Süddeutsche Zeitung

Stein des Anstoßes:Zwei Gerichtsverfahren wegen Jodl-Grab

Von Matthias Köpf

Das Gerichtsurteil über Alfred Jodl selbst ist schon 1946 gefallen, der Nazigeneral wurde im Nürnberger Prozess als Hauptkriegsverbrecher zum Tod verurteilt und kurz darauf hingerichtet. Seine Asche ließen die Alliierten in die Isar streuen. Dass auf dem kleinen Friedhof der Fraueninsel im Chiemsee trotzdem ein Kreuz für den Kriegsverbrecher steht, beschäftigt noch mehr als sieben Jahrzehnte später die Justiz. Am kommenden Montag reist das Münchner Verwaltungsgericht auf die Insel. Anlass ist die Klage eines Neffen von Jodls zweiter Ehefrau, der sich nicht mit der vom Gemeinderat beschlossenen Auflösung des Grabs abfinden will. Am Dienstag verhandelte das Landgericht München gegen den Aktionskünstler Wolfram Kastner, der mit mehreren Aktionen auf das Jodl-Kreuz aufmerksam gemacht hatte. Von ihm verlangt der Neffe gut 4000 Euro für die Säuberung des Kreuzes.

Der Neffe selbst nahm nicht an der Verhandlung teil. Er sei mit Alfred Jodl nicht verwandt und als Erbe von dessen zweiter Ehefrau gleichsam zufällig an das Grab samt Gedenkkreuz gekommen, sagte sein Anwalt. Man habe der Gemeinde Chiemsee inzwischen angeboten, Jodls Namen, seine Geburts- und Sterbedaten sowie den Titel Generaloberst zu entfernen und stattdessen nur "Familie Jodl" auf das Kreuz zu schreiben. Der Rat der Inselgemeinde hat jedoch nach jahrelangem Gezerre im Februar beschlossen, dass das Kreuz ganz entfernt werden soll. Stattdessen stand zeitweise im Raum, weiterhin ein Familiengrab ohne Gedenken an den Kriegsverbrecher zu dulden, das kurz zuvor ausgelaufene Grabnutzungsrecht aber nicht in aller Form zu verlängern. Just diese Verlängerung will der Neffe aber nun einklagen.

Während die Gemeinde über die Jahre kaum zu einer klaren Haltung gefunden hat, ließ es der Aktionskünstler Kastner nie an Deutlichkeit mangeln. Er hat am Grab auf eigene Faust eine erklärende Tafel über Jodl angebracht, dann das "J" entfernt und den Namen so zum bairischen Ausdruck für Jauche verkürzt und das Kreuz zweimal mit roter Farbe begossen. Das hat ihm bereits ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung eingetragen, zivilrechtlich klagt der Neffe auf Erstattung der Reinigungskosten. Dazu fiel in zweiter Instanz am Dienstag kein Urteil, das Gericht ließ aber Zweifel erkennen, dass die Kunstfreiheit in dem Fall schwerer wiege als das Eigentumsrecht. Eine Einigung schlossen beide Seiten aus. Zuvor hatten sich teils auch die beteiligten Anwälte schriftliche Wortgefechte geliefert, die inzwischen Gegenstand weiterer juristischer Auseinandersetzungen sind. Kastners Seite wirft dem Neffen vor, auf der Insel "ein braunes Schrebergärtchen" zu pflegen. Der Neffe beschuldigt dagegen Kastner, das Grab erst durch seine Aktionen zum Ziel für Rechtsextreme gemacht zu haben wie für jene, die sich dort unter der Flagge der NPD versammelt hatten, um den Stein sauber zu bürsten.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2018
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