Städtetagspräsident Ulrich Maly:"Wir geben mehr Geld aus, als wir einnehmen"

Er ist eloquent und selbstbewusst - und der neue Präsident des Bayerischen Städtetags. Ulrich Maly über seinen Ratschlag für München-OB Ude - und ob auf Ministerpräsident Horst Seehofer Verlass ist.

B. Kruse, F. Müller und C. Sebald

Ulrich Maly ist ein Erfolgsmensch, wie die bayerische SPD kaum welche hat. Gerade mal 50, eloquent, charmant, selbstbewusst und seit neun Jahren Oberbürgermeister von Nürnberg. Seit Donnerstag ist Maly nun auch Vorsitzender des bayerischen Städtetags.

Sitzung des Bayerischen Städtetages - Ulrich Maly

Ulrich Maly: "Die Finanzen bleiben das überragende Thema. Unser Hauptproblem ist, dass wir mehr Geld ausgeben, als wir einnehmen. Wir investieren zu wenig."

(Foto: dpa)

Sie sind nach 36 Jahren der erste SPD-Mann an der Spitze des bayerischen Städtetags. Rollt die SPD jetzt die CSU von unten, von den Kommunen her, auf?

Nein, ich bin ja nicht Vorsitzender des Städtetags geworden, weil ich im SPD-Landesvorstand sitze, sondern wegen meiner kommunalpolitischen Tätigkeit. Ich bin seit fast zehn Jahren OB von Nürnberg. Mein neues Amt hat wenig mit meinem Parteibuch zu tun.

Aber die Landes-SPD hat Ihnen überschwänglich gratuliert.

Ich hab denen eigentlich gesagt, sie sollen sich ein wenig zurückhalten.

In den Großstädten München und Nürnberg ist die SPD stark. Wieso ist sie auf Landesebene so schwach?

Einen Punkt hat der Münchner OB Christian Ude einmal offen angesprochen: Die Schwäche kommt von der Schwäche. Es gibt Teile Bayerns, wo für die SPD kein Kopf mehr steht, kein Gesicht. Und abstrakt, nur weil SPD plakatiert ist, fliegen dir keine Herzen zu. Dort wo die SPD Gesichter hat und auch zeigt, dort ist sie so schlecht nicht.

Und der andere Punkt?

Wir haben als Diaspora-SPD lange Zeit immer auch noch sehr linke Positionen vertreten, die in Bayern weit weg waren von der Lebensrealität. Wenn die SPD den Bayern, die ja eher zufrieden sind mit ihren Lebensumständen, permanent erklärt, wie schlecht es um sie steht, kann das für die Partei nicht gutgehen. Das hat sich aber geändert.

Was soll die SPD tun?

Ich rate den SPD-Leuten im Landtag immer zu mehr "außerparlamentarischer Opposition". Sicher, man kann im Landtag große Reden schwingen und dann vielleicht fünf Zeilen in der SZ kriegen oder ein paar Sekunden im Rundfunk. Aber die Abstimmungen verliert man dann doch, weil man die immer verliert. Deshalb ist es besser, mehr raus zu gehen und Gesicht zu zeigen.

Als Städtetagschef haben Sie es mit einer schwarz-gelben Regierung zu tun. Ist da das SPD-Parteibuch ein Nachteil?

Das könnte schon sein, zumindest anfangs. Ich will aber dick unterstreichen: Die Argumente und die Kritik, die ich bringen werde, sind nicht die Argumente und die Kritik eines SPD-Politikers an der CSU, sondern die Argumente und die Kritik eines Kommunalpolitikers an der Staatsregierung. Das wird für viele ein Umgewöhnungsprozess.

Ist auf Horst Seehofer Verlass?

Wie ist Ihr Draht zu Horst Seehofer?

Wenn es nötig ist, ist Seehofer da. Er ist sehr professionell, sehr sachlich. Natürlich war die Interimszeit mit einem Ministerpräsidenten Beckstein anders, weil der Nürnberger ist. Aber auch mit Seehofer hat sich das sehr gut entwickelt.

Ist auf Seehofer Verlass? Oft bestreiten das ja sogar seine Parteifreunde.

Unsere Erfahrungen im Städtetag sind gut. Sein Versprechen, uns im Kampf um die Gewerbesteuer zu unterstützen, hat er gehalten, ohne Wenn und Aber. Das gilt auch für seine Ankündigung, sich dafür einzusetzen, dass wir Kommunen von Sozialausgaben entlastet werden.

Die Entlastung wird nicht reichen, das größte Problem der Kommunen ist und bleibt ihre Finanznot. Wie kann man die Lage weiter konsolidieren?

Die Finanzen bleiben das überragende Thema. Unser Hauptproblem ist, dass wir mehr Geld ausgeben, als wir einnehmen. Wir investieren zu wenig. Andererseits können wir nicht einfach sparen und die Standards für die Bevölkerung absenken. Was können wir tun? Die Kommunen brauchen mehr Steuereinnahmen, und sie brauchen weitere Entlastungen bei den Sozialausgaben.

Das ist alles nicht neu.

Gewiss, aber das ist kein Grund, es nicht weiter zu fordern.

In welchen Punkten müssen die Städte an sich arbeiten?

Wir müssen unsere Verwaltungen vereinfachen. Gerade größere Verwaltungen haben sich stark arbeitsteilig entwickelt. Die Bürger müssen nun mit einem Problem zu vielen verschiedenen Stellen laufen. Außerdem verursacht die Arbeitsteilung hohe Kosten. Da handeln kleinere Kommunen oft sehr viel vorteilhafter.

Die Staatsregierung will die Energiewende bis 2022 schaffen. Ohne die Kommunen geht das nicht. Was fordern Sie?

Ein Problem ist die Bundesnetzagentur, die uns unter Druck setzt, damit wir die Kosten für unsere Leitungsnetze senken. Statt zu sparen, müssen wir investieren. Da brauchen wir Unterstützung.

Auch bei den Gaskraftwerken, die die Atomkraftwerke ersetzen sollen?

Das Problem ist, dass sie nicht wirtschaftlich sein werden, weil sie halt nicht Volllast laufen, sondern nur, wenn kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Ohne Förderung werden wir die Gaskraftwerke nicht bauen können.

Große Hürden also. Und dann regt sich sofort Protest, wenn die Bürger merken, dass vor ihrer Haustür gebaut wird. Hat die Politik die Wutbürger unterschätzt?

Nein, wir unterschätzen die Bürger nicht, wir schätzen sie. Aber wir müssen anders mit ihnen umgehen. Wir müssen die Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten verbessern. Ich habe mir vorgenommen, dass es in Nürnberg, möglichst nie einen Bürgerentscheid gibt. Dass wir eine solche Polarisierung der Bevölkerung nicht aufkommen lassen - durch Dialog und Beteiligung.

Nimmt die Politik die Bürger zu wenig ernst?

Das habe ich nicht gesagt. Wir müssen aus Stuttgart 21 lernen, dass es ein Weiter-so nicht geben darf. Aber meine Lösung ist nicht, dass nun Schlichter die Probleme lösen. Da ist die repräsentative Demokratie selbst gefragt, auch dadurch, dass man frühzeitig genau hinhört. Da bin ich beim alten Franz Josef Strauß: Es gibt einen Unterschied zwischen: dem Volk aufs Maul schauen und ihm nach dem Mund reden.

Jetzt müssen Sie aus der zweiten Reihe Ihren Weg finden, ist das schwer hinter dem kommunalen Übervater Ude?

Christian Ude ist keiner, der jemals einen Alleinvertretungsanspruch geltend gemacht hätte. Mir geht es auch nicht darum, mich persönlich zu profilieren. Außerdem sind wir uns meistens einig. Oft müssen wir uns nicht einmal absprechen.

Würden Sie Ude doch noch den Sprung in die Landespolitik empfehlen?

Ich gebe keine Karriereempfehlungen. Aber ich würde ihm raten, ab 2014 lieber Mykonos statt Maximilianeum in Erwägung zu ziehen. Das hat er sich verdient. Seine Lebensleistung ist auch so groß genug für die Geschichtsbücher. Landespolitik als Austragsstüberl - das passt nicht zu ihm.

Einmal Bürgermeister, immer Bürgermeister?

Landespolitik ist ja nicht die Beförderung aus der Kommunalpolitik. Wir arbeiten in der gleichen Branche und doch auf unterschiedlichen Gebieten. Wer als Kommunaler den Drang über die eigene Stadt hinaus verspürt, der findet ja im Städtetag zum Beispiel sein Feld.

Dann haben Sie Ihr Lebensziel ja schon erreicht.

Ich werde im Kommunalen bleiben. Wenn Sie mich aber nach meinem Lebensziel fragen, ist das ein möglichst langer Ruhestand mit meiner Gattin und nicht irgendetwas Politisches. Ich habe mein Verfallsdatum in der Politik auf einen Zettel geschrieben, der liegt Zuhause in einem Umschlag im Schrank. Aber das werde ich Ihnen jetzt nicht sagen.

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