Vorschlag zum Gedenken:Straßennamen für Widerstandskämpferinnen

Lesezeit: 2 Min.

Karl Freller, der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten – hier bei der Feier zum 79. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau – möchte vergessenen Widerstandskämpferinnen mehr Aufmerksamkeit verschaffen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Viele Frauen, die sich mit Leib und Leben gegen das NS-Regime einsetzten, sind kaum bekannt. Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten möchte dies ändern.

Von Sara Rahnenführer

Maria Vaders, geboren am 17. November 1922 in Den Haag, verrichtete Zwangsarbeit in den Agfa-Kamerawerken in der Münchner Weißenseestraße. Wie die 500 anderen weiblichen Häftlinge musste sie in der damaligen Außenstelle des Konzentrationslagers (KZ) Dachau die Produktion der Rüstungsindustrie unterstützen. Vaders wehrte sich jedoch und organisierte als Rädelsführerin Streiks. Zur Strafe wurde sie im KZ Dachau in einen Bunker gesteckt. Sie überlebte ihre Haft und wurde 1945 befreit.

So wie Vaders waren viele andere Frauen Widerstandskämpferinnen gegen das NS-Regime, ob als verfolgte Häftlinge oder auch als normale Bürgerinnen. Mal waren sie unauffällig und agierten im Hintergrund, mal waren sie bekennende Aktivistinnen. Viele von ihnen sind jedoch heute kaum bekannt, ihre Namen sind vergessen.

Karl Freller, der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, möchte das ändern. Er schlägt vor, künftig neue Straßen auch nach Widerstandskämpferinnen zu benennen. Das sagte er schon kürzlich bei der Eröffnung der Ausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ in der Dachauer Versöhnungskirche. Die Stiftung werde dazu ein Schreiben an die Oberbürgermeister versenden mit dem Appell, künftig neue Straßen nach Frauen zu benennen, die sich gegen das NS-Regime einsetzten, sagt er am Telefon.

So sollen auch Frauen Aufmerksamkeit bekommen, die in kleinen Gemeinden im Hintergrund agierten und bislang nicht mal in den Orten selbst bekannt sind. Es habe viele Fälle gegeben in denen Frauen denunziert wurden, weil sie etwa den Hitlergruß verweigerten oder Häftlingen auf den Todesmärschen Essen gereicht hätten. „Ich finde es wichtig, dass wir uns mit der NS-Geschichte nicht nur in den KZ-Gedenkstätten auseinandersetzen, sondern bayernweit und auch in den kleinen Gemeinden“, sagt Freller. Gerade jetzt in einer Phase des erstarkenden Rechtsextremismus seien nach Widerstandskämpferinnen benannte Straßen eine Chance, das Thema in die breite Gesellschaft zu tragen. Dazu sollen nicht nur die Namen auf den Schildern stehen, sondern auch eine Notiz zum Leben der Frauen.

Um den Gemeinden ausführliche Auskunft geben zu können, möchte Freller noch gezieltere Recherchen im Archiv der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg veranlassen sowie Kontakt aufnehmen zu Heimatpflegern. „So könnten wir dann auch Empfehlungen an Gemeinden geben mit konkreten örtlichen Zuweisungen, wo die Frauen aktiv waren“, sagt Freller.

Besonders wichtig sei die lokale Auseinandersetzung auch, damit die Menschen in den Gemeinden einen persönlicheren Bezug zum Widerstand herstellen könnten. „Symbolkraft entfalten die Widerstandskämpferinnen ja vor allem in den Orten, in denen sie Widerstand geleistet haben“, sagt Jascha März, Historiker bei der Stiftung Bayerische Gedenkstätten.

Dass viele der Widerstandskämpferinnen bislang nicht bekannt sind, hänge auch mit dem chauvinistischen Blick von damals bis zur Gegenwart zusammen, sagt er. Wenn Männer wegen Flugblättern von der Gestapo verhaftet worden seien, hätten diese häufig ihre Frauen in Schutz genommen, auch wenn diese daran beteiligt waren. „Die Gestapo hat den Frauen den Widerstand auch gar nicht zugetraut, selbst wenn sie Beweise gefunden haben, die dafür sprachen“, sagt März. In der Nachkriegszeit sei die Geschichtswissenschaft noch von diesem Blick geprägt gewesen, der Frauen den Widerstand nicht zutraute.

Einer Widerstandskämpferin aus der Außenstelle des KZ Dachau wurde bereits ein Platz gewidmet: Ella Lingens. Die österreichische Ärztin wurde wegen ihres Widerstands gegen das NS-Regime verhaftet. In der Außenstelle versorgte sie verletzte und kranke Zwangsarbeiterinnen. Der Ella-Lingens-Platz befindet sich im Münchner Stadtteil Obergiesing.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war fälschlicherweise zu lesen, dass die Agfa-Kamerawerke in der Weißenburgstraße waren. Sie befanden sich aber in der Weißenseestraße, wir haben den Fehler korrigiert.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRechtsgutachten
:Kein Steuergeld mehr für Verfassungsfeinde? 

Bayerns Landtagspräsidentin Aigner will extremistischen Mitarbeitern von Fraktionen und Abgeordneten das Gehalt streichen. Wie das gelingen könnte - und wer wohl betroffen wäre.

Von Andreas Glas

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: