Straßenbau in Bayern:Teures Pflaster

Lesezeit: 3 min

Autobahnverlängerung, Westumfahrung, Brückenbau: Der Bund Naturschutz kritisiert, dass Straßenbauprojekte in Bayern oft zwei- bis dreimal so viel kosten, wie geplant - und unterstellt manchen Politikern, sich nur ein persönliches Denkmal setzen zu wollen.

Von Viktoria Großmann

Kalkül: Straßenbauprojekte werden fast immer teurer als angekündigt. (Foto: STA Franz X. Fuchs)

Wertingen ist mit knapp 9000 Einwohnern kein großer Ort. Schon jetzt ist es also nicht schwer, an der Stadt im Landkreis Dillingen an der Donau vorbeizukommen. In Zukunft soll es noch einfacher sein. Wenn nämlich vor der Stadt ein neuer Kreisverkehr gebaut ist, der die Wege in die Nachbarorte eröffnet. Und wenn dann darüber hinweg eine Brücke führt. Nein, keine einfache Brücke - ein "Overfly". Geradezu hinwegfliegen können dann die Autofahrer über den hübschen Ort, und zwar auf der Staatsstraße 2033.

Dabei entgeht ihnen dann nicht nur ein Blick auf Schloss und Fachwerkhäuser, sie werden in sieben Metern Höhe auch kaum dasselbe Schanghai-Feeling entwickeln wie jene, die unter ihnen die Ausfahrt nach Geratshofen nehmen. So imposant das Projekt im Plan aussieht, so günstig sollte es zunächst sein: 4,6 Millionen Euro etwa werde es kosten, hieß es bei der Vorstellung des Projektes im Dezember 2009. Etliche Planungen für Radwegeunterführungen, Ausgleichsflächen und Baunebenkosten später liegt die veranschlagte Summe heute bei 14,5 Millionen Euro. Bis zu 89 Prozent davon wird der Freistaat zahlen. Dabei führt dieser das Vorhaben nicht gerade oben auf seiner Prioritäten-Liste. Möglich macht das Projekt die kommunale Sonderbaulast. Aus diesem Topf erhalten Gemeinden, die Bauprojekte selbst in die Hand nehmen wollen, Unterstützung vom Land Bayern.

explodierende Kosten bei Straßenbauprojekten in Bayern (Foto: SZ Grafik)

Für den Bund Naturschutz (BN), aber auch für Politiker der Grünen und der SPD sind Beispiele wie dieses der direkte Weg, nicht nur Geld zu verschwenden, sondern zugleich Naturräume zu zerstören. Denn es fördere die Praxis, zu viel, zu groß, und zu unüberlegt zu bauen. Am Dienstag stellten die Naturschützer in München eine Analyse von zehn bayerischen Verkehrsprojekten vor - mit und ohne Geld aus der kommunalen Sonderbaulast. Vom Ausbau der Autobahn 8 im Süden bis zur geplanten Westumfahrung Würzburgs. Bei allen Projekten haben sich die Kosten vom Beginn der Planungen bis zum Abschluss der Bauarbeiten oder zumindest bis zum heutigen Stand mindestens verdoppelt, teils sogar verdreifacht.

"Steuergelder müssen in Bayern zuallererst für die Erhaltung und Sanierung des bestehenden Verkehrsnetzes ausgegeben werden", sagt Richard Mergner vom Bund Naturschutz. Die bestehenden Straßen hätten es nämlich nötig. Allein 300 Kilometer des insgesamt 2500 Kilometer umfassenden Autobahnnetzes in Bayern seien dringend sanierungsbedürftig, rechnet er vor. Teile der Autobahnen 7 und 8 seien 30 Jahre alt, ja noch älter. Lkw dürften dort nur noch mit Geschwindigkeitsbegrenzung fahren, teils nicht schneller als 60 Kilometer pro Stunde. "Bayern ist genügend erschlossen", findet Mergner.

Insgesamt 42.000 Kilometer umfasse das bayerische Straßennetz. Den Gedanken, immer weiter zu bauen, findet Mergner altmodisch. Ein Politikerreflex, in Jahrzehnten gelernt und nie überdacht; als wirtschaftsfördernde Maßnahme längst nicht mehr ausreichend und nicht zeitgemäß. Bei Politikern jedoch, vom Ministerpräsidenten bis zum Kleinstadt-Bürgermeister, seien Straßenbauprojekte nach wie vor ein beliebtes Mittel, sich ins Gespräch zu bringen oder auch gleich, sich selbst ein bleibendes Denkmal zu setzen.

Die Bürger jedoch werden skeptischer. Nicht nur in Wertingen, auch an vielen anderen Orten, allen voran in der Gegend der geplanten Würzburger Westumgehung B26, haben sich Bürgerinitiativen gegründet. In ihrer Gegnerschaft zur 45 Kilometer langen Verbindung zwischen A3 und A7 haben 20 Gemeinden und 2500 Bürger zusammengefunden. Die Straße bringe kaum Weg- und Zeitersparnis, zerstöre dafür aber 60 Hektar Wald und führe außerdem durch Wasserschutzgebiete, argumentieren sie.

Sie schätzen den Flächenverbrauch des Projekts auf das Doppelte dessen, was das Straßenbauamt angibt, nämlich auf bis zu 1000 Hektar Land. Mindestens zwei bis drei Landwirte werden ihre Existenzgrundlage verlieren, wenn die Straße ihre Felder durchschneidet, befürchtet Erwin Scheiner vom BN Main-Spessart. Vor allem aber werde auch dieses Projekt von Jahr zu Jahr teurer: Lagen die Planungen 2003 noch bei 200, sind es nun schon 500 Millionen Euro.

Bauindustrie ist Nutznießer

Der Grünen-Politiker Thomas Mütze sieht darin nur ein Beispiel, wie Straßenbauvorhaben geradezu systematisch schöngerechnet würden. Wie der BN fordert auch er realistische Berechnungen, was sinnvoll und umsetzbar ist. In ganz Bayern gibt es nämlich derzeit knapp 400 Vorhaben, Straßen neu zu bauen. Im Herbst wird die Bundesregierung beginnen, diese Vorhaben zu bewerten, die in den Bundesverkehrswegeplan einfließen sollen.

Nutznießer sei in erster Linie die Bauindustrie, glaubt Mergner vom BN. Mancher habe vielerlei Interessen. Schließlich sei der Schatzmeister der CSU, Thomas Bauer, zugleich Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und sitze zudem der Spezialtiefbau AG Bauer vor, kritisiert er. Verdienen könnten die Unternehmer doch auch am Erhalt der Straßen, findet Mergner.

Die bayerische SPD forderte im Januar, 1339 Brücken zu sanieren. Die Anzahl der Neubauprojekte, die die schwarz-gelbe Staatsregierung in Berlin einreichen will, findet die SPD hingegen "überdimensioniert". "Sinnvolle Weiterentwicklungen" statt noch mehr Neubauten hält die SPD daher für angemessen. Die CSU aber setzt auf Wachstum. Und wie der Straßenbau finanziert werden soll, hat sie sich in ihr Programm für die Landtagswahl geschrieben: durch eine Pkw-Maut.

© SZ vom 21.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: