Ausstellung in Straubing:Die frühen Bayern waren ein kunterbuntes Mischvolk

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Die neue Ausstellung im Gäubodenmuseum ist multimedial aufbereitet, per Fingerstreich wird ein ganzes Skelett sichtbar. (Foto: Foto-Bernhard/Gäubodenmuseum)

Eine neue Ausstellung im Gäubodenmuseum zeigt eindrucksvoll, dass in Straubing Einflüsse aus ganz Europa wirkten. Zahllose Generationen hinterließen ihre Spuren - ein Glücksfall für die Archäologie.

Von Hans Kratzer, Straubing

Der moderne Mensch sitzt oft und viel, und für diese Bequemlichkeit wird er mit Rückenschmerzen bestraft. Kreuzweh gilt als klassische Zivilisationskrankheit, ein Befund, der jedoch in der neuen Dauerausstellung im Straubinger Gäubodenmuseum stark relativiert wird. Dort findet sich zum Beispiel ein Verweis auf das in Straubing entdeckte frühmittelalterliche Skelett eines bedeutenden Mannes, dem man unter anderem goldene Schuhriemen mit ins Grab gegeben hatte. Diese Ehre wurde nur höchsten Persönlichkeiten des fränkischen Reiches zuteil. Anthropologen fanden aber heraus, dass diesen adeligen Vorfahren wegen eines Bandscheibenvorfalls starke Rückenschmerzen geplagt hatten. Ähnliches gilt auch für den Mann, der im Grab neben ihm lag. Früher war also keineswegs alles besser, zumindest nicht, was die Rückenmalaise betrifft.

"Baiern gefunden" lautet der Titel der spektakulären Schau im Gäubodenmuseum, die unter Einsatz einer hochmodernen Ausstellungstechnik die Anfänge der Bayern erklärt. Jene Anfänge, in denen nicht zuletzt die Wurzeln ihrer anhaltenden Eigenwilligkeit vermutet werden. Lange Zeit galten die Bayern in der Forschung als Produkt einer Stammeseinwanderung aus dem Osten. In Wirklichkeit ist dieser Prozess weitaus komplexer verlaufen, auch wenn es noch immer verblüfft, dass die Urbayern laut den kargen schriftlichen Belegen im sechsten Jahrhundert quasi über Nacht zwischen Donau und Alpen aufgetaucht sind.

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Die moderne Forschung und die darauf basierende Straubinger Ausstellung belegen aber zweifelsfrei, dass der Stamm aus einem Verschmelzungsprozess hervorgegangen ist. Die frühen Bayern waren demnach ein kunterbuntes Mischvolk aus hier gebliebenen Römern, keltischer Urbevölkerung sowie zugewanderten Germanenstämmen, Franken, Alemannen, Langobarden und Ostgoten.

Archäologen und Anthropologen haben in den vergangenen Jahrzehnten vor allem im Großraum Straubing viel Licht ins Dunkel der bayerischen Frühgeschichte gebracht. Das verwundert nicht, denn das Zentrum des fruchtbaren Gäubodens ist seit Menschengedenken besiedelt, zahllose Generationen haben Spuren hinterlassen. Als ein Glücksfall erwies sich die Entdeckung riesiger Gräberfelder aus dem frühen Mittelalter in der Stadt. In vielen Gräbern fanden sich Schmuck, Waffen, Bekleidung, Gläser, Spangen und Vasen. Diese Relikte belegen eine erstaunliche Vielfalt an kulturellen Einflüssen aus ganz Europa.

"In Straubing lässt sich aufgrund dieser Funde ein dichtes Bild des frühen Bayern zeichnen", sagt der Archäologe Günther Moosbauer, der seit 2013 das Gäubodenmuseum und die Stadtarchäologie leitet. Nirgendwo sonst in Bayern könne man die Landesgeschichte vom fünften bis zum neunten Jahrhundert über Funde so gut darstellen wie in Straubing. In einem eigenen Trakt im Gäubodenmuseum glänzen diese Exponate nun mehr denn je.

In einer dunkel gehaltenen Schatzkammer erwartet die durch Leuchtpfeile geführten Besucher eine multimediale Überraschung nach der anderen. Sie können in den Räumen verschiedene Ausgrabungsfelder besuchen, durch fleißiges Wischen auf einer Glasfläche sogar ein Skelett sichtbar machen und ermitteln, was dessen DNA alles über die Person verrät. Nachgebildete Objekte wie Gewandspangen vermitteln ein faszinierendes haptisches Gefühl für die von hoher Kunstfertigkeit geprägten Relikte der Bajuwaren, ebenso kann man ein Schwert mit einer Damaszener-Klinge in die Hand nehmen. Ergänzt wird das frühgeschichtliche Potpourri durch mit viel Hintersinn produzierte Filme und Hörtexte, auch Tafeln in Blindenschrift sind vorhanden.

Das könnte der erste Maßkrug sein, auch wenn kein ganzer Liter hineinpasst. (Foto: Foto-Bernhard/Gäubodenmuseum)

Als Zuckerl ist am Eingang ein Krug aus mittelgrobem Ton zu sehen, der im Gräberfeld Bajuwarenstraße entdeckt wurde. Wegen seiner Form gilt er als Ur-Masskrug, auch wenn er nur knapp drei Quartl einer heutigen Mass fassen kann (0,7 Liter). "Er hat wohl als Trinkgefäß gedient", sagt Moosbauer. Offen ist, ob es sich dabei schon um einen Bierkrug handelte.

Aus Grabfunden lässt sich überdies erschließen, dass die frühen Bayern nach dem Abzug der Römer zum Herrschaftsbereich der Ostgoten gehörten (488-536). Deren Herrschaft reichte bis zur Donau, und sie hinterließ deutliche, bisweilen erschreckende Spuren. Einer älteren, vom Balkan zugewanderten Frau war im Säuglingsalter der Schädel bandagiert worden, damit die Stirn höher wirkte Diese Mode hatten die Hunnen gepflegt. In der Schwarzmeerregion übernehmen dann ostgermanische Stämme diesen Brauch und brachten ihn in jene Gegend mit, in der im Jahr 551 erstmals der Name Baiuvarii schriftlich erwähnt wurde.

Die Stadt Straubing hat in den neuen Bayern-Trakt 800 000 Euro investiert. Nun kann sie als Belohnung die derzeit modernste Archäologieausstellung in Bayern präsentieren. Der Lohn dafür: "Die Besucherzahlen sind förmlich explodiert", sagt Moosbauer. Die Entscheidung für diese Investition fiel erst wenige Tage vor dem verheerenden Brand des Straubinger Rathauses. Sie wurde zum Glück nicht revidiert. Die Ausstellung ist täglich (außer montags) von 10 bis 16 Uhr geöffnet.

© SZ vom 24.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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