Städtetipps Erlangen:Entdeckung der Langsamkeit

Hier ist der Schlosspark die Top-Sehenswürdigkeit - und nicht das Schloss selbst: Erlangen besticht vor allem durch Lebensgefühl und Gemütlichkeit. Nur einmal im Jahr ist es mit der Ruhe vorbei.

SZ-Korrespondent Olaf Przybilla

Städtereisende wollen vieles erleben, am besten aber Orte entdecken, die nicht in jedem Reiseführer oder jeder App zu finden sind. Wer könnte besser durch die Stadt führen als jemand, der dort wohnt oder zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Süddeutsche.de hat Korrespondenten in deutschen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Olaf Przybilla sagt Ihnen, welcher Platz in Erlangen besonders sehenswert ist, welche Wortspiele mit dem Namen der Stadt Sie kennen sollten - und wo Sie über Hermann Hesse und Martin Heidegger ins Gespräch kommen.

Was macht Erlangen als Stadt aus?

Vielleicht die Vermutung, dass es sich bei Erlangen gar nicht wirklich um eine Stadt handelt, im engeren Sinne. Sondern eher um ein hübsch bunt und lebendig geratenes Universitätsdorf. Aber eben eines mit mehr als 100.000 Einwohnern. Nicht das Schlechteste übrigens.

Diese Sehenswürdigkeit dürfen Sie nicht verpassen:

Erlangen, Pressefoto, Schlosspark

Unaufgeregt: der Schlosspark in Erlangen.

(Foto: Sabine Ismaier)

Um Sehenswürdigkeiten geht es nicht in Erlangen. Es geht mehr um Lebensgefühl: Und diesem sehr speziellen von Erlangen - alles so schön unaufgeregt hier - setzt man sich am besten im Schlosspark aus. Davor steht übrigens tatsächlich ein Schloss, wie der Name schon ahnen lässt. Aber in Erlangen ist eben ganz grundsätzlich der Park das Ereignis, nicht das Schloss.

Was ist noch sehenswerter - doch nur wenige Urlauber wissen davon?

In Erlangen ist nichts sehenswerter als der Schlosspark. Am besten zu Zeiten des Poetenfestes. Dann ist möglicherweise sogar im Rest des Landes gerade kein Platz besser als eben der im Schlosspark zu Erlangen, möglichst auf einer mitgebrachten Liegegelegenheit. Aber das ist natürlich Geschmackssache.

Den schönsten Blick über Erlangen hat man ...

... vom obersten Stockwerk des Rathauses aus, wo man nebenbei den unschätzbaren Vorteil genießt, besagtes Rathaus nicht auch noch sehen zu müssen. Wenn ein Haus sich schämen könnte, dann dieses Rathaus... aber lassen wir das.

Das können Sie sich in Erlangen sparen:

254. Erlanger Bergkirchweih eröffnet

Dirndl und Landhausmode wird auch auf der Bergkirchweih in Erlangen getragen.

(Foto: dpa)

Den Berg. Wer unbedingt einem Millionenpublikum bei der Vernichtung alkoholischer Kaltgetränke beiwohnen will, der möge sich bei nächstbester Gelegenheit unter die Bavaria in München stellen. Dirndl und Landhausmode wirken dort auch irgendwie angemessener als ausgerechnet in Erlangen. Aber ehe jetzt gleich wilde Proteste kommen: Ja, wer an einem Hang unter Bäumen dem Fassbier zusprechen mag, ist in Erlangen normalerweise bestens aufgehoben. Aber die Keller an diesem Hügel sind in der Zeit, wo dort nicht gerade dieses Volksfest namens "Bergkirchweih" ausgetragen wird, auf jeden Fall wesentlich ansprechender zu genießen als in den Berg-Zeiten. Das sehen zwar mehr als eine Million Bergpilger jedes Jahr völlig anders - aber was heißt das schon?

Transport, Essen und Trinken

Hier finden Sie Olaf Przybillas Empfehlungen für Essen und Trinken, für den kleinen Hunger zwischendurch und für Ihren Weg durch die Stadt.

So kommen Sie durch die Stadt:

Mit dem Dreirad, mit dem Leiterwagen, zu Fuß, einfach irgendwie. Das, was man in Erlangen Stadtkern nennen könnte, ist ebenso puppenstubenmäßig schön wie überschaubar. Auf Straßenbahnen hat Erlangen deshalb verzichtet. Und vielleicht gibt es deswegen nun erhebliche Proteste gegen das Vorhaben, ins nahe Nürnberg eine Straßenbahn zu bauen. Straßenbahn? Ist das nicht dieses Teufelszeug auf Schienen, das im Vorbeifahren förmlich die Luft zerfetzt?

Damit sollten Sie unbedingt fahren:

Mit diesem Gefährt, das sich Eil-Bus nennt, und Erlangen mit Nürnberg verbindet. Man wird Sten Nadolnys Entdeckung der Langsamkeit anschließend mit ganz neuen Augen lesen.

Wenn Sie hungrig sind, probieren Sie unbedingt:

"Vier im Weckla" auf dem Erlanger Marktplatz. Weiß der Kuckuck, warum sie in Erlangen dort vier statt drei kleine Würstchen verkaufen. Ist aber auch, Verzeihung, Wurscht: Senf drauf, passt.

Das schönste Café:

Heißt Erlanger Teehaus (Friedrichstraße 14), wobei schön eigentlich nicht das richtige Wort dafür ist. Es ist eher so, dass Studentengenerationen diesen verklärten Blick bekommen, weil sie dort ihren ersten Apfeltee getrunken und mit Hermann Hesse ins Gespräch gekommen, quatsch, über Hesse ins Gespräch gekommen sind. Könnte auch Heidegger gewesen sein oder Ohm oder Freud oder Augustinus, je nach Fakultät eben. Mag sein, dass der eine oder andere den Laden für zu parfümiert hält, aber sei's drum. So waren sie halt, die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Großartig.

Das beste Restaurant:

Wahrlich nicht das beste, aber viel besser: das klassischste. Das Kaiser Wilhelm in der Fichtestraße 2. Weil: Wenn man Siemensianer ist, geht man ohnehin nicht mehr so viel aus dem Haus in Erlangen. Und als Tourist will man ja dann doch wohl sehen, wo sie sich in den vergangenen Jahrhunderten so tummelten, die Herren und Damen Universitätsauszubildenden. Currywurst und Konsorten sollte man dort allerdings schon irgendwie mögen. Und für diejenigen, die sich dann aus dem Stegreif doch nicht so richtig auf "good old Örlängen" einlassen wollen: Gleich nebenan ist das Lorleberg (Lorlebergplatz 1) - das ist auch studentisch, aber richtig hübsch und viel mehr als eine "Diesen-Kaiser-Wilhelm-nehm-ich-nicht"-Verlegenheitslösung. Ein paar Nudeln, gerne auch im Biergarten - das ist Erlangen.

Der Imbiss für unterwegs:

Erlangen, Pressefoto, Café Mengin

Einen Besuch wert: das Café Mengin am Schlossplatz.

(Foto: Christian Frank)

Irgendwas Handgebackenes aus dem Café Mengin, Schlossplatz 5. Sinnvollerweise aber vor der Frühlingsdiät.

Nachtleben und Kniggefragen

Wo der Abend im Nachtleben von Erlangen beginnt, wie es weitergeht und wo Sie den Sonnenaufgang am Schönsten erleben.

Typisch für das Nachtleben in dieser Stadt ist ...

... dass sich dessen schönerer Teil inzwischen sehr praktisch rund um das Stadttheater konzentriert.

BAYERISCHE THEATERTAGE IN ERLANGEN

Das Nachtleben in Erlangen konzentriert sich größtenteils um das Stadttheater herum.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Hier beginnt der Abend:

Natürlich in Habib Bektas' Theatercafé in der Theaterstraße 5, das sich diese Adresse mit dem Theater in der Garage teilt. Möglicherweise ist der Gründer des Hauses, der Schriftsteller Habib Bektas eben, dort selbst zugegen. Möglicherweise schreibt er aber auch und lässt deshalb inzwischen mal andere ran. Aber egal wie: Wer nicht im Theatercafé war, war nicht in Erlangen. Und wer nicht im Theatercafé während des Poetenfestes war, der mag möglicherweise einfach angenehme Örtlichkeiten nicht. Kann ja sein.

Dann ziehen Sie weiter ins:

Einfach in die Kulisse, gleich gegenüber. In der Theaterstraße 8. Wie gesagt: Es ist schon alles verdammt nah beieinander in Erlangen. Fluch und Segen dieser Stadt.

Hier wollen alle rein:

In die Kulisse oder ins Theatercafé. Oder erwähnte man das bereits?

Dabei ist es hier viel besser:

Naja, das Problem ist: Viel besser ist es in Erlangen eben kaum irgendwo, muss es aber auch nicht sein, wenn man in einem der beiden einen Platz bekommen hat.

Dies ist der beste Platz für den Sonnenaufgang:

In einem der Türme der Philosophischen Fakultät. Die sind so scheußlich, dass man beinahe schon Rührung empfinden möchte. Aber der Blick hinaus: alle Achtung! Wie man das allerdings mit dem Sonnenaufgang hinbekommt, kann hier leider nicht im Detail erörtert werden. Vielleicht einfach mal beim Hausmeister fragen?

Mit diesem Satz kommen Sie hier gut an:

"Suchen wir nicht alle das Himmelreich zu erlangen?" (Und dann so tun, als ob Sie das letzte Wort selbstverständlich großschreiben würden!)

Darüber spricht man in Erlangen:

Früher! Da hadd'n die Studenten hier fei noch Berchferien, eine Woche lang. Und des midden im Semester. Naja, des is' hald alles nimmer so.

Vorsicht, Fettnäpfchen!

Warum heißt denn Euer formvollendetes Fest hier an diesem putzigen Hügelchen: "Berg"?

ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein stammt aus Erlangen. Was sie über ihre Heimatstadt denkt, sagt sie im Fragebogen von Süddeutsche.de

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