanderreiht." Akademie-Präsident Magel sagt, "dass der Gewerbe-Wildwuchs überall in Bayern dramatisch zunehmen wird".

Beim BN sehen sie schon wieder Zeiten wie 2010 auf den Freistaat zukommen. Damals wurden 21 Hektar Land pro Tag zubetoniert. 21 Hektar sind ungefähr 30 Fußballfelder. Derzeit beträgt der Flächenfraß 17 Hektar am Tag. Aufs Jahr gesehen summiert er sich auf gut 6200 Hektar oder die Fläche einer Stadt wie Landshut. "Aber das ist es nicht alleine", klagt BN-Chef Weiger. "Früher waren Gewerbegebiete zehn oder 20 Hektar groß, heute werden gleich 60 oder 70 Hektar auf einmal ausgewiesen."

© SZ vom 12.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: