Süddeutsche Zeitung

BKA:Mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte

  • Laut dem BKA gab es in diesem Jahr bundesweit 850 Straftaten gegen Asylunterkünfte.
  • Neun dieser Übergriffe wurden im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums München verübt.
  • Bayernweit registrierte der Verfassungsschutz bei den politisch motivierten Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte eine Steigerung von 261 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Von Martin Bernstein

Das Bundeskriminalamt (BKA) schlägt Alarm wegen einer anhaltend hohen Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte.

Bislang habe es heuer mehr als 850 Straftaten bundesweit gegeben, die gegen Asylunterkünfte gerichtet waren, sagte BKA-Chef Holger Münch am Mittwoch. Das seien "enorme Zahlen". Neun dieser Übergriffe wurden im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums München verübt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken vom August und aus aktuellen Zahlen des Polizeipräsidiums München hervor.

Dramatisch stellte sich auf den ersten Blick ein Vorfall vom 26. Januar dar. Dort ist von Ermittlungen wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung die Rede. Ort des kriminellen Geschehens: München. Nach Auskunft von Polizeisprecher Werner Kraus ging es dabei um Drohungen gegen Asylbewerberheime in anderen Bundesländern, die ein Münchner in den sozialen Netzwerken ausgestoßen hatte. Der Anfangsverdacht, der dann wohl ein Fall für die Bundesanwaltschaft gewesen wäre, wurde inzwischen heruntergestuft - gegen den Mann wird jetzt noch wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt.

Weitere Vorfälle aus München beschäftigten heuer bereits das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) in Köln, in dem mehr als 40 deutsche Sicherheitsbehörden aktuelle Ereignisse bewerten. Am 18. April drang ein alkoholisierter Mann in die Traglufthalle in Unterföhring ein, in der mehr als 200 Flüchtlinge untergebracht sind. Der Eindringling bedrohte und beleidigte die Asylbewerber. Am 30. Juni wurden auf dem Gelände einer geplanten Asylbewerberunterkunft 14 ausländerfeindliche Handzettel gefunden, auf denen Hakenkreuzfahnen abgebildet waren. "Germans will fight back", stand in einem Brief, der Drohungen und Beleidigungen enthielt und der laut Polizeisprecher Sven Müller vor dem Tor einer anderen Unterkunft abgelegt worden war.

Von Januar bis Oktober verübten rechte Täter außerdem sechs Sachbeschädigungen an bereits belegten oder im Bau befindlichen Flüchtlingsheimen. Im Vorjahr waren es zu diesem Zeitpunkt fünf Vorfälle gewesen, allein im November und Dezember 2015 waren weitere fünf dazugekommen. Diese Serie hat sich laut Polizei im laufenden Jahr zum Glück nicht fortgesetzt.

Zwei Jugendliche wollen eine Unterkunft anzünden

Der gravierendste Vorfall waren zwei versuchte Brandstiftungen an dem im März noch nicht bezogenen Flüchtlingsheim an der Neuherbergstraße in Harthof. Drei Jugendliche aus der Nachbarschaft hatten versucht, die im Bau befindliche Unterkunft anzuzünden. Am Morgen entdeckten Bauarbeiter einen Brandschaden an einem Heizungsschlauch, später fand die Polizei die Überreste eines Molotowcocktails sowie eine unversehrte Flasche, die ebenfalls mit Brandbeschleuniger gefüllt war. Zivilfahnder fanden bei einer Kontrolle Brandbeschleuniger und Feuerzeuge. Nach der Festnahme gaben die drei Tatverdächtigen, zwei 16-Jährige und ein 17-Jähriger, an, sie hätten das Flüchtlingsheim anzünden wollen, um den Bau zu verzögern. Weil die Molotowcocktails wirkungslos geblieben seien, hätten sie den Heizungsschlauch angezündet. Nachdem auch dies gescheitert war, wollte das Trio den bisherigen Ermittlungen zufolge erneut versuchen, das Gebäude in Brand zu stecken. Bereits im Dezember waren auf der Baustelle zweimal Maschinen beschädigt worden, vermutlich durch andere Täter.

Fremdenfeindliche Schmierereien wurden in diesem Jahr schon zweimal an Bautafeln für geplante Unterkünfte entdeckt. Einmal drangen Täter auch ins Treppenhaus einer Unterkunft vor und schmierten ein Hakenkreuz an die Wand. Am 7. April warfen bislang Unbekannte eine Scheibe der Flüchtlingsunterkunft in Garching ein.

Drohungen und Übergriffe gegen Asylbewerberunterkünfte wurden heuer auch aus dem Umland gemeldet, aus Dachau, Maisach und Dietramszell. Bayernweit registrierte der Verfassungsschutz im ersten Halbjahr 65 politisch motivierte Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte - "eine stolze Steigerung von 261 Prozent gegenüber dem Vorjahr", wie es im Halbjahresbericht der Behörde heißt.

Die Münchner Landtagsabgeordnete Katharina Schulze (Grüne) hat deshalb eine Anfrage an die bayerische Staatsregierung gestellt.

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SZ vom 17.11.2016/eca
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