Streit in der Regierung:Störung des Betriebsfriedens

Auftakt Kabinettsklausur Bayern

Zwei Widersacher in der Regierung: Finanzminister Markus Söder wird regelmäßig zur Zielscheibe von Ministerpräsident Horst Seehofer.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ministerpräsident Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder können sich nicht leiden. Doch inzwischen grenzt ihre Abneigung an Feindschaft. Wie lange halten die beiden es noch miteinander aus?

Von Frank Müller

"Der Ministerpräsident (...) bestimmt die Richtlinien der Politik." (Art. 47, Bayerische Verfassung)

Der Mann, der die Richtlinien bestimmt, ist am Freitagmittag immer noch so erregt, dass er die Kernfrage auf Englisch stellt. "Why?" fragt Horst Seehofer. "Wieso?" Und dann: "Es ist mir unerklärlich."

Der Mann dagegen, der den ganzen Ärger aus Seehofers Sicht ausgelöst hat, sagt auch am Freitag nichts in dieser Angelegenheit. Finanzminister Markus Söder spricht mal im Landtag, mal bei Maybrit Illner im ZDF, er berät sich mit seinen Leuten. Nach außen sagt er nichts. Es geht eine Woche zu Ende, in der es keinen Tag gab, an dem sich Seehofer nicht über Söder aufgeregt hätte. Kein Tag, an dem er ihn nicht niedergemacht hätte. Söder, geplagt durch eine Muskelverletzung, humpelt durch die Woche. Kein Tag, an dem er sich einmal gewehrt hätte. Why?

Noch nie herrsche Dauerkrawall

Es ist die Woche der bösen Worte hier und der nicht gemachten Gegenschläge dort. Seitdem Seehofer und Söder im selben Kabinett sitzen, also seit 2008, hat es noch keinen mehrtägigen Dauerkrawall dieser Art gegeben. Die Lage übertrifft sogar die rund um die legendäre Weihnachtsfeier der CSU des Jahres 2012. Damals hat Seehofer bei einem als besinnlich angekündigten Treffen mit den Journalisten im großen Stil Häme ausgeschüttet, auch über Söder, aber nicht nur. Es herrschte Entsetzen, es gab eine Aussprache zwischen beiden, man fand in den Arbeitsmodus zurück. Aber kann man, so wie es jetzt ist, noch zusammenarbeiten?

Es beginnt am Montag, nein: eigentlich am Sonntag. Söder steht in den Sonntagszeitungen mit Forderungen, die sich als Versuch lesen lassen, den Berliner Koalitionsvertrag in Frage zu stellen. "Die Koalition kann nicht dogmatisch an allem unbeirrt festhalten, was vor einem Jahr vereinbart worden ist", wird Söder zitiert. Er verlangt einen "Konjunktur-Check für alle Vorhaben der Regierung". Darf man so etwas sagen? Warum eigentlich nicht? Die Zeiten werden wirtschaftlich härter. Und ist es nicht Seehofer, der stets innerparteiliche Debatten einfordert und Minister will, die klug und eigenständig agieren?

"Gemäß den vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien der Politik führt jeder Staatsminister einen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag." (Art. 51, Bayerische Verfassung)

Söder ist jetzt nur noch "jemand"

Am Montag nennt Seehofer nach einer CSU-Vorstandssitzung drei Minister namentlich, den vierten bezeichnet er nur als "jemand". Seehofer lobt Kultusminister Ludwig Spaenle und Ilse Aigner, dafür wie sie Gymnasialreform und Energiewende umsetzen. Er lobt Innenminister Joachim Herrmann, der sich mit einem rechtsextremen Richter und einem auszuweisenden Salafisten abmüht. "Wenn ich mit jemandem im Vorstand ein blindes Vertrauen habe, dann ist es der Joachim Herrmann", sagt Seehofer.

Aber "wenn da jemand sagt, er möchte einen Konjunkturcheck", sagt Seehofer auf Söder bezogen, dann gehe es um "die Verlässlichkeit der CSU". "Um Kernbestandteile der Politik der bayerischen Staatsregierung." Es ist der Tonfall, in dem ein Arbeitgeber einem schwierigen Angestellten gegenüber die Worte "Störung des Betriebsfriedens" ausspricht. Man weiß, was auf so etwas folgt.

Auch Herrmann stänkerte schon gegen die Pkw-Maut

Auch Herrmann ist einer, der sich bei Reizthemen absetzen kann von Seehofer. Er hat es schon gewagt, gegen Seehofers Pkw-Maut zu stänkern. Nicht auszudenken, was geschähe, würde dies Söder einfallen. Herrmann aber empfindet Seehofer als verlässlich. "Das ist schon ein qualitativ erheblicher Unterschied", sagt Seehofer sehr böse. Er meint: zu Söder.

So geht das durch die Woche. Hätte Herrmann gefordert, Millionen aus dem noch immer gut gefüllten Topf für die Flutopfer von 2013 in die Bewältigung des Asylnotstands zu stecken, dann hätte Seehofer das befürwortet oder abgelehnt. Als Söder das tut, wird Seehofer am Mittwoch gleich wieder grundsätzlich. Er wolle "dass unsere Zusagen in der Fluthilfe nicht gefährdet werden" und dass die Regierungsaussagen "stimmig bleiben". Immer voll drauf. Immer stehen Mitarbeiter Söders dabei, immer können sie ihrem Chef genau berichten, was der Ober-Chef gesagt hat.

"Der Ministerpräsident beruft und entlässt mit Zustimmung des Landtags die Staatsminister und die Staatssekretäre." (Art. 45, Bayerische Verfassung)

Der Finanzminister ist einer, der keinem Streit aus dem Weg geht. Er ist schnell, er kann verletzen und sehr zynisch sein. Es muss ihn Überwindung kosten, solche Sätze zu ertragen. Irgendwann nach dem Spektakel um die Weihnachtsfeier, bei der ihm Seehofer die längst ins CSU-Wörterbuch eingegangenen "Schmutzeleien" vorwarf, muss Söder einen Plan gefasst haben: Arbeiten, auf Kurs bleiben, sich nichts anmerken lassen.

Die Frage nach einem Rauswurf ist nicht absurd

Er zieht das bemerkenswert konsequent durch, obwohl er dieselbe emotional-sentimentale Flanke hat wie Seehofer. Beide fühlen sich permanent nicht angemessen gewürdigt, beide halten sich für die absolute Spitze. Beide wollen geliebt werden. Ist Platz für zwei von diesem Kaliber in einem Kabinett? Das Verhältnis beider wirkt derart zerrüttet, dass die Frage ob Seehofer Söder irgendwann hinauswirft, nicht absurd ist. Genausowenig wie die Frage, ob Söder irgendwann gegen Seehofer putscht.

Vom schweigenden Söder weiß man, dass ihn Verletzungen treffen. Man weiß auch, dass er sie geradezu provoziert. Es ist das lose Mundwerk, gepaart mit dem Unbedingten Willen, der Erste und Beste zu sein. Niemand in der Staatsregierung hat einen vergleichbaren medialen Ausstoß, niemand setzt sich williger in Szene, niemand spielt das Geschäft professioneller. Aber auch: Niemand hat seinen Job, noch dazu den des schwierigen Finanzressorts, vergleichbar gut im Griff.

"Öffentliche Äußerungen der Staatsminister und Staatssekretäre dürfen den Richtlinien der Politik nicht widersprechen." (Paragraf 1, Satz 8, Geschäftsordnung der Staatsregierung)

Faszinierend oder überdreht

Söder ist der Mann, den Bayern zu Günther Jauch, Maybrit Illner und Frank Plasberg schicken kann, wo sich Seehofer niemals blicken lässt, Christine Haderthauer nicht mehr gefragt ist und sonst nur Herrmann als Gast infrage kommt. Die einen in der Fraktion finden das faszinierend, die anderen meinen: Er überdreht. Wenn Söder öffentlich aufscheint, gibt es immer eine Frechheit, mindestens. Die meisten davon lieferte er in diesem Jahr beim Derblecken zum Maibock-Anstich, als er an Seehofers Adresse sagte: "Wir haben eine Umfrage gemacht unter den Ministern, welche Behörde verlagert werden soll - da gab's ein einhelliges Votum, und zwar die Staatskanzlei - am besten nach Hof, damit jeder seine Ruhe hat."

Das war ein Witz, aber Seehofer fand den Auftritt nicht lustig. Seit dem Maibock-Auftritt haben sich Seehofers Aversionen gegen Söder nochmals deutlich gesteigert. Seitdem betont Seehofer gern den Wert seriöser Politik, vor allem, wenn sie von Ilse Aigner, seiner Wirtschaftsministerin, gemacht wird. Und seine Verachtung für bloße Show. Seehofer nervt Söders Spektakeltum sogar mehr als die Probleme von Sozialministerin Emilia Müller in der Asylpolitik. Das eine seien Fehler, das andere überflüssige, absichtliche Querschüsse. Und das immer wieder: "Das ist immer ein Prozess, das ist ja nicht nur ein Ereignis. Vielleicht war ich in der letzten Zeit zu großzügig."

Nur einmal in dieser Woche redet Söder ein paar Worte über all das. Gerade hat Seehofer ihn wieder im Kabinett zum verlässlichen Auftritt ermahnt und gefordert, "kameradschaftlich" zusammenzuarbeiten. Söder sagt danach, die Atmosphäre im Kabinett sei "kameradschaftlich" gewesen.

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