Süddeutsche Zeitung

Steigerwaldbahn:Endstation Schrottplatz

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Von Claudia Henzler, Kitzingen/Schweinfurt

Zwei Bahntrassen führen von Schweinfurt nach Kitzingen: eine auf jeder Seite des Mains. Westlich des Flusses können Fahrgäste mit einmal Umsteigen in 40 bis 60 Minuten von der einen unterfränkischen Stadt in die andere reisen - östlich des Flusses aber verkehren seit Jahrzehnten keine Personenzüge mehr. Ob sich das ändern ließe, wurde in Unterfranken zuletzt intensiv diskutiert. Nun aber könnten sich Pläne für eine mögliche Reaktivierung der sogenannten Steigerwaldbahn abrupt erledigen. Denn die Deutsche Bahn hat fast die gesamte Trasse zum Verkauf angeboten - und zwar nicht mit der Vorgabe, die Infrastruktur zu erhalten. Es gibt Gerüchte, dass der Gleiskörper an einen Schrotthändler verkauft und entsorgt werden soll. Die Bahn bestätigt, dass sie mit Kaufinteressenten verhandelt, will dazu aber keine näheren Angaben machen. Mehrere Politiker versuchen nun, den Verkauf in letzter Minute zu stoppen.

Die Landräte der betroffenen Landkreise Kitzingen und Schweinfurt haben sich hilfesuchend an Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) gewandt. "Gerade in Zeiten, in denen die Bürgerinnen und Bürger von der Politik eine Mobilitätswende und klare Signale in Bezug auf einen ernsthaft betriebenen Klimaschutz erwarten, wäre es für die Glaubwürdigkeit von Politik fatal, wenn die untere Steigerwaldbahn entwidmet und verkauft würde, ohne dass ernsthaft geprüft worden wäre, ob eine Reaktivierung sinnvoll und möglich ist", schreiben sie.

"Es darf nicht sein, dass wir Gleise herausreißen, während die Jugend für Klimaschutz und Verkehrswende streikt", findet auch der Landtagsabgeordnete Markus Bücher von den Grünen. Seine Fraktion will erreichen, dass die Staatsregierung prüfen lässt, ob man die Bahnlinie nicht doch irgendwann wieder in Betrieb nehmen könnte. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann hat sich derweil an den ehemaligen CDU-Politiker und heutigen Bahnvorstand Ronald Pofalla gewandt, um einen Verkaufsstopp zu erwirken.

Die Steigerwaldbahn ist knapp 50 Kilometer lang und führte ursprünglich von Schweinfurt bis nach Kitzingen - seit 1945 aber nur noch bis zum Bahnhof in Kitzingens Stadtteil Etwashausen. In den Achtzigerjahren wurden erst die Personenzüge durch Busse ersetzt, Ende 2001 wurde auch der planmäßige Güterverkehr eingestellt. Nur die US-Army nutzte die Verbindung noch bis zu ihrem Abzug 2006. Damals hat ein privater Betreiber versucht, die Strecke wiederzubeleben, scheiterte aber. 2016 hat das bayerische Innenministerium schließlich die komplette Strecke stillgelegt. Der private Betreiber gab sie an die Bahn zurück.

Inzwischen müsste man einiges in die Trasse investieren - solide Kostenschätzungen für eine Instandsetzung gibt es noch nicht. Trotzdem wäre es zumindest theoretisch möglich, dass dort wieder Züge fahren. Wenn die Gleise erst verschwunden und überbaut sind, entfällt diese Option. Aus Sicht der Bahnbefürworter drängt die Zeit, denn die für nordbayerische Nebenstrecken zuständige Regierung von Mittelfranken hat jene 3,3 Kilometer, die auf Kitzingens Gebiet liegen, schon offiziell entwidmet. Damit darf der Grund überplant und anders genutzt werden. DB-Immobilien sucht momentan nach einem Käufer für diesen Streckenabschnitt.

Weitere gut 40 Kilometer hat die Bahn schon vor einigen Wochen zum Kauf angeboten. Der Abschnitt ist zwar noch nicht entwidmet, das Verfahren hat aber schon begonnen. Die Landkreise Schweinfurt und Kitzingen sowie die Stadt Schweinfurt haben sich in diesem Verfahren gegen eine Entwidmung ausgesprochen. Sie wollen - wie nun auch die Grünen - erst prüfen lassen, ob eine Reaktivierung denkbar wäre.

Völlig anders sehen das allerdings die meisten Gemeinden, die direkt an der Strecke liegen. Während sich viele Kommunen in Bayern eine Bahnverbindung in die nächste Großstadt wünschen, setzen sie lieber weiter auf den Bus. Die Gemeinden wollen die Gleise loswerden, um Radwege oder Gewerbegrund zu schaffen. Nur die Stadt Gerolzhofen hat ihren Antrag auf Entwidmung wieder zurückgezogen.

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SZ vom 06.06.2019
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