Steigende Gewalt gegen Polizei:Uniform als Provokation

Drohen, spucken und schlagen: Immer häufiger werden Polizeibeamte im Dienst Opfer von Gewaltattacken. Die Politik fordert härtere Strafen, die Gewerkschaft will mehr Unterstützung von der Politik.

Ingrid Fuchs

Erst am Mittwoch stand wieder im Polizeibericht für München: Zwei betrunkene junge Männer verlassen gemeinsam eine Disco, geraten in Streit und prügeln sich. Als zwei Polizisten eingreifen, gehen die Betrunkenen auf die Beamten los. Platzwunden an Kopf und Lippe, Schürfwunden und Kopfschmerzen sind das Resultat dieses Arbeitstages für die Polizisten.

Statistik Gewalt gegen Polizei

Es wird beleidigt, gespuckt und geschlagen: In vielen Bürgern steckt eine Grundagression, einiges davon bekommen die Beamten ab.

(Foto: dpa)

Die Gewalt gegen Polizeibeamte hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, das geht aus verschiedenen Untersuchungen hervor. Dieser Entwicklung soll entgegen gewirkt werden. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat dazu am Mittwoch die erste bayerische Statistik zu Gewalt gegen Polizisten vorgestellt.

Im Jahr 2010 wurden laut der Studie 1638 Polizisten verletzt, 31 davon sogar schwer. An manche spektakuläre Fälle erinnert man sich auch im Jahr danach noch. Ein besonders schlimmes Beispiel spielte sich in Passau ab. Im Oktober 2010 wurde ein Beamter nachts auf der Polizeidienststelle niedergeschossen. Ein wirkliches Motiv hatte der Täter nicht, er ist einfach während des Gesprächs ausgerastet.

Am gefährlichsten ist für die Beamten der tägliche Streifendienst, der Großteil aller Zwischenfälle ereignet sich nachts an Wochenenden und im Zusammenhang mit Alkohol. "Das ist der Aggressionsverstärker Nummer eins", sagt Hermann laut einer Mitteilung.

Helmut Bahr, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, kann das in einem Gespräch mit sueddeutsche.de bestätigen. "Oft ist schon eine gewisse Grundagression vorhanden, aber mit Alkohol wird es dann richtig schlimm." So war es zum Beispiel beim Eröffnungsabend des Unterschleißheimer Volksfestes im Mai 2010.

Kurz vor Mitternacht wurden Polizeibeamte auf ihrem Streifgang von drei Jugendlichen vor einem Festzelt angepöbelt und beleidigt. Als die jungen Männer festgenommen werden sollten, wehrten sie sich mit Händen und Füßen. Schließlich kamen ihnen rund 50 aggressive und angetrunkene Volksfestbesucher "zu Hilfe". Nur dank Verstärkung - am Ende waren 70 Polizisten vor Ort - und dem Einsatz von Schlagstöcken und Hunden konnte die Menge letztlich unter Kontrolle gebracht werden.

Draufhauen - jetzt erst recht

Für Bahr klingen derlei Geschichten gar nicht mehr ungewöhnlich. "Die Uniform ist nicht mehr das, was sie mal war. Im Gegenteil, für manche ist sie eher eine Provokation", sagt der Gewerkschafter. "Die denken sich dann, jetzt hau ich erst recht drauf." Am gefährlichsten sind laut Bahr die zahlreichen Großveranstaltungen wie Fußballspiele, Demonstrationen von Links oder Rechts, der Einsatz bei Castortransporten, aber eben auch heimischen Volkfesten wie der Wiesn sowie in ländlicher Gegend.

Natürlich passiere in einer Großstadt generell mehr, sagt Bahr. "Aber auf dem flachen Land haben wir das Problem, dass wir personell teilweise so dünn besetzt sind, dass man Unterstützung entweder gar nicht oder nur sehr langsam bekommen kann." Eine Herausforderung, für die Bahr vor allem die Politik in der Verantwortung sieht. "Die personelle Problematik besteht schon sehr lange, wir brauchen mehr Beamte!"

Innenminister Hermman kennt dieses Anliegen der Polizeigewerkschaft sehr gut. Bei der Vorstellung des Lagebildes geht er auf das Personalproblem nicht ein, sondern appelliert an die Justiz: "Die Gerichte müssen diejenigen, die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte angreifen, schnell und konsequent bestrafen." Außerdem sollen die Ergebnisse zusammen mit den Polizeipräsidien umfassend analysiert werden, um weitere geeignete Maßnahmen treffen zu können. Angedacht sind etwa eine Optimierung in der Aus- und Fortbildung sowie die Verbesserung der Ausstattung. "Die Gesundheit unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hat höchste Priorität", so Hermann. "Unsere Devise heißt deshalb: Wir müssen die schützen, die uns schützen."

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