Steigerwald:Neue Kulisse für alte Debatten

Steigerwald: Auf einer Länge von insgesamt 1150 Metern werden von diesem Samstag an Besucher auf Holzbohlen über den Baumwipfelpfad spazieren können.

Auf einer Länge von insgesamt 1150 Metern werden von diesem Samstag an Besucher auf Holzbohlen über den Baumwipfelpfad spazieren können.

(Foto: oh)

Auf dem Baumwipfelpfad bei Ebrach können nun Besucher bis in 42 Metern Höhe den Steigerwald genießen. Aber auch die Nationalpark-Kontrahenten bringen sich in Stellung.

Von Katja Auer, Ebrach

Der Wald schimmert rot von den Buchen, die ihre ersten zarten Blattspitzen herzeigen. Die Eichen sind noch kahl und die Lärchen tragen ein paar verblasste Nadeln, die im Herbst so schön gelb geleuchtet haben. Nur die Kiefern scheinen immergrün durch die lichten Bäume. Der Frühling ist noch nicht angekommen im Steigerwald. Aber lange wird er nicht mehr brauchen und dann lässt sich der ergrünende Wald aus einer gänzlich anderen Perspektive betrachten. Am Samstag wird der Baumwipfelpfad in der Nähe von Ebrach eröffnet, der insgesamt 1150 Meter auf Holzbohlen durch die Bäume führt und sich auf einem trichterförmigen Turm bis zu 42 Meter in die Höhe schraubt. Bis über die Baumspitzen hinaus.

Es ist nicht der erste Baumwipfelpfad in Bayern, schon seit September 2009 gibt es jenen in Neuschönau im Bayerischen Wald. Der wird von einer Aktiengesellschaft betrieben, im Steigerwald sind die Bayerischen Staatsforsten verantwortlich, auf deren Gelände der Pfad steht. Mit dem privaten Investor ist man sich nicht einig geworden. Weil der Pfad im Bayerischen Wald durch den Nationalpark führt, im Steigerwald aber durch ein bewirtschaftetes Gebiet, sind die Schwerpunkte entsprechend unterschiedlich. In Neuschönau erfahren die Besucher etwas über Bär und Eule, über das versteckte Leben im toten Holz, über den Wasserkreislauf und die Baumkronenforschung.

Der Schilderwald zur Nationalparkdebatte säumt den Weg zum Wipfelpfad

Im oberfränkischen Ebrach geht es auch um die Jagd und die richtige Handhabung der Motorsäge, und mit der Wipfel-App können die Besucher am Handy virtuell Forstmaschinen durch den Wald steuern. "Es ist uns wichtig zu zeigen, was wir so machen", sagt Forstingenieurin Miriam Langenbucher, die Chefin am Wipfelpfad. 30 Jahre ist sie alt, kommt aus Rheinland-Pfalz und vom Steigerwald habe sie früher nie gehört, sagt sie. Das ist vorbei, längst, seit anderthalb Jahren bereitet sie die Eröffnung vor und steckt mittendrin, räumlich wenigstens, in einer der am emotionalsten geführten politischen Diskussionen Bayerns.

Denn sie bleibt nicht außen vor, die Frage, wie es weitergehen soll mit dem Steigerwald. Nationalpark oder nicht, darüber diskutieren Gegner und Befürworter seit bald zehn Jahren. Streiten muss man sagen, nüchtern argumentiert wird schon lange nicht mehr. Die Auseinandersetzung hat tiefe Gräben in die Region gerissen, quer durch Dörfer und Familien. Verborgen bleibt die Debatte auch denen nicht, die nie davon gehört haben. Wer sich dem Mittelgebirge nähert, ob vom Osten aus Bamberg oder vom Westen aus Würzburg, der kann irgendwann den Blick nicht mehr wenden von den Schildern, die an Scheunenwände montiert sind und in Äckern stecken. Nein danke oder Ja bitte, alle Positionen zum Nationalpark sind darauf in deutlichen Worten vermerkt.

Eröffnung Baumwipfelpfad Steigerwald

Die Eröffnung des Baumwipfelpfads ließen sich auch die Fans des Nationalparks nicht entgehen und rückten mit Plakaten an.

(Foto: dpa)

"Wir versuchen uns da rauszuhalten", sagt Langenbucher, "und ich will auch nicht ständig die Kulisse sein für diese Diskussion." Das wird nicht immer gelingen, schon für den Eröffnungstag haben Gegner und Befürworter des Nationalparks Demonstrationen angekündigt. Dabei geht es gar nicht um den Baumwipfelpfad, gegen den hat eigentlich niemand was. Jene, die einen Nationalpark fordern, nennen den Pfad einen richtigen Anfang. Er sei ein "wichtiger Baustein zu einem Nationalpark", sagt Benedikt Schmitt vom Verein "Nationalpark Nordsteigerwald". Nun fehle nur noch der dauerhafte Schutz der wertvollen Buchenwälder. "Oder sollten die Besucher gar live miterleben dürfen, wie diese wenige Hundert Meter weiter dem Profit zum Opfer fielen?", fragt er. Die Methusalem-Buchen, jene alten Bäume, um die es den Nationalpark-Unterstützern vor allem geht, sieht man kaum vom Pfad aus. Am Ende stehen ein paar, der "Hohe Buchene Wald" aber, das Kerngebiet des Waldstreites, liegt ein Stück entfernt.

Die Gegner eines strikten Schutzgebietes interpretieren den Baumwipfelpfad als weiteren Schritt eines Gegenkonzeptes zum Nationalpark, das die Forstwirtschaft als konstruktives Instrument zum Erhalt des Waldes begreift. Dafür steht auch das Nachhaltigkeitszentrum im wenige Kilometer entfernten unterfränkischen Handthal. Auch dort geht es um den Wald und seine Nutzung, was Kritiker wiederum als Teil einer staatlichen Verhinderungsstrategie für einen Nationalpark verstehen.

8,7 Millionen Euro hat der Pfad gekostet und soll eine Attraktion der Region werden

Vom Baumwipfelpfad wird ein Weg hinüber führen nach Handthal, auch ein Bus soll fahren, sagt Miriam Langenbucher. Mit ungefähr 150 000 Besuchern rechnet sie pro Jahr, der Pfad könnte zu einer Attraktion werden für die Region. 8,7 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, alles in allem, inklusive Linksabbiegerspur auf der Straße. "Wir sind kein Freizeitpark", sagt die Leiterin, aber sie überlegt, was noch dazu passen könnte. Ein Hochseilgarten vielleicht oder ein Baumhotel.

Eröffnung Baumwipfelpfad Steigerwald

In allen Wipfeln ist Ruh' - noch. Wenn erst der Frühling da ist, geht es rund. Von April an erwartet die Bayerische Staatsforsten bis zu 150 000 Besucher pro Jahr.

(Foto: dpa)

Irgendwo hämmert ein Specht und ein bisschen weiter weg fahren die Autos über die Bundesstraße 22. Der Verkehr ist deutlich zu hören 42 Meter über dem Waldboden, es ist eben eine Kulturlandschaft. Die Ränder des Steigerwaldes verschwimmen im diffusen Licht, das oft dort oben die Fernsicht trübt. Aber wenn es mal nicht so diesig ist, dann soll man in der Ferne den Main funkeln sehen können.

Baumwipfelpfad, Radstein 2, 96157 Ebrach. Geöffnet von 10 bis 16 Uhr, vom 1. April an von 9 bis 18 Uhr. Preise: 9 Euro für Erwachsene, 6 Euro für Kinder ab 6 Jahren. Der Pfad ist rollstuhlgerecht.

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