Streit im Kleinwalsertal:Bürger entscheiden über Panoramabahn

Das Projekt ist umstritten und sorgt seit einem Jahr für Diskussionen: Nun stimmten die Bürger im Kleinwalsertal über die sogenannte Panoramabahn zwischen zwei Skibergen ab. Der Konflikt weicht vom üblichen Muster Naturschutz kontra Bergbahn ab - es geht hier auch um konkurrierende wirtschaftliche Interessen.

Andreas Roß

Hirschegg Kleinwalsertal: Panorama-Lift Walmendinger Horn (li.) - Ifen

Die Kleinwalsertaler Bergbahnen AG will eine 2,5 Kilometer lange Gondelbahn zwischen dem Walmedinger Horn (links) und dem Ifen (ganz rechts) bauen.

(Foto: Johannes Simon)

Wer Kleinwalsertal hört, der denkt sofort an Urlaub. Und in der Tat, das Kleinwalsertal gehört zu den fünf wichtigsten Tourismuszielen in Österreich. Jedoch ist diese von den Allgäuer Alpen umschlossene Vorarlberger Enklave auf der Straße nur über das bayerische Oberstdorf zu erreichen. 5000 Walser, wie die Einheimischen genannt werden, leben in dem Tal - und ihre wichtigste Einnahmequelle ist das Geschäft mit den Urlaubsgästen, von denen der überwiegende Teil aus Deutschland kommt.

An diesem Sonntag haben sie eine knifflige Entscheidung zu fällen. In einer Volksabstimmung werden sie darüber befinden, ob zwischen zwei Skibergen eine etwa 2,5 Kilometer lange Gondelbahn über ein idyllisches Seitental gebaut werden darf. Diese Bahn ist das Kernstück eines 38 Millionen Euro teuren Modernisierungsprojekts der Kleinwalsertaler Bergbahn AG (KBB) für den Wintertourismus. Sie bewirbt es unter dem Motto "Zukunft Kleinwalsertal: ein Tal - ein Skigebiet - ein Skipass".

Über das Vorhaben, das der Gemeinderat des Tales im März mit 14 zu zehn Stimmen befürwortet hat, wird seit gut zwei Jahren heftig diskutiert. Mittlerweile hat der Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern tiefe Gräben aufgerissen. Aber es sind nicht nur die Naturschützer, die eine Weiterentwicklung der Tourismusinfrastruktur im Tal zwar befürworten, die Panoramabahn jedoch kategorisch ablehnen.

Zu den Gegnern gehören vor allem ein großer Hotelier und Liftbetreiber aus dem Tal, der eigene Geschäftsinteressen verfolgt, sowie ein Großgrundbesitzer am naturräumlich bedeutsamen Berg Ifen (2230 Meter hoch). Tal-Bürgermeister Andi Haid (ÖVP), der seit zweieinhalb Jahren amtiert und ein Befürworter des Projekts ist, treibt deshalb die Sorge um, auch nach der Abstimmung könnte keine Ruhe einkehren: "Es ist wichtig, dass auch die unterlegene Seite die Entscheidung demokratisch zur Kenntnis nimmt und respektiert."

Sie wissen, dass sich etwas ändern muss

Im Chefzimmer der Kanzelwandbahn in Riezlern sitzt Augustin Kröll, grauhaarig, drahtig, 57 Jahre alt. Er ist der Vorstand der Kleinwalsertaler Bergbahn AG. Mit der Zwei-Länderbahn, einer Verbindung zwischen dem bayerischen Fellhorn und der Kanzelwand im Kleinwalsertal, hat Kröll schon vor Jahren eine moderne Skischaukel geschaffen. Nun möchte er auch das Kleinwalsertal für die Skifahrer und die Wintertouristen attraktiver machen. "Wir haben hier im Tal zwar 25 Lifte, aber 19 davon sind veraltet", sagt Kröll.

Die meisten Menschen im Tal wissen, dass sich etwas verändern muss. Denn allein in den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Übernachtungen stark zurückgegangen, wie Anne Riedler sagt, die Geschäftsführerin des Kleinwalsertal-Tourismus. "Wir müssen dringend neue Gäste ansprechen, und hierfür benötigen wir ein passendes und wettbewerbsfähiges Infrastrukturangebot", betont Riedler.

Das deckt sich mit den Intentionen von Bergbahn-Chef Kröll. "Wir wollen auch in Zukunft nicht mit den Skizirkussen in Vorarlberg, Ischgl oder Sölden konkurrieren, sondern unsere Zielgruppe ist die Mehr-Generationen-Familie. Für sie müssen wir passende Angebote bereithalten." Kröll möchte das Kleinwalsertal und Oberstdorf künftig als ein gemeinsames Urlaubsziel bewerben. "Das ist die Nische, das ist unsere Chance", glaubt Kröll.

Für den Bergbahn-Chef steht und fällt das Projekt jedoch mit dem Bau der umstrittenen Panoramabahn zwischen dem Walmedinger Horn und dem Ifen. An der Wand von Krölls Büro hängen mehrere Karten, auf denen Pfeile und Striche in unterschiedlichen Farben skizzieren, wie er sein Modernisierungskonzept umsetzen will - und zwar so, dass es sich auch rechnet. "Nur wenn es uns gelingt, die drei Skigebiete am Horn, am Ifen und am Heuberg miteinander zu verbinden, wird der Gast den Preis für einen Tages-Skipass akzeptieren", glaubt Kröll. Einwände der Umweltschützer hält er nicht für gerechtfertigt, "denn wir bauen keine neue Pisten, und die Eingriffe in die Natur sind vertretbar".

Angst vor der Sogwirkung

Die Sektion Kleinwalsertal des österreichischen Alpenvereins (ÖAV) hat Kröll damit aber offenbar nicht überzeugt. Sie wehrt sich vehement gegen den Bau der Panoramabahn und das geplante Restaurant an der Bergstation des Ifen. Für den Alpenverein sind der Ifen mit seinem karstigen Felsplateau namens Gottesacker und das Schwarzwassertal ein Schutzgebiet von "überregionaler Bedeutung". Mit dem Bau der Panoramabahn, so die Kritik des ÖAV, würden stündlich 3400 Personen zum Ifen transportiert, was dem schutzwürdigen Berg vor allem im Sommer nicht gut bekäme.

Der Alpenverein warnt zudem vor einer "Sogwirkung", die die Bahn auf Tagesgäste haben werde, womit noch mehr Verkehr ins Tal gezogen würde. Ähnlich argumentiert auch der Verein "Landschaftsschutz Kleinwalsertal". Und ein deutscher Großgrundbesitzer, dem das Wald- und Jagdgebiet am Ifen gehört, sperrt sich ebenfalls gegen mehr Tourismus.

Doch die Kleinwalsertaler Bergbahn AG hat noch einen weiteren Gegner. Eine Investorengruppe um die einflussreiche Familie Haller, die im Tal mehrere Hotels und Skilifte betreibt, hat Bürgermeister Haid und dem Gemeinderat ein Alternativkonzept unterbreitet. Es sieht eine Modernisierung der betagten Ifenlifte vor sowie eine maschinelle Beschneiung und eine Verknüpfung der Hallerschen Heuberg-Seilbahnen mit der Talstation des Ifen.

"Dahin führt uns kein Weg"

Damit, so die Vorstellung der Investoren, könne man auf die auf Massentourismus ausgerichtete Panoramabahn verzichten und dennoch Skigebiete miteinander verbinden. Die Investorengruppe hat angeboten, zur Realisierung dieses Konzepts den KBB die Ifen-Bergbahnen abzukaufen. "Doch dahin", so KBB-Vorstand Kröll, "führt für uns kein Weg."

Wie man weiß, hat die Mehrheit des Gemeinderates im Frühjahr anders entschieden und das Panorama-Projekt der KBB befürwortet. Zwei Gemeinderäte, Hermann Haller und Markus Fritz, haben daraufhin Unterschriften für eine Volksabstimmung gesammelt.

Bis in diesen Tagen fand ein intensiver Wahlkampf im Tal statt, in den sich mittlerweile auch der Altbürgermeister Werner Strohmaier eingeschaltet hat. Er appelliert an die Tal-Bürger, das Modernisierungskonzept der KBB mitzutragen. Es seien nur zwei Prozent der Talflächen für die Skitouristen erschlossen. Und die sollte man im Einklang mit der Natur "bestmöglich nutzen", betonte Strohmaier.

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