Süddeutsche Zeitung

Steigerwald:Verfluchte Buchen

Die Regierung von Oberfranken will das Schutzgebiet im Steigerwald nach nur einem Jahr wieder auflösen

Von Christian Sebald

Wenn es um das Naturschutzrecht geht, zählt Jochen Schumacher zu den führenden Experten. Der 56-jährige Jurist ist Chef des Instituts für Naturschutz und Naturschutzrecht in Tübingen und Mitherausgeber der Fachzeitschrift Natur und Recht. Und er ist Mitverfasser des Standardkommentars zum Bundesnaturschutzgesetz. Jetzt wirkt Schumacher ein wenig ratlos. "So ein Fall ist mir noch nicht unterkommen", sagt er. "Er ist einzigartig in der Geschichte des Naturschutzes." Der Fall, von dem Schumacher spricht, ist die Entscheidung der Regierung von Oberfranken, das erst ein Jahr alte Schutzgebiet "Der Hohe Buchene Wald" im Steigerwald aufzulösen. Seit sie bekannt wurde, ist die Naturschutzszene in Aufruhr. Der Bund Naturschutz kündigt Klage an. "Wenn es sein muss bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht", sagt BN-Chef Hubert Weiger.

Der Streit um den Naturschutz im fränkischen Steigerwald währt seit Jahren. Naturschützer, aber auch viele Einheimische verlangen, einen Nationalpark für die zum Teil 300 Jahre alten Buchenwälder auszuweisen und sie als Weltnaturerbe anerkennen zu lassen. Die Fachwelt unterstützt sie dabei. Nach dem Urteil des Bundesamtes für Naturschutz zählen die Buchenwälder nahe der vormaligen Zisterzienserabtei Ebrach zu den wertvollsten Naturschätzen Europas. Hier leben extrem viele hochbedrohte Tier- und Pflanzenarten. Der Eremit etwa, ein braun-schwarzer Großkäfer, galt als ausgestorben in Bayern, bis er im Steigerwald wiederentdeckt wurde.

Allein die Staatsregierung weigert sich strikt, mehr für den Naturschutz in der Region zu tun. Viele Bauern, Waldarbeiter, Sägewerker, Förster und andere Einheimische unterstützen sie darin. Sie befürchten lauter Nachteile, wenn der Naturschutz ausgeweitet wird - bis dahin, dass sie in ihren Wäldern nicht mehr spazieren gehen dürfen. Ihr Sprachrohr ist der Anti-Nationalpark-Verein "Unser Steigerwald" des Innenstaatssekretärs Gerhard Eck (CSU). Ministerpräsident Horst Seehofer, aber auch Eck und Co. machten ihre Rechnung jedoch ohne ihren Parteifreund Günther Denzler. Der Bamberger Ex-Landrat und Präsident des oberfränkischen Bezirkstags ist seit jeher Verfechter eines Nationalparks im Steigerwald. Also wies Denzler im April 2014 - kurz bevor er aus Altersgründen sein Amt als Landrat abgab - das Schutzgebiet "Der Hohe Buchene Wald" aus. Mit seinen 775 Hektar Fläche könnte es einmal Kern des von Denzler und anderen geforderten Nationalparks werden. Und natürlich Zentrum eines Weltnaturerbes Steigerwald.

Bei der Einrichtung des Schutzgebietes ging Denzler sehr geschickt vor. Er wies den "Hohen Buchenen Wald" als sogenannten geschützten Landschaftsbestandteil aus. Das ist die einzige Art Schutzgebiet, die eine Kommune oder ein Landkreis einrichten kann, ohne eine übergeordnete Stelle um Erlaubnis fragen zu müssen. In anderen Worten: Die Staatsregierung konnte Denzler nicht dreinreden, als er das Schutzgebiet auswies.

Natürlich tobten die Nationalpark-Gegner um Eck. Auch der Chef der Landtags-CSU, Thomas Kreuzer, und andere Mächtige in der Partei machten Druck. Die Staatsforsten, die als Staatsunternehmen die Wälder im Steigerwald bewirtschaften, reichten sogar Klage gegen das Schutzgebiet ein. Schon damals waren Juristen irritiert, weil damit der Freistaat gleichsam gegen sich selbst klagte. Zuletzt änderte die Staatsregierung sogar das bayerische Naturschutzgesetz, damit sie das Schutzgebiet annullieren lassen kann. Nun hat sich die Bezirksregierung gebeugt und das Verfahren dazu eingeleitet.

BN-Chef Weiger spricht von "einem einzigartigen Kniefall gegenüber den Nationalparkgegnern". Der Freistaat verspiele seine "Glaubwürdigkeit im Naturschutz". Auch der Vogelschutzbund LBV wird sich der Abwicklung widersetzen. "Der Schutz des Steigerwalds hat für uns zentrale Bedeutung", sagt LBV-Chef Norbert Schäffer. Ex-Landrat Denzler prophezeit der Staatsregierung derweil ein "klägliches Scheitern" der Abwicklung. Er habe seinerzeit einzig "seine Verantwortung für den Naturschutz ernst genommen und juristisch einwandfrei gearbeitet". Viele Experten teilen diese Einschätzung.

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SZ vom 28.05.2015
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