In zehn, spätestens elf Jahren wollen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) den großen europäischen Durchbruch geschafft haben. Dann soll mehr als ein Drittel des gesamten transalpinen Güterverkehrs auf der Schiene durch den Brennerbasistunnel rollen, den die Italiener und die Österreicher für grob geschätzte zehn Milliarden Euro auf 64 Kilometern zwischen Franzensfeste und Innsbruck durch den Fels treiben.
Der nächste Flaschenhals zwischen Mittelmeer und Nordsee wird dann an der deutschen Grenze beginnen. Für das Inntal zwischen Kufstein und Rosenheim hat nach jahrelangem Stillstand zuletzt immerhin der Planungsprozess Fahrt aufgenommen. Doch welchen Weg die bis mehr als 700 Meter langen Güterzüge dann weiter nehmen sollen, ist wieder vollkommen offen. Die Deutsche Bahn will München inzwischen links liegen lassen und die Züge über Landshut und Regensburg nach Norden führen. Dies würde zwischen Rosenheim, Wasserburg, Freilassing und Mühldorf einen Trassenausbau im großen Stil nötig machen.
Der Planungsprozess hat Fahrt aufgenommen
Noch zeigen die Karten der Bahn-Planer im Süden von Rosenheim nur drei Pfeile in Richtung München, Mühldorf und Salzburg. Die Zeit, in der man einfach Linien gezogen habe, sei längst vorbei, heißt es von der Bahn. Solche Linien gibt es noch nicht einmal für das Inntal, wo ein drittes und viertes Gleis nötig sind, um die mehr als 480 Züge aufzunehmen, die der Brennerbasistunnel pro Tag möglich machen wird.
Dass es schon 2025 auf Anhieb so viele sein werden, erwartet die Deutsche Bahn allerdings nicht. Womöglich werde die Zahl von derzeit 180 Zügen pro Tag über den Brenner sogar erst einmal sinken, weil Güterzüge wegen der geringeren Steigung dann fast doppelt so lang werden könnten, sagt ein Bahn-Sprecher. Der Konzern hofft, auch 2026 noch mit der bestehenden zwei Gleisen durchs Inntal auszukommen. Dafür soll es ein Lärmschutzkonzept geben, das laut der jüngsten Ankündigungen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt im Januar fertig wird.
Beim Bau der zwei zusätzlichen Gleise machen DB und ÖBB seit einem internationalen Abkommen 2012 gemeinsame Sache. Schon damals war der Brenner-Zulauf auf österreichischer Seite praktisch fertig, während sich die Deutschen erst jetzt mit den bewährten Instrumenten der Nachbarn an die Planung machen. So werden die Befürchtungen und Bedürfnisse der Bürger und Lokalpolitiker im bayerischen Inntal in gestaffelten Dialogrunden erörtert.
Gerade hat sich ein regionaler Projektbeirat zum ersten Mal getroffen. Parallel dazu soll demnächst ein Streckenplaner die technischen und geologischen Bedingungen im engen Inntal prüfen, durch das neben der bestehenden Bahnlinie unter anderem auch die A 93, eine Staatsstraße und eine transalpine Ölpipeline verlaufen.
Möglichst 2018 will die Bahn die Arbeit beider Seiten zu einem Trassenvorschlag zusammenführen. Der werde wegen der Bürger- und Behördenbeteiligung idealerweise nicht mehr auf so viel Widerstand stoßen und schon einige planungsrechtliche Hürden hinter sich haben, beschreibt ein Bahnsprecher die Hoffnung, die sich mit dem gleichen Verfahren auf österreichischer Seite erfüllt hat. Dort haben die Planer von zwischenzeitlich 17 gestrichelten Linien am Ende eine durchgezogen. Das wird in Deutschland auch nach 2018 noch einige Jahre dauern. An einen Baubeginn 2019, wie ihn nun die Rosenheimer Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer in den Raum gestellt hat, glaubt die Bahn nicht.
Zulauf zum Brennerbasistunnel:Lärmschneise durch Oberbayern
Der Zulauf zum Brennerbasistunnel wird eines der umkämpftesten Bahnprojekte in Bayern. Die Bahn will die vorhandene Trasse durch sieben Dörfer im Inntal für mehr als 300 Züge pro Tag ausbauen. Politiker aus der Region kündigen Widerstand an.
Ostkorridor für den Güterverkehr
In noch weiterer Ferne liegen die Wege, die der Güterverkehr ab dem Raum Rosenheim nehmen wird. Als großräumige Trasse hat die Bahn für den Bundesverkehrswegeplan, den Minister Dobrindt noch in diesem Jahr vorlegen will, einen "Ostkorridor" über Regensburg, Hof, Halle und Uelzen nach Hamburg angemeldet. Der Weg vom Brenner auf diesen Korridor soll nicht mehr über den Bahnknoten München führen, der mit dem Personenverkehr ausgelastet ist, sondern über Mühldorf und Landshut. Dies würde einen zweigleisigen Ausbau samt Elektrifizierung der Regionalbahnlinie von Freilassing über Mühldorf nach Landshut nötig machen.
Bisher fahren auf dem Mühldorfer Linienstern meist Diesel-Triebwagen; es läuft ein Ausbau im viel kleineren Stil, unter anderem ins oberbayerische Chemiedreieck um Burghausen. Von ehrgeizigen Plänen für ICEs von München über Mühldorf nach Freilassing und Salzburg hat sich die Bahn längst verabschiedet. Auch für den Güterverkehr sollen dort aber Geschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern möglich sein.
Die sind auch auf der direkten Linie von Rosenheim durchs weitere Inntal über Wasserburg nach Mühldorf nicht in Reichweite. Hier würde die Bahn um einen Neubau kaum herumkommen. Und dafür würde sie den Konsens-Baukasten der Österreicher wohl dringender brauchen denn je.