Stimmkreis München-Land Nord:Kein Schmusekurs

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Ein Kandidat mit besonderen Qualitäten: Tobias Thalhammer von der FDP ist nicht nur Politiker: Er kennt die Bühne auch als Schlagersänger.

Rita Baedeker

Einem Wahlkampfslogan der Liberalen zufolge ist Gelb der deutlichste Kontrast zu Schwarz. Als Landtagskandidat Tobias Thalhammer im Festzelt von Keferloh den Bundesvorsitzenden der FDP Guido Westerwelle ankündigt, macht er klar, wo es für ihn derzeit besonders finster aussieht: "Roland Koch - ist mein Lieblingspolitiker. Ihm haben wir es zu verdanken, dass die Linke in Hessen so stark geworden ist."

Keine Angst vor großen Bühnen: Tobias Thalhammer. (Foto: Foto: Claus Schunk)

Auf der Bühne ist der 29-Jährige Politiker und Schlagersänger Vollprofi. Wie der Moderator einer Rateshow lässt er seine Stimme an- und abschwellen, legt Kunstpausen ein, lächelt. Minuten vorher noch hat er, ganz Mädchenschwarm aus der Oberstufe, jeden Besucher begrüßt, als wär's ein Klassentreffen, hat auf Schultern geklopft, Freunde umarmt. Und während es sich die Honoratioren an den Tischen gemütlich machen, sitzt er, bis Westerwelle eintrifft, kaum fünf Minuten still.

"Ich bin von früh bis spät im Landkreis unterwegs", erzählt er dem Publikum. Seit Wochen läuft sein Kalender über. Interviewtermine macht sein PR-Berater. Thalhammer hört sich im Altenstift Ottobrunn die Sorgen der Bewohner an, besucht einen Grasbrunner Feinkostbetrieb, um über die Probleme des Mittelstands zu sprechen, er begleitet einen Abend des "Vereins zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur" in Haar und geißelt den "Verbotsstaat".

Träumen nicht verboten

Garchinger Reaktor, Unterhachinger Geothermie-Projekt, Schießanlage Hochbrück: Das volle Programm. In den nächsten Tagen ist Thalhammer bei der Langen Nacht der Musik in Unterschleißheim, bei Radio Arabella in der Sendung "Vorsicht Stecher" und in der "Ali Khan Show" von Radio Charivari. Bei den Sendern kennt man ihn gut - als Schlagersänger mit Schmusetexten ("Träumen ist nicht verboten").

Wenn es um Politik geht, ist Tobias Thalhammer alles andere als ein Traumtänzer. Und auf Schmusekurs befindet er sich schon gar nicht. Der studierte Diplomkaufmann und Assistent des Vorstandsvorsitzenden eines Medienunternehmens in Ismaning ist seit kurzem Finanzreferent seiner Partei im Kreistag.

Er ist Direktkandidat im Stimmkreis München-Land Nord und auf Listenplatz 4 und er ist "Kulturbotschafter" der Bundespartei. "Leistungsbereit, tolerant und weltoffen" - für ihn ist der Slogan ein Credo. "Ich wollte meine Heimat mal von außen sehen", sagt der Oberpfälzer, der am Gymnasium Ottobrunn Abitur machte, heute in Neubiberg lebt und als Praktikant Japan und Polen bereist hat, der Japanisch spricht und Polnisch sowieso.

Seine Bewerbung bei "Fuji Electric" reichte er auf Japanisch ein, gewöhnte sich daran, in Tokio mit den Kollegen zum gemeinsamen Frühsport anzutanzen und als "Tobias-San" interkulturelle Kommunikation zu trainieren.

Das Glück des Tüchtigen

Kommunikation ist seine Leidenschaft. Das demonstriert er auch im Internet-Forum "Kandidatenwatch", wenn man ihm Fragen stellt zu seinen erklärten Zielen - Bildung, familiengerechte Betreuung, kostengünstige Energie, Bürokratieabbau, Generationenpartnerschaft und niedrigere Steuern.

Denen im Maximilianeum würde er schon gerne zeigen, wie Bürgernähe funktioniert, wie man "Lösungen findet, die näher dran sind am Menschen", zum Beispiel beim Nichtraucherschutzgesetz. Er verabscheut staatliche Bevormundung, Scheuklappen, Routine und die "Geschmackspolizei".

Er glaubt an "das Glück des Tüchtigen", ist begeisterter Fußballfan (er war mal Jugendspieler beim FC Bayern) und Mitglied der Spielvereinigung Unterhaching. Zum Beweis legt er seinen Mitgliedsausweis vor, den er "aus Liebe" stets bei sich trägt. Am Liebsten wäre es ihm, wenn ein Tag mehr als 24 Stunden hätte.

Und bei aller Hektik kann er so spontan und ausgelassen lachen, als sei er gerade mit seinen Kumpels bei einer Grillparty und nicht schon wieder auf dem Sprung zum nächsten Termin.

Für seinen Einstieg in die Politik waren zwei Schlüsselerlebnisse ausschlaggebend: Das eine heißt Wackersdorf. "Ich bin nebenan in Schwandorf aufgewachsen", sagt er. Die Kernenergie habe, obwohl sie noch eine Zeitlang gebraucht werde, in seinen Augen keine Zukunft. Das zweite betrifft seine Zeit bei der Bundeswehr: "Was ich an seelischer Manipulation erlebt habe, will ich meinem Sohn ersparen", sagt er.

Damals durchforstete er die Programme, um eine Partei zu finden, die für eine Abschaffung des Wehrdienstes eintritt. Bei den Jungen Liberalen wurde er fündig. Seit 2000 gehört er den Julis an, seit 2002 der FDP.

Er hat sie alle intus, die Eckpunkte des Parteiprogramms, aber bei ihm klingen die Positionen pointierter, jünger. Bei Schulthemen zum Beispiel sieht er "unglaublichen" Handlungsbedarf. "Hier bei uns steht das System im Mittelpunkt, nicht der Schüler".

Vergeudetete Talente

Viel zu viele Kinder verließen ohne Abschluss die Schule. "Wir vergeuden Talente, wenn, wie in Bayern, das Übertrittszeugnis eine verbindliche Empfehlung ist", sagt Thalhammer. Die eigene Schulzeit sei ihm noch nah genug, um bei dem Thema mitreden zu können. Ältere, so Thalhammer, hätten zwar guten Willen, aber zu viel Abstand und Routine.

Kein Wunder, wenn die Hälfte der Landtagsabgeordneten älter sei als 60. Ein typischer Jugendpolitiker sei er jedoch nicht. "In mir finden die keinen, der nach ihrer Pfeife tanzt."

Dennoch regt er sich auf, wenn junge Menschen benachteiligt werden. So tritt er für Jugendliche in "Hartz-IV-Familien" ein, die von dem Verdienst ihrer Ferienjobs nur das Trinkgeld behalten dürften, weil in diesen Fällen das gesamte Einkommen der Familie in einen Topf geworfen werde.

Thalhammer: "Es ist ein Unding, wenn arbeitswillige Jugendliche sich ein wenig Taschengeld verdienen möchten und dann der Staat zugreift." Und weil Bildung für ihn der Schlüssel ist zum sozialen Aufstieg, unterstützt er Vorschläge der Jungliberalen wie zum Beispiel den Bau einer Fachoberschule in Unterschleißheim.

Und denkt über weitere Projekte nach: Anstatt das veraltete Garchinger Gymnasium für teures Geld zu renovieren, wäre es besser, ein neues, kleineres und vielleicht weitere in Ismaning und Unterföhring zu bauen. "Ich sehe keinen Grund, warum der Norden mit nur einem Bildungskomplex auskommen sollte".

Sein Internetauftritt ist auf junge Wähler zugeschnitten. Wer möchte, kann den Politiker da von einer anderen Seite kennenlernen - als Schlagersänger Toby mit eigener Fanseite. "Meine Musik macht die Menschen froh, sie hilft, das Leben leichter zu bewältigen", erklärt Thalhammer stolz.

1994 hat er seine erste CD veröffentlicht. Der Sänger kommt aus einer musikalischen Familie. Die Mama spielt Zither, der Vater jodelt. Er selbst hat Keyboard gelernt. Sein erstes Lied schrieb er als Zwölfjähriger über die Kinder von Tschernobyl - "Warum nur?".

Bei einem seiner ersten Auftritte in privatem Rahmen wurde er vom ZDF entdeckt und lernte den Schlagersänger Peter Beil kennen, der ihm ein Freund und Berater wurde und der vergangenes Jahr starb. "Er hat mich bei vielen ersten Schritten begleitet", sagt Thalhammer.

Die Geyer Wally ist schon da

Mit der Paarung Politiker hie, Schlagersänger da, hat er kein Problem. "Im Landtag sitzt ja schon die Geyer Wally2, (er meint Barbara Rütting, Anm. d. Red.), scherzt er, "also warum nicht auch ich?"

Er habe mit seiner Musik viele Freundschaften gewonnen, vor allem in Polen, wo er moderiert, Konzerte gibt und in der Zeit, als Deutschland die Ratspräsidentschaft in der EU inne hatte, den Auftrag hatte, ein Konzept für ein binationales Kulturprojekt zu entwickeln: "Lieder ohne Worte!"

Das Ergebnis war eine erfolgreiche Tournee mit polnischen Künstlern - neun Konzerte in sechs Tagen. In Polen besitzt "Toby z Monachium" (Tobi aus München) längst den Status eines Stars. Alle paar Wochen fliegt der Sänger, der eine Pop- und Jazzausbildung hat, hin und veranstaltet Rockmusikworkshops für polnische Kinder - auch das ist ihm "eine Herzensangelegenheit".

Die Frage allerdings, was es mit dem Song "Knuddelschnubbel" - zu hören in einem Internetvideo - auf sich hat, macht ihn ein bisschen verlegen. Er habe das Wort im Internet entdeckt. Ein Mann habe da sein Leid geklagt, dass ihm seine Freundin bescheuerte Kosenamen verpasse. Ein Spaß, mehr nicht. Viel wichtiger ist ihm sein neues Lied - "Mehr Zeit für Kinder". Und schon ist er wieder bei der Politik, bei der Farbe Gelb, bei Kinderbetreuung, Toleranz und Generationen-Partnerschaft.

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