Upcycling:Der Flaschenspieler

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Von Freunden und Bekannten, ja sogar von Gaststätten, bekommt Mario Schaller inzwischen leere Flaschen, die er nebst anderen Gegenständen in seinem Keller in Starnberg hortet. (Foto: Georgine Treybal)

Mario Schaller fertigt aus leeren Ginbehältern und anderen Gegenständen Lampen und Kerzen. Der 55-jährige Starnberger tüftelt für sein Leben gern - und kreiert auf Kundenwunsch auch Einzelstücke mit persönlicher Geschichte.

Von Sabine Bader, Starnberg

Begonnen hat alles mit einer leeren Gin-Flasche. Mario Schaller brachte es nicht übers Herz, sie in den Glascontainer zu werfen. So eine schöne Flasche, dachte er sich. Die könne man doch nicht einfach wegwerfen. Nein, daraus müsse sich doch noch etwas machen lassen. Seitdem fertigt er aus den ausgedienten Flaschen Kerzen und Lampen. "Upcycling", nennt man das. Nachhaltigkeit im klassischen Sinn.

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Das war im Jahr 2019. Schaller startete die ersten Versuche. Er schnitt die Flasche mit einer Diamanttrennscheibe und schliff die Ränder des Glases, bis sie glatt waren. Vieles ging anfangs zu Bruch. Doch nach und nach wurden die Ergebnisse besser, bis die geschliffenen Glaskörper perfekt waren. Dann machte er sich Gedanken über das Wachs, mit dem er die Glaskörper befüllen wollte. Er hielt Ausschau nach einem nachhaltigen, schnell nachwachsenden Rohstoff. Die Wahl fiel auf Sojawachs aus Europa. Heute füllt er die Glaskörper auch mit Gel.

Dass das Behältnis einmal eine Gin-Flasche war, erkennt keiner mehr. Mario Schaller hat daraus eine Gel-Kerze gemacht. (Foto: Georgine Treybal)

So entstanden die ersten selbst gebauten Kerzen. Die ließen sich, wie er sagt, zu seiner Freude auch ganz gut verkaufen - zunächst an Freunde und Bekannte. Auch eine ansprechende Verpackung hat er für seine Produkte entworfen. So entstanden schöne Mitbringsel. Und natürlich brauchte "das Kind" auch einen Namen. Der war schnell gefunden, mit "Seefeuer Starnberg".

Leere Flaschen funktioniert Mario Schaller meist zum Lampenfuß um. (Foto: Georgine Treybal)

Doch aus leeren Flaschen lässt sich weit mehr fertigen - Lampen zum Beispiel. Die Idee fand Schaller spannend. Und er begann mit der Lampen-Produktion. Er bohrte in die jeweilige Flasche ein Loch für das Stromkabel, füllte die Flasche mit feinem Sand wegen der Standfestigkeit und befestigte auf dem Flaschenhals eine Fassung für die Glühbirne. Die Lampenschirme kauft er bislang noch in verschiedenen Farben und Größen zu.

Aber was mit Flaschen funktioniert, funktioniert auch mit anderen Gegenständen: mit Tee- und Kaffeekannen, kleinen Skulpturen oder mit getrocknetem Schwemmholz vom Seeufer, ja sogar mit einem einfachen Handbohrer, der ihm beim Aufräumen in die Hände gefallen ist. Sie alle eigenen sich als Lampen-Fuß. "Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt", sagt Schaller.

Aber auch in Tee- und Kaffeekannen baut er Beleuchtung. (Foto: Georgine Treybal)
Aus Wurzeln und Schwemmholz vom Starnberger Seeeufer lassen sich ebenfalls extravagante Exponate fertigen. (Foto: Georgine Treybal)
Die Statue eines Diskuswerfers ziert ebenfalls ein Objekt aus Schallers Werkstatt. (Foto: Georgine Treybal)

Auf Wunsch fertigt Schaller auch individuelle Exponate an. Hat jemand beispielsweise eine alte Teekanne zuhause, die man sehr liebt, aber die leicht leckt und als Kanne nicht mehr verwendet werden kann, so kann Schaller daraus eine individuelle Lampe bauen. Gerade solche Aufträge machen ihm besonders Spaß. Dann kommt in ihm der Tüftler zum Zug. So hat er für eine Kundin, deren Mann Schreiner ist, zum Beispiel einen Hobel zum Lampenfuß umfunktioniert.

Wer heute den Keller Schallers betritt - dieser dient dem 55-Jährigen als Werkstatt - der kommt in ein Meer von Gegenständen und besonderen Flaschen. Natürlich hat Schaller letztere nicht alle selbst getrunken. Sie stammen von Freunden und Bekannten - ja, sogar Gaststätten versorgen ihn inzwischen mit Leergut.

Ein eigenes Geschäft ist bislang nicht drin - die Starnberger Mieten sind nun mal "horrend"

Das Tüfteln liegt bei ihm wohl in der Familie. "Mein Großvater mütterlicherseits war ein echter Bastler", erzählt er. "Der hat alles selbst gemacht - am Haus, am Auto, überhaupt." Als kleiner Junge sei er immer dabei gewesen. "Durch das Zuschauen habe ich mir wahrscheinlich viel von ihm abgeguckt."

Mario Schaller lebt seit 20 Jahren in Starnberg und ist verheiratet. Er stammt aus der Magdeburger Gegend, hat Einzelhandelskaufmann gelernt und verdient seinen Lebensunterhalt heute in einem Starnberger Fitnessstudio. Das Lampenbauen ist bislang ein Zubrot für ihn.

Seine selbst entworfenen Lampen und Kerzen verkauft er derzeit über seinen Online-Shop oder auf Märkten. Seine Kerzen sind auch in der Starnberger Tourist Information erhältlich. Zur finanziellen Orientierung: Für die Wachskerzen verlangt Schaller entweder 14,90 Euro (150ml) oder 24, 90 Euro (300 ml). Die Gelkerzen kosten 9,90 Euro (klein), 19,90 Euro (groß). Für die Lampen berechnet er in der Regel 49,90 Euro. Sein Traum ist übrigens ein eigenes Geschäft, in dem der Kunde die Lampen-Kreationen auch live ansehen kann. "Aber die Mieten in Starnberg sind einfach horrend. Leider."

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