Metropolregion Nürnberg:Frankenbahn auf der langen Bank

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Erste Ideen, Erlangen und Nürnberg per Straßenbahn zu verbinden, gehen auf das Jahr 1911 zurück. Seit den frühen Neunzigerjahren wurden die Pläne konkret. (Foto: Stadt Erlangen)

Die Kosten für den Ausbau der Münchner S-Bahn explodieren. Hat das womöglich auch Folgen für ein seit Jahrzehnten geplantes Vorzeigeprojekt in Nordbayern? Eine Über-Land-Straßenbahn soll Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach verbinden.

Von Klaus Ott und Olaf Przybilla, Nürnberg

Was da in Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach geplant ist, um die drei Städte per Schiene miteinander zu verbinden, wirkt wie ein Gegenentwurf zur Landeshauptstadt München. Das Projekt stehe auf "solider Basis", lautet die fränkische Eigenwerbung. Man habe die Finanzierung "immer im Blick". Gemeint ist die StUB, die Stadt-Umland-Bahn, die 26 Kilometer lang werden und mit ihren 30 Stationen unter anderem Schulen, Hochschulen und große Unternehmen per Tram an den öffentlichen Nahverkehr anschließen soll. Als überörtliche Straßenbahn, die bis hin zu Weltkonzernen fährt.

Das mit der soliden Finanzierung haben sie in München bei der Staatsregierung auch immer gesagt. Ehe sich herausstellte, dass die zweite Stammstrecke der dortigen S-Bahn mehr als sieben Milliarden Euro kosten wird. Ursprünglich war mal von 700 Millionen Euro die Rede gewesen. Wie solide sind nun aber die fränkischen Zahlen? Die von den drei beteiligten Städten getragene StUB hat einen eigenen Auftritt im Internet. Und dort steht, das Projekte koste 428 Millionen Euro.

Im Bundesverkehrsministerium in Berlin, von dem das meiste Geld kommen soll, gibt es eine etwas andere Zahl: 643,4 Millionen Euro. Demnach wäre die StUB mit Mehrkosten in Höhe von gut 215 Millionen Euro anderthalb mal so teuer wie bislang angegeben. Das ist kein Kleingeld; aber auch kein Vergleich zu dem, was in München passiert. Die Berliner Zahl für die Frankenbahn stammt aus einem internen Papier des Bundesverkehrsministeriums, das "nicht zur Veröffentlichung vorgesehen" ist. Darin wird aufgelistet, welche Nahverkehrsprojekte in Deutschland von 2022 bis 2026 vom Bund finanziell gefördert werden sollen.

An der Relevanz dieses Verkehrsprojekts hegt Bürgermeister Hacker nicht den geringsten Zweifel

Für die StUB sind dem Dokument zufolge 475,39 Millionen Euro Zuschuss aus Berlin vorgesehen. Mit fast drei Viertel der Kosten ist das ein ziemlich großer Batzen. Außerdem soll noch Geld vom Freistaat fließen. Die Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach gehen davon aus, zusammen nur 78 Millionen aufbringen zu müssen. Die Mittel aus Berlin sollen allerdings erst später fließen. Bis einschließlich 2024 ist gar nichts vorgesehen; 2025 und 2026 sind es jeweils zwei Millionen Euro.

Und aufgelistet im Förderprogramm des Bundes ist die StUB mit der schlechtesten von drei Stufen, der Kategorie C. Die lautet: "bedingt" aufgenommen. B und A bedeuten: "vorläufig" beziehungsweise "endgültig" aufgenommen. Wird die drastische Kostensteigerung bei der S-Bahn in München womöglich zum Bremsklotz, womöglich gar Sargnagel des zentralen Schienenprojekts in der Metropolregion Nürnberg? Für Herzogenaurachs Bürgermeister German Hacker wäre das ein "Treppenwitz". Immerhin handele es sich bei der StUB um eines der größten Straßenbahnprojekte Deutschlands.

Auf der Schiene verbunden werden soll nicht nur die Halbmillionenstadt Nürnberg mit dem neuen Siemens-Campus im Süden Erlangens, den großen Standorten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Erlanger City samt Bahnhof. Mit den beiden Großstädten verbunden werden sollen auch die drei Weltkonzerne in Herzogenaurach, vor allem für Berufspendler: Adidas, Puma und Schaeffler. Würde die Relevanz eines solchen Verkehrsprojekts ernsthaft in Zweifel gezogen, so könnte er darüber nur den Kopf schütteln, sagt der Sozialdemokrat Hacker.

Immer der roten Linie entlang - sie zeigt den vorläufig geplanten Streckenverlauf der Stadt-Umland-Bahn. (Foto: SZ-Karte/Mapcreator.io/OSM; Quelle: Stadt-Umland-Bahn)

Den S-Bahn-Ausbau in München hält der Rathauschef von Herzogenaurach schon auch für wichtig. Wenn es in Diskussionen darum gehe, habe er sich aber angewöhnt, nicht mehr von den dort benötigten Milliarden zu sprechen. Sondern von den Tausenden Millionen - das mache den Vergleichsmaßstab zur geplanten Bahn in Franken sprachlich etwas deutlicher, findet Hacker. Er kann sich noch daran erinnern, dass für die Stammstrecke in der Landeshauptstadt mal von "2000 Millionen die Rede" war; dann von "knapp 4000 Millionen" - und inzwischen sei man bekanntlich bei mindestens 7000 Millionen angelangt. Die Reaktion darauf im Süden Bayerns finde er grundsätzlich sympathisch: "Wurscht - wir brauchen das, also macht es!"

In Franken? Seit ersten Plänen in den Neunzigerjahren, seit vor mehr als 20 Jahren eine Projektgruppe für eine Tramverbindung gebildet wurde und dann spätestens seit einer Machbarkeitsstudie 2012 werde immer wieder aufs Heftigste über Kostensteigerungen debattiert. Was Hacker grundsätzlich als richtig betrachtet. Manchmal aber bedrücke es ihn schon, wenn es über ein seit Jahrzehnten ins Auge gefasstes Projekt, das in einer Metropolregion Pendler von der Straße auf die Schiene bringen soll, seitenweise kritische Leserbriefe in der lokalen Presse zu lesen sind. Und natürlich ist dort einer der wesentlichen Kritikpunkte: Was das alles kosten soll!

Die drei Städte gehen aber davon aus, dass Bund und Land den allergrößten Teil der Kosten übernehmen. Ist das jetzt in Gefahr, angesichts des Milliardendesasters in München? Dass jeder Euro immer nur einmal ausgegeben werden kann, das weiß auch Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD). Er pocht aber auf ganz klare "Finanzierungszusagen" - und gibt sich vorerst tiefenentspannt. Die StUB gelte als Vorhaben mit exzellenter "Verkehrswirkung". Auch wenn der Gegenwind in der Region - etwa wegen der ökologisch heiklen Querung des Regnitzgrundes - nicht gering ist. In Fachkreisen gelte die StUB weiter als Vorzeigeprojekt für den Umstieg vom Auto auf die Schiene, sagt Janik. Signale, dass sich das wegen der aus dem Ruder laufenden Kosten in der Landeshauptstadt ändern könnte, habe er bislang jedenfalls nicht. Man sei aber auf der Hut, das schon.

Dass in den Jahren 2025 und 2026 vom Bund jeweils nur zwei Millionen Euro für die StUB kommen sollen, lässt bei Hacker und Janik die Alarmglocken noch nicht akut schrillen. Der Bürgermeister von Herzogenaurach führt das darauf zurück, dass die großen Ausgaben für die Frankentram erst danach anfielen. Im aktuellen Zeitplan ist der Baubeginn für Mitte des Jahrzehnts vorgesehen. So steht es auf der Homepage des Zweckverbands StUB, in dem sich Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach zusammengetan haben.

Beim Zweckverband ist man optimistisch, dass das Geld für die StUB schon fließen wird

Vor dem Baubeginn muss der Zweckverband aber erst das Baurecht bekommen, was angesichts einer neuen Trasse quer durch Erlangen keine triviale Aufgabe ist und äußerst zeitaufwendig werden dürfte. Zumal vor allem in Erlangen manche Kritiker inzwischen auf Alternativen zur lang geplanten Tramtrasse hoffen, auf Elektro-Busse etwa. Die eher lose Zeitvorgabe für den Baubeginn dürfte also ihre Gründe haben.

Dass große Verkehrsprojekte im Süden und Norden des Freistaats sich grundsätzlich "Konkurrenz" machen könnten, das haben Hacker und Janik allerdings schon auf dem Schirm. Sollten die hohen Kosten für die neuen S-Bahn-Tunnel in München der StUB tatsächlich noch in die Quere kommen, würde nicht zuletzt die Stadt Nürnberg in die Röhre schauen. Dort ist man längst in Vorleistung getreten, hat eine Straßenbahnlinie auf einer neuen Trasse zur Station "Am Wegfeld" im nördlichen Zipfel der Stadt geführt. Der Endpunkt liegt mitten im eher dünn besiedelten Knoblauchsland, in Blickweite zum Flughafen. Die Haltestelle dort, die später Teil der StUB werden soll, dient momentan zum Umstieg auf Busse nach Erlangen.

Sobald Herzogenaurach und Erlangen mit ihrer Trasse ebenfalls fertig sind, soll man vom Nürnberger "Plärrer" - einer zentralen Verkehrsdrehscheibe - über besagtes "Wegfeld" direkt zum neuen Siemens-Campus oder in die Erlanger City fahren können, ohne Umstieg. Und wenn das metropolitäre Großprojekt nun doch noch lahmt, gar zum Erliegen kommen sollte? Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) ist seit anderthalb Jahren Vorsitzender des Zweckverbands, die Furcht treibt ihn trotz immenser Kostensteigerungen in München nicht um. Am Freitagvormittag erst habe er bei Ministerpräsident und Parteifreund Markus Söder angefragt, berichtet König: "Es ist nichts zu hören, dass wir das Nachsehen haben." Man sei eben immer noch in der Planungsphase, "bei uns fahren noch keine Bagger rum". Sobald es so weit ist, werde das Geld schon fließen.

Jedenfalls könne man nicht sagen: "In München bauen wir eine zweite Stammstrecke und der Rest Bayerns bleibt auf der Strecke", findet König. Sorgen mache er sich eher anderweitig. Sobald die Details bekannt werden, wo exakt die Tram quer durch Erlangen fahren soll, dürfte der Universitätsstadt noch ein Bürgerbegehren ins Haus stehen. Wer die Leserbriefspalten in der lokalen Presse verfolgt, muss davon ausgehen, dass ein solches kein Selbstläufer pro StUB werden wird.

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