Straubing:Keine Lockerungsmaßnahmen für psychisch kranke Straftäter

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Das Sozialministerium hält trotz eines Gerichtsurteils an seiner bisherigen Linie fest. Der Anwalt eines Patienten überlegt, Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung zu stellen.

Von Dietrich Mittler, München

Obwohl längst eine Gerichtsentscheidung darüber vorliegt, dass auch das Bezirkskrankenhaus (BKH) Straubing psychisch kranken Straftätern eine Lockerung zu gewähren hat - so etwa begleiteten Ausgang in der Stadt -, werden den Betroffenen weiterhin Steine in den Weg gelegt. Was nun aber im Fall seines Mandanten geschehe, so betonte am Mittwoch der Münchner Rechtsanwalt David Mühlberger, das schieße "wahrhaftig den Vogel ab". Völlig überraschend sei seinem Mandanten die Eignung zur Lockerung wieder abgesprochen worden. "Ich kann eine Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung nicht mehr ausschließen", sagte Mühlberger.

Der Fall klingt ebenso kompliziert wie absurd. Nach elf Jahren in der Forensik war Herbert Grundmann (Name geändert) die Eignung zur Lockerung zuerkannt worden. In anderen forensischen Einrichtungen in Bayern - etwa in Ansbach, Günzburg oder Regensburg - bekommen psychisch kranke Straftäter sodann die Möglichkeit zum Ausgang, um sich auf ein Leben draußen vorbereiten zu können. Zunächst eng begleitet, dann bei entsprechender Eignung auch unbegleitet. Nicht so aber in Straubing, wo der Grundsatz lautet: Bei uns wird nicht gelockert.

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Schon seit der Eröffnung im Jahre 1990 galt im BKH Straubing die Devise, lockerungsfähige Forensik-Patienten in andere Einrichtungen zu verlegen. Und so sollte es nun auch mit Herbert Grundmann geschehen. Ihm wurde Mitte April beschieden, er werde nach Mainkofen verlegt - obwohl er kurz davor steht, seine in Straubing begonnene Schreiner-Lehre mit einer Gesellenprüfung abzuschließen.

Da - wie Anwalt Mühlberger sagt - auch die Verantwortlichen in Straubing das Dilemma erkannt hätten, sei seinem Mandanten folgendes angeboten worden: Entweder Grundmann verzichte bis zum erfolgreichen Abschluss der Gesellenprüfung "auf Vollzugslockerungen" und bleibe in Straubing. Oder er werde nach Mainkofen verlegt. "Mein Mandant hätte also zugunsten seines Ausbildungsabschlusses zeitweise auf sein Recht auf Lockerung verzichten sollen", sagt Mühlberger.

Zudem gab es - im Falle einer Verlegung nach Mainkofen - für Grundmann noch folgendes Angebot: "Die Fortführung Ihrer Berufsausbildung zum Schreiner mit Teilnahme an der Gesellenprüfung im Juli 2019 wird durch einen Fahrservice im Rahmen einer Kooperation beider Kliniken sichergestellt." Im Klartext heißt das: "Es gab das schriftliche Angebot, meinen Mandanten jeden Morgen von Mainkofen nach Straubing und abends wieder zurück nach Mainkofen zu fahren - bis zur Gesellenprüfung in der Summe circa 8500 Kilometer in Begleitung zweier Beamter", sagt Mühlberger. Und das alles hätte letztlich auf Kosten der Steuerzahler geschehen sollen - "nur, um eine Lockerung von psychisch kranken Straftätern in Straubing zu umgehen", wie Mühlberger betont.

Nach Recht und Gesetz müsste auch das BKH Straubing Lockerung gewähren

Inzwischen ist es aber Fakt, dass auch das BKH Straubing lockern muss. In einem vergleichbaren Fall durfte ein 46-jähriger Forensik-Patient bereits mehrmals stundenweise raus, angeordnet per Beschluss durch die für das BKH Straubing zuständige Strafvollstreckungskammer. Der öffentliche Aufschrei in Straubing - insbesondere seitens der politisch Verantwortlichen - reichte bis hinein in das Sozialministerium in München, das die Fachaufsicht über Bayerns forensische Einrichtungen innehat. Das Ministerium teilte den Straubingern trotz vorliegendem Gerichtsbeschluss mit: "Auch weiterhin soll für künftige ähnlich gelagerte Fälle dem bisherigen Grundsatz Rechnung getragen werden, dass Patienten, die lockerungsfähig sind, von Straubing aus in andere Maßregelvollzugseinrichtungen verlegt werden."

An dieser Aussage hält das Ministerium auch jetzt fest, obwohl den dort verantwortlichen Beamten schon vor Jahren klar war, dass es für das BKH Straubing eben kein Sonderrecht in Form eines "Lex Straubing" gibt. Heißt: Nach Recht und Gesetz müsste auch das BKH Straubing Lockerung gewähren. Nichts anderes forderte Rechtsanwalt Mühlberger im Fall Grundmann. "Mein Mandant ist sofort zu lockern", schrieb er ans Landgericht Regensburg. Sein Argument: Die beschlossene Verlegung nach Mainkofen schränke seinen Mandanten erheblich in seinen Rechten ein - zumal dieser dann "wie immer bei Neuankunft in einer Klinik drei bis sechs Wochen gesperrt sei für Lockerungen".

Um seine Forderungen zu untermauern, beschrieb Mühlberger die Belastung, die eine Verlegung für seinen Mandanten vor der Prüfung darstelle. Nach Bekanntmachen der Verlegung sei für diesen "eine Welt zusammengebrochen", teilte er dem Gericht mit - und lieferte dem BKH damit ungewollt die Steilvorlage, seinem Mandanten die Lockerungseignung wieder abzusprechen. Das BKH teilte mit: Die vom Anwalt geschilderte Belastung könne beim Patienten "zu einer Destabilisierung des psychopathologischen Zustandsbildes führen".

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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