Mit der Zeit hat sich schon der Heilige Augustinus herumgeschlagen. Der Kirchenvater hat in seinen berühmten „Bekenntnissen“ unter anderem eingestanden, er wisse schon, was Zeit ist, solange ihn keiner danach fragt. Aber wann immer er es erklären solle, dann wisse er es nicht. Viel klarer ist die Sache seither leider nicht geworden. Vergeht die Zeit, weil sich was ereignet? Oder ereignet sich schon was, nur weil die Zeit vergeht? Und: Geschieht eigentlich nachts am Stadtplatz von Neumarkt-St.Veit wirklich genug, damit überhaupt irgendwann ein neuer Tag anbricht?
Bisher verging die Zeit dort immerhin viertelstundenweise, aber auch das ist nun Vergangenheit. Die Kirchturmuhr von St. Johann ist jetzt jedenfalls nicht mehr zu hören, seit sich ein paar Anwohner über den angeblichen Glockenlärm beschwert haben.

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In solchen Fällen läuten im ländlichen Bayern stattdessen schnell die sogenannten Alarmglocken. In Neumarkt-St.Veit im Landkreis Mühldorf bleibt es aber bisher so ruhig wie nachts am Stadtplatz. Bloß ein paar traurige Zeilen im Kirchenanzeiger des katholischen Pfarrverbands geben Einblick: „Nach Beschwerden einzelner Anlieger darf der Stundenschlag der Turmuhr von St. Johann nun nachts nicht mehr sein“, steht da. Von 22 Uhr bis 6 Uhr gebe es deswegen „kein Glockenzeichen mehr zu den Viertelstunden“. Dabei hatte die Kirchenverwaltung im November eigens einen zuvor offenbar „recht harten“ Anschlaghammer des ganzen Geläuts so ändern lassen, dass den Neumarktern ihr Viertelstündchen an St. Johann ein bisschen leiser geschlagen hatte. Und drüben am Stift schlägt sowieso St. Veit.
Das mit dem leiseren Schlagwerk hatte man vor zwei Jahren in Eschenlohe bei Garmisch-Partenkirchen ganz ähnlich gemacht. Dort aber mit Erfolg, denn außer sehr sanften Viertelstundenschlägen war aus Eschenlohe seither nicht mehr viel zu hören, obwohl zwei Anwohner zuvor sogar den gesamten Gemeinderat angezeigt hatten.
In Neumarkt-St.Veit haben sie gar keinen Gemeinderat. Sondern selbstverständlich einen Stadtrat, der sich am Donnerstag unter Tagesordnungspunkt 3 mit der Sache befassen wird. Punkt 4 sind dann übrigens schon die Bekanntgaben, weshalb die öffentliche Sitzung sicherlich bis 22 Uhr zu Ende sein wird. Danach werden am Stadtplatz die Glocken nicht mehr läuten und die Zeit bleibt stehen.