Strauß-Prozess:Die Zeichen stehen auf Freispruch

Schwierige Beweisführung: Alle Bemühungen der Ankläger im Steuerfall Max Strauß scheinen ins Leere zu laufen.

Hans Holzhaider

Was für ein nettes kleines Geschichtchen: Wir schreiben das Jahr 1985, Franz Josef Strauß, bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender, steht noch voll im Saft, sein ältester Sohn Max, zarte 26 Jahre alt, bereitet sich gerade auf sein erstes juristisches Staatsexamen vor.

Da begibt es sich, dass der spätere thailändische Premierminister Chatichai Choonhavan im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten zu einem Abendessen einlädt, an dem auch Max Strauß teilnehmen darf.

Beim Verlassen des Restaurants blätterte ihm einer der Begleiter des thailändischen Gastgebers, ein gewisser Pitak Intrawityanunt, einen ganzen Stapel Visitenkarten auf - alles, wie Straußens Begleitbeamter, der früher im Sittendezernat tätig war, sogleich sachkundig feststellt, Adressen aus dem Münchner Rotlichtmilieu. Der Einladung, Herrn Intrawityanunt auf einer kleinen Bordelltour zu begleiten, sei er jedoch nicht gefolgt, erinnert sich Max Strauß.

Professor Heiko Lesch aus der angesehenen Anwaltskanzlei Redeker, Sellner Dahs & Widmaier trägt diese Episode im sachlichsten Tonfall vor der 9. Strafkammer des Landgerichts Augsburg vor, wo sich Max Strauß seit letztem Dezember wegen Steuerhinterziehung verantworten muss, zum zweiten Mal schon, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das Ersturteil vom Juli 2004 in Bausch und Bogen aufgehoben hat.

Millionen gebunkert

Zu drei Jahren und drei Monaten Haft war Max Strauß damals verurteilt worden, von eben dem Richter Maximilian Hofmeister, der auch die ehemaligen Thyssen-Manager Winfried Haastert und Jürgen Maßmann und den Ex-Staatssekretär Holger Pfahls verurteilt hat. Immer ging es um Schmiergeld, bezahlt von den Firmen Thyssen und Airbus, einkassiert und weiterverteilt von dem heute 73-jährigen Karlheinz Schreiber, der in Kanada mit allen juristischen Mitteln gegen seine Auslieferung nach Deutschland kämpft.

Max Strauß soll einer der Empfänger gewesen sein. Rund 2,7 Millionen Euro habe Schreiber für ihn auf einem Schweizer Konto mit dem Tarnnamen "Maxwell" gebunkert, behauptet die Staatsanwaltschaft. Haarklein haben Augsburger Steuerfahnder die Zu- und Abflüsse auf diesem Konto recherchiert, haben sie mit den nur dilettantisch verschlüsselten Aufzeichnungen in einem Taschenkalender Schreibers abgeglichen, und der Staatsanwaltschaft das Material übergeben, auf dem die Anklagen gegen Haastert, Maßmann, Strauß und Pfahls beruhen.

Nur - niemand hat bisher nachweisen können, dass Max Strauß auch nur einen Cent von diesen 2,7 Millionen Euro tatsächlich jemals in seiner Verfügungsgewalt hatte. Im Gegenteil - letztendlich hat Schreiber all das Geld wieder nach Liechtenstein transferiert und nach und nach für eigene Zwecke verbraucht.

Deshalb basierte das erste Urteil gegen Max Strauß auf dem Konstrukt eines "Treuhandverhältnisses" zwischen Max Strauß und Karlheinz Schreiber - dann hätte Strauß das Geld, auch wenn er es de facto nie besessen hat, dennoch versteuern müssen. Diese Treuhand-Fiktion aber hat der BGH gnadenlos vom Tisch gewischt, und nun muss die Staatsanwaltschaft zusehen, wie sie trotzdem einen Schuldspruch gegen Max Strauß zustande bringt.

Das könnte nur funktionieren, wenn es gelänge, den Angeklagten als "gewerblichen Lobbyisten" zu überführen, jemanden also, der quasi von Berufs wegen zum Zwecke seines Lebensunterhalts Geschäfte vermittelt und dafür Provisionen kassiert. Dann nämlich hätte er etwaige Ansprüche gegen Karlheinz Schreiber als Forderungen in seine Bilanz einstellen und sie versteuern müssen, auch wenn er sie noch gar nicht bekommen hätte.

Darum also geht es in diesem zweiten Prozess, und um diesen Nachweis zu führen, haben die Staatsanwälte die Akten noch einmal durch ein ganz feines Sieb geschüttelt und sind nach ihrer Einschätzung doch noch auf einige Goldkörnchen gestoßen. Das sind: der Fall der Augsburger Firma Böwe, der Fall des arabischen Getränke- und Parfümhändlers Sami Jamil Jadallah, und vor allem Max Strauß' Rolle in dem Airbus-Geschäft mit Thailand.

Der Fall Böwe ist rasch erzählt: Strauß soll 1990 für das Augsburger Unternehmen, das Reinigungsmaschinen herstellt, 1,3 Millionen Mark staatliche Subventionen lockergemacht und dafür 130.000 Mark Provision kassiert haben. Ein ehemaliger leitender Angestellter des Unternehmens hat den Deal bestätigt, aber ob das Geld auch wirklich an Strauß ausbezahlt wurde, konnte er nicht bezeugen.

Der Fall Jadallah: Bei Strauß wurde ein Brief des arabischen Geschäftsmannes vom März 1988 gefunden, der ein Cola-Getränk und ein Parfüm vermarkten wollte. Für den Fall einer erfolgreichen Zusammenarbeit wird Strauß eine lebenslang zahlbare Provision ("zehn Dollar für jede Million verkaufter Getränkekisten") in Aussicht gestellt. Nichts lässt darauf schließen, dass Strauß jemals für Jadallah tätig wurde oder von ihm Geld bekommen hat.

Reisen nach Thailand

Schließlich: das Airbus-Thailand-Geschäft. Das ist sozusagen das Trumpf-Ass der Staatsanwaltschaft, denn es steht fest, dass Strauß tatsächlich zweimal im Auftrag von Airbus nach Thailand gereist ist, einmal zusammen mit dem damaligen Airbus-Verkaufschef Stuart Iddles. Deshalb also trägt Verteidiger Heiko Lesch nun seine Erklärung vor; es ist das erste Mal, dass sich Strauß, wenn auch nur über seinen Anwalt, zu diesem Thema äußert.

Deshalb wird die Episode mit Herrn Intrawityanunts Bordell-Exkursion erzählt - so harmlos, soll damit belegt werden, habe diese Bekanntschaft begonnen. Strauß, so geht die Geschichte weiter, habe seinem Vertrauten Karlheinz Schreiber ganz beiläufig von dem Kontakt erzählt, und als Airbus ein paar Jahre später mit den Thais verhandelte und die Sache nicht so recht rund gelaufen sei, habe Verkaufschef Iddles Strauß gebeten, doch mal mit nach Bangkok zu kommen, um Herrn Iddles mit Herrn Intrawityanunt bekannt zu machen.

Strauß, der gerade seine erste Stelle in einer renommierten Münchner Wirtschaftskanzlei angetreten hatte, habe sich diese Chance, ein Mandat an Land zu ziehen, natürlich nicht entgehen lassen wollen. Als er aber gemerkt habe, dass es Herrn Intrawityanunt nur um persönliche Bereicherung gegangen sei, habe er sich sofort aus der anrüchigen Sache zurückgezogen. "Herr Strauß machte klar, dass er nicht in einen Schmiergeldsumpf hineingezogen werden wollte", trägt der Verteidiger vor.

Das kann man nun glauben oder nicht - es gibt Indizien dafür, dass Straußens Engagement in Thailand doch etwas intensiver war, als es die Verteidigung skizziert. Aber darauf wird es allem Anschein nach nicht mehr ankommen. Der Vorsitzende Richter Manfred Prexl hat sehr deutlich signalisiert, dass ihm das bisherige Beweisergebnis mit Sicherheit für eine Verurteilung nicht ausreichend erscheint, und was die Staatsanwaltschaft über den Thailandkomplex unter Beweis stellen will, ist längst Akteninhalt, also nicht Neues für das Gericht. Wenn nicht alles täuscht, wird Richter Prexl am 30. Juli die Beweisaufnahme schließen. Die Zeichen für Max Strauß stehen auf Freispruch.

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