Stoiber-Vermächtnis:Die letzte Offensive

Der Ministerpräsident arbeitet stur an seinem Milliardenprogramm - zum Ärger von Fraktion und Kabinett.

Kassian Stroh

Genau sechs Monate bleiben Edmund Stoiber noch als Ministerpräsident. Wie er die auszufüllen gedenkt, daran lässt er keinen Zweifel: mit voller Kraft, bis zum letzten Tag.

Das findet mancher gut - Horst Seehofer etwa, der Stoiber als CSU-Chef beerben will, hält den Eifer des Amtsinhabers für einen "Ausdruck von starkem Charakter, seine Verantwortung wahrzunehmen".

Doch bei vielen anderen wächst der Unmut. "Jetzt zeigt sich, wie gefährlich der Zeitplan ist", sagt einer aus dem CSU-Vorstand über Stoibers Plan, erst Ende September abzutreten. Verkündet hat er ihn am 18. Januar; realisiert aber habe er das Ende noch lange nicht, heißt es in der CSU über Stoiber.

Entzündet hat sich der Ärger in den vergangenen Tagen vor allem an Stoibers Investitionspaket "Bayern 2020". Zig Milliarden will er für die kommenden Jahre verplanen. Dass er damit womöglich die letzten Reserven aufbraucht, dass für seinen Nachfolger, vermutlich Günther Beckstein, nichts mehr übrig bleibt - all das tropft an Stoiber ab.

Es sei doch nur ein Gutachten, das die von ihm eingesetzte Kommission unter Ex-McKinsey-Chef Herbert Henzler erarbeite. Daraus würden dann Regierung und CSU-Fraktion gemeinsam ein Programm erarbeiten, versucht Stoiber zu beruhigen. Dass er im Juli per Regierungserklärung wichtige Vorgaben machen will, weckt bei manchen in der Fraktion ein Déjà-vu-Gefühl: 2003, nach der Landtagswahl, habe Stoiber zunächst eine Verwaltungsreform ankündigen wollen, dann aber mit seiner Regierungserklärung voller konkreter, radikaler Reformen die Fraktion überrollt. Noch einmal, heißt es dort nun, machen die Abgeordneten so etwas nicht mit.

Das Versprechen des Regierungschefs

So gibt es in der CSU ein bizarres Tauziehen: Wie konkret darf Stoiber werden? Die einen halten Henzlers Gutachten, das am 20. April vorgelegt wird, nur für Papier und pochen darauf, dass konkrete Beschlüsse ohnehin erst in Etatverhandlungen fallen - die finden nach dem Amtswechsel im Herbst statt.

Fraktionschef Joachim Herrmann rang Stoiber zudem das Versprechen ab, "Bayern2020" zuvor mit der Fraktion zu beraten. Ob das aber Bestand hat angesichts von Stoibers Willen, es noch einmal allen zu zeigen? Als "mein Vermächtnis" soll er im CSU-Fraktionsvorstand das Programm bezeichnet haben. "Es war doch zu erwarten, dass er daran arbeitet, mit einem gewissen Glorienschein in die Historie einzugehen", lästert ein CSU-Mann.

In der Landtagsfraktion fürchten sie ein letztes Mal den Regierungsstil des Ministerpräsidenten: Stoiber, der nur auf seine Berater hört, nicht aber auf die Fraktion. Stoibers Faible für toll klingende Offensiven, für Zukunftstechnologien, für den Transrapid - worüber er aber das Bedürfnis vieler Abgeordneter vergisst, sich doch erst einmal um die maroden Straßen in ihren Heimatlandkreisen zu kümmern.

Sehr genau haben sie in München registriert, dass auch Stoibers Chef-Einflüsterer Martin Neumeyer an der langen Asienreise teilnahm. "Der war jetzt zehn Tage an Stoiber dran, das wird schwierig, ihn wieder runterzuholen", heißt es in der CSU über Stoiber. Neumeyer als rotes Tuch für die Abgeordneten zu bezeichnen, das wäre noch weit untertrieben.

Mutmaßungen über Stoibers Innenleben

Derweil übt sich manch CSU-ler in Tiefenpsychologie: Stoiber verstehe noch immer nicht, warum er gehen müsse. Tief in seinem Inneren mache er dafür Erwin Huber und Beckstein verantwortlich, weil die sich auf eine Ämterteilung geeinigt hätten, statt sich gegenseitig weiter zu blockieren. Daher wolle er beiden nun das Leben schwer machen.

Auch unterstelle er Beckstein, dass er seine größte Kritikerin, Gabriele Pauli aus Fürth, nicht gebremst habe. Nach deren Latex-Fotos kolportierte der Spiegel Stoibers Äußerung, diejenigen, die Pauli einst gewähren ließen, hätten der Partei geschadet. Eine Stichelei gegen Beckstein? Postwendend präsentieren Becksteins Unterstützer eine Umfrage des Fernsehmagazins Zeitspiegel von vergangener Woche: Da bezeichneten zwar 21 Prozent die Pauli-Affäre als ausschlaggebend für Stoibers Rücktritt, 36 Prozent aber seine Flucht aus Berlin im Herbst 2005.

Stoiber habe nicht verstanden, sagen sie damit. Der aber denkt nicht daran, still zu sein. Wie in seinen besten Tagen äußert er sich zu allem und jedem, ob Bundes- oder Landespolitik. Selbst wenn er im fernen Vietnam weilt, kommentiert er die bayerischen Arbeitsmarktzahlen. Allein: Zum Chaos in der Regensburger CSU äußerte er sich trotz Anfrage nicht - obwohl sich mancher ein klares Wort des Parteivorsitzenden gewünscht hätte.

In der nervösen Stimmung fallen auch Kleinigkeiten auf: Die Kabinettssitzung vom vergangenen Dienstag legte Stoiber kurzerhand um vier Tage vor, auch wenn sich die Regierung somit zweimal innerhalb von drei Tagen traf und alle Terminpläne der Minister Makulatur waren. Der Grund dafür war schlicht: Stoiber wollte nicht, dass sein Stellvertreter Beckstein die Sitzung, wie sonst bei Reisen üblich, leitet. ,,Anfangen ist leicht, Aufhören ist schwierig'', seufzt einer aus dem Kabinett. Die CSU hat noch sechs Monate mit Stoiber vor sich.

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