Barbara Stamm hätte es vermutlich gefallen, dass sich so viele versammelt haben, die Familie, die Freunde, die langjährigen Wegbegleiter. Und das im Landtag, wo sie so lange wirkte, zehn Jahre als Präsidentin, 42 Jahre als Abgeordnete. Am Dienstag stellte ihre Nachfolgerin, Landtagspräsidentin Ilse Aigner, eine Biografie vor. „Barbara Stamm – Politikerin aus Leidenschaft für die Menschen“ heißt das Buch von Daniela Neri-Ultsch, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg.
Barbara Stamm wusste von dem Projekt, sie hat mit der Autorin Gespräche geführt und sie hätte dabei sein sollen bei der Präsentation. Das hat sie nicht mehr geschafft. Am 5. Oktober 2022 ist Barbara Stamm gestorben, der Krebs hat die zähe Kämpferin doch bezwungen. 77 Jahre ist sie alt geworden, nun erscheint das Buch wenige Monate, bevor sie 80 Jahre alt geworden wäre.
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Sie war Landtagspräsidentin, Fastnachtskönigin und das soziale Gewissen der CSU. Kaum jemand in der Partei war so nah an den Menschen wie Barbara Stamm. Auch deswegen machte sie eine politische Karriere, die ihr nicht vorherbestimmt war. Nun ist sie im Alter von 77 Jahren gestorben.
„Barbara Stamm hat sich unauslöschlich in das Buch des bayerischen Landtags, das Buch der bayerischen Geschichte eingeschrieben“, sagte Aigner und würdigte ihre Vorgängerin nicht nur als kundige Politikerin, sondern vor allem als Frau, der die Menschen am Herzen lagen. Ihre Herzenswärme und ihr unerschütterlicher Optimismus hätten Mut geschenkt. „Barbara Stamm war die Landesmutter Bayerns“, sagte Aigner.
Die Biografie sei nicht nur eine wertvolle Erinnerung, sondern auch eine Quelle der Inspiration, auch für jene, die im Sinne Stamms Politik machten. Eine „umfassende Würdigung“ nennt Aigner das Werk und tatsächlich ist es genau das. Wer viel Unbekanntes erwartet oder gar Enthüllungen, der wird diese nicht finden, Stamm hat ja nie ein Geheimnis gemacht aus ihrem Leben und aus ihrer Herkunft, die sie und ihre politische Arbeit nachhaltig geprägt hat. Neri-Ultsch hat vor allem zusammengetragen. Auf 380 Seiten kommt Stamm selbst zu Wort, ihre Familie und ein paar enge Gefährten.
Die Ministerpräsidenten, von denen Barbara Stamm einige politisch überdauert hat, wurden nicht befragt, auch wenn sie sicher Interessantes zu erzählen gehabt hätten, ist Stamm dem einen oder anderen doch gewaltig auf die Nerven gegangen, wenn es sein musste – und ihren politischen Anliegen diente. Sie habe sich auf den engsten Kreis beschränkt, sagte die Autorin kürzlich, entsprechend freundlich fallen die Anekdoten und Erinnerungen aus. Die Krisen, die es auch gab in Stamms politischer Karriere, werden nicht ausgespart, aber auch nicht besonders kritisch dargestellt. Es ist ein Buch für Zugewandte.
Die Biografie geht zunächst chronologisch vor, beginnend bei der Kindheit, die Barbara Stamm – behütet – in einer Pflegefamilie verbrachte. Bis zu dem Tag, als eine fremde Frau da stand und das achtjährige Mädchen mitnahm. Fortan lebte Stamm mit ihrer gehörlosen Mutter und dem gewalttätigen Stiefvater zusammen, unterbrochen von Aufenthalten im Heim, wo sie die Geborgenheit fand, die daheim fehlte. Sie machte eine Ausbildung zur Erzieherin, leitete später ein Kinderheim, ihr Leben lang sollte sie sich um die Schwachen in der Gesellschaft kümmern.
Die Gleichberechtigung war auch ein großes Thema für Stamm, „sie war ein wegweisendes Role Model für Frauen in der Politik“, sagte die Autorin. Die politische Karriere wird ausführlich dargestellt, ihre Erfolge in der Sozialpolitik, außerdem gibt es Kapitel über ein paar besondere Aspekte im Leben von Barbara Stamm, ihre Beziehung zur Fastnacht in Franken, die Bedeutung von Familie und Freunden oder die Rolle des Glaubens. Auch die Krankheit wird nicht ausgespart, lange genug musste Stamm damit leben.
Claudia Stamm, Tochter und ehemalige Grünen-Abgeordnete, würdigte ihre Mutter als leidenschaftliche Politikerin, die bis zum Schluss lernbereit gewesen sei. Immer wieder habe sie sich überzeugen lassen und dann auch neue Standpunkte vertreten. Bei der Frauenquote etwa, die sie früher abgelehnt und später vehement eingefordert hatte.
Und dann erzählte Claudia Stamm noch etwas, was vielleicht nicht alle im Senatssaal schon wussten: Dass Barbara Stamm früher auch eine leidenschaftliche Stadiongängerin gewesen sei – auch beim FC Bayern, worüber sie später nicht mehr so gerne gesprochen habe. Alles steht dann eben doch nicht in der Biografie.
Daniela Neri-Ultsch: Barbara Stamm. Politikerin aus Leidenschaft für die Menschen. Echter Verlag Würzburg, 2024. 30 Euro.