Staatsregierung:Der Zuarbeiter

CSU Augsburg

Johannes Hintersberger (rechts) mit Horst Seehofer beim Bezirksparteitag der CSU Augsburg. Er wurde mit 87 Prozent wieder zum Chef gewählt.

(Foto: Stefan Puchner)

Fleißig, zuverlässig, loyal - und ein wenig steif: Müsste man einen Staatssekretär erfinden, so käme vermutlich Johannes Hintersberger dabei heraus

Von Stefan Mayr, Augsburg

Es ist eine massive Umstellung, die Staatssekretär Johannes Hintersberger da bewältigen muss. Bis 30. Juni brachte er auf seinen Dienstreisen den Bürgermeistern und Wählern fast immer Geld oder zumindest gute Nachrichten aus dem Finanzministerium mit. Jetzt, nach seinem Wechsel ins Sozialministerium, hat er meistens Flüchtlinge im Gepäck. In Sachen Popularität ist das ein Rückschlag. Jeder karrierebewusste Kollege empfände das sicherlich als Degradierung. Hintersberger nicht. Er nimmt die Versetzung ohne Murren hin. Er empfindet es als "Ehre, diese in der Tat nicht einfache, aber wichtige Aufgabe erfüllen zu dürfen". So spricht er, und so denkt er tatsächlich. Seine Ambition ist es, keine Ambition zu haben.

Johannes Hintersberger, 61, verheiratet, katholisch, fünf Kinder, fünf Enkel, Leibspeise: Sulz mit Bratkartoffeln. Wollte man für einen Fernsehfilm - sagen wir "Dahoam is Dahoam" - die Rolle eines Staatssekretärs besetzen, Hintersberger hätte beste Chancen. Bei ihm liegt die Betonung allerdings mehr auf "Sekretär" als auf "Staat", insofern ist er nicht der typischste seiner Art. So ein Staatssekretär steht ja zwangsläufig immer im Schatten seines Ministers oder seiner Ministerin, aber manche drängeln trotzdem mehr oder weniger aggressiv nach vorne. Fast alle versuchen, diese Zeit zu nutzen, um ihren nächsten Satz mit dem Karriere-Sprungbrett vorzubereiten. Hintersberger ist anders. Der geborene Zuarbeiter und Wegschaffer. Er fällt allenfalls durch maximale Unauffälligkeit auf. Keine Ambitionen, keine Visionen. Aber er ist extrem fleißig und zuverlässig, loyal und nett, ja sogar gutmütig. So sagen es sowohl CSU-Kollegen als auch politische Gegner.

Gutmütig? Kann es ein gutmütiger Mann in der CSU wirklich bis zum Staatssekretär und Bezirksvorsitzenden schaffen? "Er kann schon auch mal lauter werden", sagt der Augsburger CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich, "aber bis es so weit kommt, muss schon sehr viel passieren."

Hintersberger ist seit 2003 im Landtag und seit 2013 Staatssekretär. Nach seiner überraschenden Berufung ins Kabinett war seine erste Ansage: "Ich bleibe der bodenständige Lechhauser, wie es mir gerade mein Vater vorgelebt hat." Dieses Versprechen hat er zweifellos eingelöst. Er arbeitet im Hintergrund die Akten durch, fährt zu jenen Terminen, die der Minister nicht machen will. Große Schlagzeilen machte er noch nie. Am meisten blieb einer seiner ersten Auftritte als Staatssekretär im Augsburger Vorort Stadtbergen haften; Damals schrieb er ins Goldene Buch der Marktgemeinde: "Mein erster offizeler (sic!) Besuch einer bayerischen Stadt darf ich in Stadtbergen vornehmen. (. . .) Weiter ein gute Entwicklung wünscht Johannes Hintersberger." Vier Fehler in sechs Zeilen, nicht schlecht für einen examinierten Germanisten. Hintersberger fuhr nochmals nach Stadtbergen und korrigierte seinen Eintrag eigenhändig: "Fehler gemacht, erkannt, verbessert. Kein Mensch ist perfekt (Gott sei Dank!)"

So wie er damals schrieb, so spricht er auch. Seine Spezialität sind staatstragend daherkommende Schachtelsätze, konsequent ohne Rücksicht auf grammatikalische und rhetorische Regeln vorgetragen. Viele Sätze versanden im Nirwana. Immerhin weiß man danach fast immer, was er gemeint hat. Aber druckreif ist es nie.

Wirklich geschadet haben Hintersberger diese Schwächen nicht. Er weiß, dass für ihn das Amt des Staatssekretärs das Höchste des Erreichbaren ist. Und er weiß, dass seine Bodenständigkeit sein Kapital ist. Seine Wahlkämpfe bestreitet er unter dem Motto "Politik im Biergarten". Er ratscht dann mit den Leuten über Gott (er ist praktizierender Katholik), den FC Augsburg (da ist er Aufsichtsrat) und die Welt. Dabei ist er ganz schnell per Du. Auch in Interviews streut er oft ein kumpelhaft-schwäbisches "verstehsch" oder "woisch" ein. Bei den Bürgern kommt das alles gut an.

Bei den Politiker-Kollegen wird er ebenfalls geschätzt. "Er ist ein ehrlicher, geradliniger, charakterfester Mensch", lobte ihn Ministerpräsident Horst Seehofer am Dienstag beim Bezirksparteitag der CSU Augsburg. "Der kann's und man kann ihm auch vertrauen." Die CSU-ler bestätigten dies mit rhythmischem Klatschen. Dann wählten sie Hintersberger mit 87 Prozent der Stimmen zum Bezirkschef.

Diesen Posten hatte er 2011 übernommen, damals war der kleinste CSU-Bezirksverband auch der zerstrittenste. Hintersberger ist das Kunststück gelungen, den Verband weitgehend zu befrieden. Sehr zu Seehofers Zufriedenheit, der die CSU Augsburg lange Zeit nur als Schlichter in höchster Not besuchte. Jetzt erklärt er Augsburg zur "problemlosen Zone". Dies ist wohl auch einer Qualität Hintersbergers zu verdanken: Als Konsensfinder und Deeskalierer steckt er so manchen profilierten Kabinettskollegen in die Tasche.

Im Sozialministerium muss Hintersberger jetzt auch Ministerin Emilia Müller vertreten, die mit ihrem Beckenringbruch im Bett bleiben muss. Es gibt Leute in der CSU, die bezeichnen seine Versetzung als Warnschuss an Müller und ihr Haus. Es werde jetzt Zeit, die Asylprobleme in den Griff zu bekommen. So mancher Kollege würde sich jetzt als "Feuerwehrmann" bezeichnen. Johannes Hintersberger sagt: "Frau Müller führt nach wie vor die Geschäfte."

Am Mittwoch wurde Hintersberger offiziell aus dem Finanzministerium verabschiedet. Es gibt Mitarbeiter, die das prestigeträchtige Ministerium verlassen, um mit ihm ins Sozialministerium zu wechseln. Auch das spricht für ihn.

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