Starke Verbindung:Zwei Rivalen auf denselben Gleisen

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Die Südschiene: Mal Bündnis gegen Kohl, mal Partner in Berlin

Von Max Hägler, Wolfgang Wittl

Wer den Namen "Südschiene" erfunden hat, lässt sich nicht mehr genau feststellen. Umso bekannter sind die Väter dieses Konstrukts: Als Franz Josef Strauß und Lothar Späth 1978 in ihren Ländern zu Ministerpräsidenten gewählt wurden, verloren sie keine Zeit, eine Allianz zwischen Bayern und Baden-Württemberg zu schmieden. Die Südschiene wurde von Anfang an zweigleisig verlegt: als schwarze Parteipartnerschaft zwischen CSU und Südwest-CDU sowie als Bündnis zwischen zwei Bundesländern mit gleichen Interessen.

"Es war die Verbindung zweier ökonomisch aufstrebender Länder mit starker Identität und großem Regionalstolz", erinnert sich Edmund Stoiber. Aber sie war auch mit explosiver Binnenwirkung versehen. Weder Strauß noch Späth galten als Anhänger von Helmut Kohl, ihre Rivalität zum ungeliebten CDU-Chef lebten sie auch auf diesem Weg aus. Stoiber hat die Südschiene als CSU-Generalsekretär von den ersten Metern an begleitet, als Ministerpräsident baute er an ihr mit seinem Kollegen Erwin Teufel weiter. Im Bundesrat trieben sie Projekte voran, spielten über Bande. Gemeinsamkeiten gab es ja genug: die Affinität zu neuer Technologie, der Ausbau von Universitäten, eine solide Haushaltspolitik, die Autoindustrie. Stoiber sagt: "Die Verbindung hat beiden Seiten geholfen, aber jeder von uns wollte im Ranking auch vorne liegen."

Der Ehrgeiz, den jeweils anderen übertrumpfen zu wollen, hat sich bis heute fortgesetzt. Bei der Frage, welches Land auf welchem Feld besser sei, ist es mit der Harmonie zwischen Markus Söder und Winfried Kretschmann schnell vorbei. "Im Fußball ist es ziemlich eindeutig, würde ich sagen", sagt Söder. Und sonst? "Baden-Württemberg ist unser stärkster Wettbewerber. Man kann immer wieder rüberschauen und vergleichen." Für Kretschmann steht fest, wo sein Land besser aufgestellt ist: "Bei Forschung und Entwicklung." Söder: "Das bezweifle ich. Die TU München ist immer die Nummer eins."

Bei allem Sparring sollen die Gemeinsamkeiten gepflegt werden: Am 23. Juli treffen sich die Kabinette beider Länder am Bodensee zur Sitzung, Thema könnte eine Klimaschutzpartnerschaft sein. Der Mix aus Mittelstand und Dax-Konzernen, High-Tech und Landwirtschaft - all das verbindet beide Länder. "Wir sind in allen Kenndaten sehr ähnlich", sagt Kretschmann. Nur selten weichen die Zahlen voneinander so ab wie die bei den Bergen über 1000 Meter Höhe: Gerade mal 17 gibt es in Baden-Württemberg, 1011 sind es in Bayern. Den Gipfel der Einigkeit erklimmen Kretschmann und Söder beim Thema Föderalismus: "Die zentralistischen Tendenzen nehmen immer weiter zu, der Bund macht mittlerweile Grundgesetzänderungen am Fließband", ärgert sich Kretschmann: "Dagegen müssen wir Widerstand organisieren." Söder sagt: "Unsere Herausforderungen werden immer größer. Da sollten sich ähnliche Regionen zusammen aufstellen."

Wobei der Süden trotz aller Ähnlichkeiten vielgestaltig ist. Anders als Bayern hat Baden-Württemberg kein Zentrum, sondern viele. Kretschmann: "Bei uns gibt es keine Provinz, in jedem Schwarzwaldtal findest du Weltmarktführer." Die aber finden kaum noch Fachkräfte. "Das baden-württembergische Modell gerät zum ersten Mal so richtig unter Stress", sagt Kretschmann. Umgekehrt verspürt Bayern Söder zufolge "die Kehrseite eines starken Zentralismus". Der Raum München entfalte einen unglaublichen Sog mit Problemen bei Verkehr und Wohnungsraum.

Erstaunlich einig sind sich Kretschmann und Söder in ihrer Bewertung der Bundes-SPD: "Wenn Du keine Lust zum Regieren hast, dann lässt Du's halt bleiben", sagt Kretschmann. Man müsse mit Freude gestalten wollen, "und nicht sagen: Oh Gott, jetzt muss ich mit denen ..." Die Art, "wie die SPD ihre Vorleute absägt", sei ihm "völlig unbegreiflich". Diese Larmoyanz und Selbstzerstörung lähme die Politik jedenfalls insgesamt. Söder will der SPD in der großen Koalition zwar "die Chance geben, noch mal Luft zu holen". Denn gefordert sei jetzt Stabilität. Aber auch er sagt: "Der ständige Jammermodus muss weg. Es gibt da so einen Satz: Eine Tante, die jammert, bekommt keinen Besuch. Und die alte Tante SPD jammert seit zwei Jahren vor sich hin. Deswegen geht auch keiner mehr hin."

Inmitten des eineinhalb Stunden dauernden Gesprächs, es geht um Technologien, bittet Söder ums Wort, es wird beinahe eine Liebeserklärung: "Mir gefällt Ihre Begeisterung für das Neue", sagt er zum Amtskollegen. "Sie sind keiner, der nur in der Gegenwart denkt und sich das eigene Denkmal baut." Auch er, Söder, sei "ein Fan davon, dass Politik nicht nur auf die Zukunft wartet. Wir sollten vorausschauen und sie aktiv gestalten." Das verbinde.

Auch wenn sie jetzt ein schwarzes und ein grünes Gleis hat - Edmund Stoiber ist trotzdem zufrieden: "Die Südschiene ist revitalisiert, das freut mich sehr."

© SZ vom 15.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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