Steinbruch im Bayerischen Wald:"Dann kommt ein Dödel und haut den Stein tot"

Zwei studierte Sozialpädagogen betreiben einen der letzten Granitsteinbrüche im Bayerischen Wald. Man ist einerseits "steinreich", andererseits doch von Zukunftsängsten geplagt: Die Konkurrenz aus Fernost ist mächtig - und das Steineklopfen will gelernt sein.

Von Olaf Przybilla, Sonnen

Ehrlich gesagt könnte man sich Manfred Sommer immer noch gut in einem von Flüchtlingen betriebenen Café vorstellen. Sommer, wie er sich diebisch darüber freut, dass seine Leute die ihnen zugeteilten Essenspakete zu einem anständigen Mittagessen verkochen und im Caféhaus anbieten. Sommer, wie er abends in der Mitgliederversammlung seines wohltätigen Vereins um die richtige Richtung kämpft, wie man Asylbewerber menschenwürdig integrieren könnte in diese Bayern-Gesellschaft. Sommer, wie er eine Stegreifrede darüber hält, wie wenig es bräuchte, dass der Mensch ein Mensch und kein Wolf sei. Aber nun sitzt Sommer in seinem Geländewagen, der so giftgrün ist, dass einem fast schummrig wird. Und fährt zur Kante einer Grube, wo es einem dann erst recht schummrig wird. Denn Sommer, der studierte Sozialpädagoge, betreibt einen Granitsteinbruch im Bayerwald.

Steinbruch im Bayerischen Wald: Wie man Steine zu Quadern schlägt, wissen Lydia und Manfred Sommer nicht.

Wie man Steine zu Quadern schlägt, wissen Lydia und Manfred Sommer nicht.

(Foto: privat)

Was für ein Schritt, könnte man sagen, den Sommer da 1990 gemacht hat. Denn in seinem ersten Leben, Berufsleben, hat der 58-Jährige genau das getan: sich um die Würde von Flüchtlingen gekümmert, nach seinem Sozpäd-Studium. Seine Frau Lydia Sommer hat genau dasselbe studiert, hätte man ihr nach dem Abi gesagt, dass sie mal den Steinbruch ihres Großvaters übernehmen würde, sie hätte darüber nicht mal lachen können. Denn der Steinbruch, das war das, was schon in ihrer Kindheit für ungute Stimmung am Mittagstisch sorgte: Wenn der eine Elternteil Steine verkauft hatte, von denen der andere noch nicht mal wusste, ob der Granitbruch sie jemals wieder hergeben würde in der gefragten Qualität. Steinreich, haha, sei die Gegend um Hauzenberg, sagt man. Stimmt ja auch. Nur hieß das eben nicht, dass die Leute im Passauer Land auch steinreich sind. Auch nicht die Bruchbesitzer.

Und es wurde ja nicht besser nach der Grenzöffnung, im Gegenteil. Für einen Granitquader, mit dem die Herren Bürgermeister Ehre einlegen können bei der Dorferneuerung, braucht es Leute, die Steine klopfen können. Und zwar richtig klopfen. Also muss man die Löhne bezahlen können für einen Job, "der in den Köpfen der Menschen lange mit Straflagern in Verbindung gebracht wurde", sagt Sommer. In einer Lichtung gleich neben dem Steinbruch hat er einen Findling deponiert, an dem man sehen kann, was passiert, wenn einer keine Ahnung hat, wie das Material tickt. Wenn einer die Maserung nicht lesen kann und einfach irgendwo drauf klopft. 320 Millionen Jahre alt, und dann kommt ein Dödel und haut den Stein tot. Sommer selbst hat noch nie einen Quader geschlagen. Er könne es einfach nicht, sagt er.

Wider die Langeweile

Hermann Fruth kann es. Fruth ist 75 Jahre alt, er steht an einem Bretterverschlag in Blickweite zum Steinbruch. Wie das Wort "ohrenbetäubend" entstanden sein muss, darüber kann man hier gut sinnieren, theoretisch. Praktisch ist eine Unterhaltung nicht möglich, die Presslufthämmer von nebenan lassen es nicht zu. Kürzlich sollte Fruth fürs Fernsehen sagen, warum einer mit 75 Jahren immer noch Steine haut, die Frage zielte wohl auf eine irgendwie naturromantisch klingende Antwort. Fruth aber sagte: "Weil mir sonst langweilig ist."

Steinbruch im Bayerischen Wald: Dafür haben sie ihre Leute, auch die am Presslufthammer.

Dafür haben sie ihre Leute, auch die am Presslufthammer.

(Foto: privat)

Ob der Betrieb fortzuführen sein wird, wenn Leute wie Fruth - fünf so genannte Rentner arbeiten im Werk - nicht mehr wollen oder können? Ob man dann der Konkurrenz aus dem nahen und fernen Osten noch standhalten kann? Die Sommers wissen es nicht. Aber Manfred Sommer hat sich schon vor 15 Jahren sagen hören, es gehe nur noch darum, möglichst als letzter Hauzenberger den eigenen Granitbetrieb zuzusperren. Acht Jahre später hat das Granitwerk Götzer, der Betrieb der Sommers, die blaugrauen Quader für den Münchner Sankt-Jakobs-Platz beigesteuert, direkt an Synagoge und Jüdischem Museum. Ein Stück Hauzenberg mitten in der Landeshauptstadt, "schon schön", sagt Sommer.

Und trotzdem gibt es immer wieder Tiefschläge: Landesgartenschau in Deggendorf, jetzt könnte doch, sollte man meinen, die Region Bayerwald zeigen, was sie hat. Die Granitsteine für die Schau aber kamen dann aus Fernost. Große Empörung, angeblich aber ist alles korrekt gelaufen mit der Ausschreibung. Am Ende soll der Chinastein eben einfach billiger gewesen sein. Ein Wahnsinn, klar, "aber allmählich gewöhnt man sich an so was", sagt Manfred Sommer. Lydia Sommer lächelt. Warum hat sie 1990, nach den Erfahrungen am elterlichen Küchentisch, überhaupt den Betrieb übernommen, als Sozialpädagogin? So richtig, sagt sie, könne sie das nicht erklären. Eine Bauchentscheidung.

Für den Tipp bedanken wir uns bei Gabriele Zelisko aus Weilheim.

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