Stoiber: Der Königsmörder:Sein Programm heißt: Rache

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Erst musste Erwin Huber gehen, nun Günther Beckstein ebenso. Das politische CSU-Drama in Bayern hat einen Drahtzieher: CSU-Altmeister Edmund Stoiber.

Sein Programm heißt: Rache. Das Gefühl, endlich Gerechtigkeit zu erfahren, treibt ihn an. So ist das in diesen Tagen mit Edmund Stoiber.

Der Drahtzieher des Königdramas heißt Edmund Stoiber. Nach seinem Plan soll Horst Seehofer nun Ministerpräsident werden. (Foto: Foto: AP)

Der Altstar der CSU ist wieder zurück auf der politischen Bühne - und wäre der Schauplatz nicht München und wären die Akteure keine gestandenen Politiker, könnte man meinen, sich mitten in einer griechischen Tragödie zu befinden.

Denn der, der so unliebsam vom Thron des Ministerpräsidenten gestürzt wurde, setzte alles in Bewegung, um die beiden Königsmörder Günther Beckstein und Erwin Huber von aus den hohen politischen Ämtern - seinen Ämtern! - zu entfernen.

Edmund Stoiber: Der Gemeuchelte meuchelt zurück.

Teil eins von Stoibers Plan: Hubers Rücktritt

Das katastrophale Wahlergebnis der CSU lässt am Sonntagabend noch alle Beteiligten in Schockstarre verfallen. Erst mal werde es keine personellen Konsequenzen geben, versichert man einstimmig. Die Zurückhaltung währt nicht mal 24 Stunden.

Treue CSU-Abgeordnete brüllen sich den Wut von der Seele

Denn im Bezirksverband der Oberbayern-CSU, dem größten und einflussreichen Bezirksverband regt sich Widerstand. Gerade die Oberbayern-CSU hat herbe Stimmenverluste hinnehmen müssen. Jetzt müssen Schuldige her, und zwar schnell. Huber als Niederbayer und Beckstein als Franke bieten sich schon allein geographisch als Sündenböcke an.

Man trifft sich auf Gut Keferloh bei München. Dabei geht es laut zu. So laut, dass selbst die verschlossenen Türen, nicht das wutenbrannte Gebrüll der frustrierten Oberbayern schlucken können.

Immer wieder wird gefordert, dass beide - Beckstein und Huber - wegmüssen. Der Landrat von Miesbach, Jakob Kreidl, soll regelrecht geschrien haben, wie es denn sein könne, dass man das alles überhaupt noch diskutiere - nach solch einer Wahlniederlage, wie sie die CSU am Sonntag erlitten hat.

Huber und Beckstein müssen gehen, das ist die vorherrschende Meinung im CSU-Vorstand. Horst Seehofer, ein Oberbayer, müsse beide Ämter übernehmen. Damit das politische Gemetzel zumindest vordergründig zivilsiert vonstattengeht, gewährt man Huber und Beckstein eine 24-Stunden-Frist.

Zum Überbringer der schlechten Nachricht wird der Bezirkschef Siegfried Schneider auserkoren. Er soll ihnen "die Pistole auf den Tisch" legen, wie es einer formuliert, der dabei war.

Stoiber hat die Fäden in der Hand

Dabei ist es schon lange nicht mehr Schneider, der Kultusminister, der bei den Oberbayern das Sagen hat.

Der wahre Bezirksvorsitzende ist einer ohne Amt und Mandat: Es ist Edmund Stoiber, der Vorgänger Hubers und Becksteins. Er sei der wahre Drahtzieher, wird aus der Parteiführung berichtet, und er wolle den Austausch des CSU-Führungsduos. Sein Motiv: Rache pur. Rache ist süß wie Weißwurstsenf.

Stoiber hat sich Seehofer auserkoren, um Huber und Beckstein zu ersetzen. Der Mann aus Ingolstadt hat damals in Kreuth nicht geholfen, ihn wegzuputschen.

Zumindest der Part des Parteivorsitzenden ist kampflos einzunehmen, denn ein paar Stunden später am Montagabend, verzichtet Huber von selbst auf sein Amt. Anscheinend ohne große Überzeugungsarbeit, der Gegenwind war einfach zu stark.

Teil zwei von Stoibers Plan: Beckstein muss weg

Im zweiten Akt der bayerischen Tragödie geht es um den Sitz des Königs. Auch Beckstein soll weg und Seehofer steht ebenso für dieses Amt parat. Doch hier kommt Widerstand auf.

Alte Weggefährten wie die Würzburger CSU-Vize Barbara Stamm sind für Beckstein, auch neue Leidensgenossen wie der Schwabe Georg Schmid. Er möchte Fraktionschef bleiben genauso wie Beckstein Ministerpräsident. Gemeinsam bilden sie eine Notgemeinschaft, gegen die Oberbayern-CSU, gegen den politischen Untergang.

Und es sieht kurz so aus, als würde auch Horst Seehofer - angesichts des Widerstands - für Beckstein in die Bresche springen. Aber am Dienstag ist davon nichts zu hören: kein Wort in München, kein Starkmachen in der Landesgruppe in Berlin.

In München löst die Front gegen Beckstein Hektik aus. Neue Königsmörder formieren sich. So soll sich Söder erkundigt haben, wie denn seine Chancen als Fraktionschef aussehen - und Herrmann habe schon mal versucht, die Mehrheit für sich als Regierungschef auszuloten.

Schmid dagegen bemüht sich angestrengt, so viele Abgeordnete wie möglich in das Beckstein-Lager zu treiben. Schließlich geht es ja auch um seinen Posten.

Edmund Stoibers Plan B

Auch der Drahtzieher in der bayerischen Tragödie bleibt nicht untätig: Sollte Seehofer wirklich keine Mehrheit hinter sich bringen, rüstet Edmund Stoiber sich mit einem Ersatzkandidaten.

Wissenschaftminister Thomas Goppel könnte Fraktionsvorsitzender, aber auch Ministerpräsident werden. Praktischerweise ist Goppel Oberbayer - und erklärt seine Bereitschaft. Natürlich nur, wenn Beckstein verzichten würde, erklärt Goppel treuherzig.

Beckstein wankt ... und fällt

Der Rückhalt für Beckstein bröckelt. Die Presse wartet am frühen Dienstagnachmittag auf den zweiten Kopf, der nach Hubers rollen soll. Doch der Ministerpräsident zeigt sich von der Stimmung gegen ihn ungerührt. Er redet vier Minuten lang, lobt Erwin Huber und kündigt Sondierungsgespräche mit FDP und den Freien Wählern an. Das Wort Rücktritt fällt kein einziges Mal. Noch nicht.

Doch Becksteins politische Zukunft ist alles anderes als sicher. Neben dem CSU-Bezirk Oberbayern macht der Bezirk Niederbayern Front gegen Beckstein. Auch die Junge Union Bayern fordert seinen Rücktritt. Edmund Stoiber hat sich dagegen wieder elegant in den Hintergrund zurückgezogen - jetzt übernehmen die Mandatsträger das Wort.

Partei und Land in einer Hand

Kurz vor dem Beginn der ersten CSU-Fraktionssitzung am Mittwoch erklärt der Müncher CSU-Abgeordnete Ludwig Spaenle kämpferisch seine Zustimmung für Seehofer: "Die Oberbayern haben recht. Das Motto muss heißen: Es muss Partei und Land in eine Hand." Der niederbayerische CSU-Chef Manfred Weber schließt im Südwestfunk dazu passend einen Rücktritt Becksteins "für die nächsten Tage" nicht mehr aus.

Gleichwohl gibt es Stimmen, die vor der "Selbstzerfleischung" der Partei warnen. Alois Glück, der scheidende Landtagspräsident, ist einer der wenigen lautstarken Befürworter Becksteins. Er plädiert für einen geordneten Führungswechsel in den nächsten Jahren. Aber ob die mahnenden Stimmen in dieser Tragödie gehört werden, ist unklar.

Rache passt nicht recht zu überlegtem Handeln. Doch bei der CSU setzt sie sich in diesen Tagen durch - dank Edmund Stoiber.

Denn die Fraktionssitzung wird unterbrochen, es wird ein Krisentreffen geben unter acht Augen: Beckstein, Huber, Seehofer und Schmid kehren nach 45 Minuten zu den CSU-Landtagsabgeordneten zurück.

Was Beckstein dann erklärt, wurde Minuten zuvor schon per SMS unter die Presse gestreut: Der Ministerpräsident gibt auf.

Die Rache des Edmund Stoiber ist vollbracht.

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