Streit um Energiewende:Aigner lehnt sich gegen Seehofer auf

Streit um Energiewende: Ilse Aigner reagiert ungewohnt deutlich auf die Kritik von Horst Seehofer.

Ilse Aigner reagiert ungewohnt deutlich auf die Kritik von Horst Seehofer.

(Foto: joergensen.com)

Ilse Aigner will die Energiewende auf Pump finanzieren, Horst Seehofer ist dagegen. Ohne Diskussion. Nun reagiert Bayerns Wirtschaftsministerin auf die Kritik des CSU-Chefs - in ungewöhnlich scharfem Ton: "Es reicht nicht immer, nur Nein zu sagen. Man muss mal ernsthaft darüber reden."

Von Michael Bauchmüller und Mike Szymanski

In der bayerischen Staatsregierung ist ein Streit um den richtigen Kurs bei der Energiewende entbrannt. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) stellt sich offen gegen Ministerpräsident Horst Seehofer und verteidigt ihren Vorstoß vom Wochenende, große Teile der Energiewende mit Krediten zu finanzieren. Seehofer lehnt das ab. Aigner sagte am Montag der Süddeutschen Zeitung: "Es reicht nicht, immer nur Nein zu sagen. Man muss mal ernsthaft darüber reden."

Am Wochenende war Seehofer auf Distanz zu Aigners Idee gegangen. Dem Straubinger Tagblatt hatte er gesagt: "Wir dürfen den künftigen Generationen nicht die Energiekosten von heute zusätzlich aufbürden. Das wäre keine nachhaltige Politik." Eine Kernforderung der CSU bei den vergangenen Wahlkämpfen war stets der Abbau von Schulden.

An diesem Dienstag soll es nach SZ-Informationen in der Sitzung des bayerischen Kabinetts zur Aussprache unter anderem über den künftigen Kurs in der Energiewende kommen. Seehofer hat nach Angaben eines Sprechers eigens seine für den Nachmittag geplante Rede bei der Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth auf den Mittwoch verlegt, um am Dienstag mehr Zeit für den Ministerrat zu haben.

Diesem Gremium will Aigner auch ihren Vorschlag unterbreiten, die Energiewende auf Pump zu finanzieren. Nach ihren Plänen sollen die Stromkunden künftig nur noch einen Fixbeitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien leisten, der sich an ihrem Stromverbrauch orientiert. Ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt müsste nur noch 170 statt 220 Euro im Jahr zahlen. Der Rest würde über einen Fonds am Kapitalmarkt aufgebracht werden. Dieser könnte auf bis zu 72 Milliarden Euro Mitte der 2020er-Jahre anwachsen und müsste später von den Stromkunden abgetragen werden.

Aigner sagte, der Fonds mache nur Sinn, wenn man ihn mit einer großen Reform des Ökostrom-Fördergesetzes EEG verbindet. Das habe sie auch vor. Mit Seehofer habe sie ihren Vorschlag zuvor nicht beraten. "Mir geht es um die Verbraucher und den Erhalt der Arbeitsplätze", sagte Aigner.

Seehofers Vorwurf, dass ihre Politik nicht nachhaltig sei, wies sie zurück. "Wenn man Arbeitsplätze vernichtet, kostet uns das auch viel Geld", sagte die Ministerin. Die 49-jährige frühere Bundeslandwirtschaftsministerin gilt als eine mögliche Nachfolgerin, wenn Seehofer bei den nächsten Wahlen 2018 nicht mehr antritt.

Selbst die Grünen sind intern gespalten über den Vorstoß Aigners. Während Parteichefin Simone Peter ihn rundweg ablehnte, äußerte sich Fraktionsvize Oliver Krischer weitaus positiver. "Ausnahmsweise" biete die CSU damit einen "interessanten Debattenbeitrag", sagte der Energiepolitiker. Zuvor hatten auch Verbraucherschützer die Idee Aigners unterstützt.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte eine Prüfung des Vorschlags zu. Allerdings löse ein Fondsmodell nicht das Problem steigender Kosten, hieß es im Wirtschaftsministerium. Auch die Industrie äußerte sich skeptisch.

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