Süddeutsche Zeitung

Erinnerungskultur:Rosenheim verzichtet auf Stolpersteine

Eine Mehrheit im Stadtrat lehnt die Objekte des Künstlers Gunter Demnig zur Erinnerung an die NS-Opfer ab und setzt stattdessen auf andere Formen des Gedenkens.

Von Matthias Köpf, Rosenheim

Im oberbayerischen Rosenheim wird es auf öffentlichem Grund auch weiterhin keine Stolpersteine geben, die an die Opfer aus der NS-Zeit erinnern. Dies hat der Stadtrat am Mittwochabend mit einer knappen Mehrheit von 23 zu 19 Stimmen beschlossen und damit einen Antrag von 16 Stadträten aus sechs verschiedenen politischen Gruppen abgelehnt. Die CSU als größte Ratsfraktion sowie Oberbürgermeister Andreas März und die Stadtverwaltung hatten sich gegen Stolpersteine ausgesprochen, wie sie der Künstler Gunter Demnig inzwischen in mehr als 80 Städten und Gemeinden in Bayern und mehr als 18o0 Kommunen in halb Europa verlegt hat, um der einzelnen NS-Opfer direkt am jeweiligen Wohn- oder Arbeitsort zu gedenken.

Man wolle nicht Teile der jüdischen Gemeinschaft vor den Kopf stoßen, hieß es in der Rosenheimer Debatte von OB März und seiner CSU. Sie beziehen sich damit vor allem auf die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Diese sieht die Namen der Opfer auf solchen im Boden eingelassenen Stolpersteinen im schlimmsten Fall mit Füßen getreten und hat mit diesem Argument auch die Diskussion in der Landeshauptstadt München geprägt.

Trotz seines mehrheitlichen Neins zu den Stolpersteinen will der Rosenheimer Stadtrat jetzt allerdings ernst machen mit einem öffentlichen und namentlichen Gedenken an die NS-Opfer, wie er es bereits vor sieben Jahren im Grundsatz beschlossen hat. In welcher genauen Form das geschehen soll und wie stark sich Rosenheim auch da an München und den dortigen Metallstelen orientieren wird, soll bis spätestens Ende Juni feststehen. Ferner prüft die Stadt auch die Möglichkeit, zusätzlich einen zentralen Gedenkort zu schaffen. Die Rosenheimer "Initiative Erinnerungskultur", die sich in den vergangenen Jahren sehr für Stolpersteine eingesetzt und auch bereits einige Verlegungen auf Privatgrund organisiert hatte, sieht all das in einer ersten Reaktion als Erfolg ihrer Arbeit an.

Gunter Demnig selbst wehrt sich unterdessen gegen Aussagen aus der Rosenheimer CSU, hinter den Stolpersteinen stehe womöglich "ein ausgeprägtes gewinnwirtschaftlich orientiertes kommerzielles Interesse des Künstlers". Er arbeite für eine gemeinnützige Stiftung und erhalte wie alle anderen dort Beschäftigten ein durchschnittliches Gehalt, betont Demnig. Die Entscheidung des Stadtrats, Stolpersteine auf öffentlichem Grund nicht zuzulassen, bedauert er. Aus seiner Sicht wäre es möglich gewesen, die Art des Gedenkens den Angehörigen und Nachfahren der einzelnen Opfer zu überlassen.

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