Unwetter:"Starnberg hat's ganz schön erwischt"

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Viele Starnberger Unterführungen liefen wie hier an der Münchner Straße mit Wasser voll. Der Verkehr war stark beeinträchtigt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wegen heftiger Regenfälle sind in der Kreisstadt am Montagabend unzählige Keller vollgelaufen. Einsatzkräfte und freiwillige Helfer müssen mehr als 200 Mal ausrücken.

Von Christian Deussing, Linus Freymark und Peter Haacke, Starnberg

Über einen Meter hoch stand das Wasser, schätzt Jan Thunig. In kürzester Zeit ist die Produktionsstätte der Eiswerkstatt in der Weilheimer Straße in Starnberg am Montag vollgelaufen. Zum Glück kam rasch die Feuerwehr und hat das Wasser abgepumpt. Aber die Folgen des heftigen Unwetters vom Montag, das gegen 16.30 Uhr einsetzte, sind so schwer, dass Inhaber Thunig befürchtet, all seine Maschinen neu anschaffen zu müssen. "Es sind erhebliche Schäden zu befürchten", sagt er, "im schlimmsten Fall sogar ein Totalschaden." Laut Thunig könnte das Kosten von bis zu 100 000 Euro bedeuten - die er womöglich selbst zahlen muss. Denn ob die Versicherung zahlt, wird sich erst noch herausstellen.

Mit diesem Problem ist er nicht allein: Überall in Starnberg liefen am Montag Keller voll, betroffen waren auch Tiefgaragen. Auf den Straßen der Kreisstadt herrschte zeitweise Chaos, weil Unterführungen unter Wasser standen und Gullys verstopft waren. Die S-Bahn stellte kurzzeitig ihren Betrieb zwischen Starnberg und Tutzing ein und hinterließ ratlose Fahrgäste. Autofahrer steckten in überschwemmten Unterführungen auf der B2 und am Bahnhof Nord fest. Dort musste sogar ein Streifenwagen der Polizei aus den Fluten gezogen werden.

Die Helfer rückten zu mehr als 200 Einsätzen aus, die meisten davon in Starnberg. "Es ging Schlag auf Schlag", berichtete Michael Reiter, Einsatzleiter der Starnberger Feuerwehr. Zudem konnten sich seine Einsatzkräfte wegen der Staus nur mühsam zum Gerätehaus durchkämpfen, in das ebenfalls Wasser eingedrungen war. Das Technische Hilfswerk (THW) unterstützte die Feuerwehren und verbaute unter anderem 30 Sandsäcke an einem Firmengebäude in der Moosstraße. Insgesamt waren mehr als 200 Feuerwehrleute aus dem Großraum Starnberg sowie Mitarbeiter des BRK im Einsatz; Verletzte gab es nicht.

Das Unwetter brachte für die Polizei keine nennenswerten größeren Einsätze mit sich. Die Beamten waren jedoch gut damit beschäftigt, Autofahrern zu verdeutlichen, dass es kein Durchkommen durch Starnberg gibt, weil beide Unterführungen vollgelaufen waren. Sie mussten dabei teils wilde Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Nachdem die Sperrungen aufgehoben waren, sammelten sie noch etwa zehn Kennzeichen ein, die beim Durchfahren der überfluteten Unterführungen von den Fahrzeugen gerissen wurden.

Am Bahnhof See war Endstation

Für Pendler aus München war der Bahnhof See von etwa 18.30 Uhr an zwischenzeitlich Endstation, weil auf der Strecke zwischen Starnberg und Tutzing der Verdacht auf eine Gleisunterspülung bestand. Von der Sperrung war auch der Regionalverkehr betroffen. Ab etwa 19 Uhr war für Fahrgäste ein Ersatzverkehr mit Großraumtaxen unterwegs, teilte ein Bahnsprecher mit. Nach Überprüfung wurde die Sperrung kurz nach 20 Uhr wieder aufgehoben. Tatsächlich hatte sich Hangwasser auf Höhe der Oskar-von-Miller-Straße unter dem Bahndamm hindurch seinen Weg gebahnt, einen kleineren Hügel abgetragen und dann in ein darunterliegendes Haus ergossen.

Landrat Stefan Frey (CSU) dankte den Rettungskräften in den sozialen Medien für ihren Einsatz. "Starnberg hat's ganz schön erwischt", schrieb er. "Riesiger Einsatz unserer Feuerwehren, BRK und THW". Im Landratsamt hatte die Kreisbrandinspektion gegen 21 Uhr die Koordination der Einsätze auch der benachbarten Feuerwehren übernommen. Allein bis Mitternacht wurden in der Einsatzzentrale mehr als 100 Einsätze registriert. "Ich bin laufend über die aktuelle Lage informiert worden", sagt Frey.

Zahlreiche Einsatzkräfte versuchten, die Wassermassen aufzuhalten. Dennoch blieben mehrere Fahrzeuge stecken. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Jan Thunig, hier ein Bild aus besseren Zeiten, bangt um die Zukunft seiner Eiswerkstatt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Neben unzähligen Privathäusern, in denen die Keller vollliefen, waren auch die Fünfseen- und Franziskus-Schule, der katholische Kindergarten St. Nikolaus, die Musikschule und das Rathaus betroffen. Zudem hätten einige Straßen, die ohnehin nicht in Bestzustand sind, massiv unter den Fluten gelitten, berichtete Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik. So wurde etwa am Waldspielplatz die bröckelnde Straßendecke teilweise komplett abgeräumt. "Da rächen sich die Versäumnisse der Vergangenheit", so Janik.

Bei Andreas Hollwich, Chef der Tutzinger Firma "Die Bautrockner", stehen seit Montagabend die Telefone nicht mehr still. Seine 18 Mitarbeiter sind überall in der Stadt im Einsatz, um Keller und Untergeschosse von Wasser zu befreien. "Bei uns ist die Hölle los", sagt eine Mitarbeiterin. Hollwich weiß: Im Unterschied zu den Nachbargemeinden, wo es überwiegend geregnet oder leicht gehagelt hat, "hat es Starnberg außergewöhnlich erwischt." Allerdings habe es nur Wasserschäden gegeben, Dächer seien - anders als beim Hagelsturm 2023 rund um Benediktbeuern - weitgehend verschont geblieben. Die bislang bekannten Schäden sind unterschiedlich schwer. Laut Hollwich sind Altbauten aus den Dreißiger- bis Fünfzigerjahren grundsätzlich leichter trocken zu legen als neuere Gebäude mit Dämmmaterial, das sich wie ein Schwamm vollsaugt mit bis zu zehn Litern Wasser pro Quadratmeter. Dann helfen nur noch Bohrungen, um das Wasser abzusaugen, und wochenlange Trocknung. Die Kosten betragen 30 bis 40 Euro pro Quadratmeter.

Einen Bautrockner hat Jan Thunig bereits gefunden. Und auch sonst hat der Inhaber der Eiswerkstatt eine gute Nachricht: Seine Läden in Starnberg und München bleiben geöffnet, auch der Stand auf der Französischen Woche. Die ein oder andere Eissorte aber wird wohl in Kürze ausgehen. Denn Thunig kann mindestens in den nächsten zwei, drei Wochen kein Eis produzieren. Dadurch fallen Einnahmen weg. Der Gastronom konstatiert: "Es ist ein Desaster."

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