Sprachen in der EU:Volksmusikarchiv wehrt sich gegen Englisch

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Kompliziert und auf Englisch: Mit solchen EU-Dokumenten hat nicht nur das Volksmusikarchiv zu kämpfen. (Foto: Robert Haas)

Eigentlich möchten sie nur ihr regionales Liedgut bewahren. Bei einer Befragung zum Urheberrecht durch die EU stößt das bayerische Volksmusikarchiv an die Grenzen seiner Englischkenntnisse - und holt sich Hilfe im Bundestag.

Von Robert Roßmann

In einer Woche ist Europawahl. In diesen Tagen tingeln deshalb wieder Hunderte Politiker durchs Land, um auf Wahlkampf-Veranstaltungen nicht nur für ihre Parteien, sondern auch für die europäische Idee zu werben. Dass es Brüssel einem im Alltag aber nicht immer einfach macht, in den Chor der europäischen Visionäre einzustimmen, zeigt ein Beispiel aus Oberbayern.

Das Volksmusikarchiv des Bezirks kümmert sich mit Akribie um die Sammlung des regionalen Liedguts. Dazu gehört nach Auffassung seines Leiters Ernst Schusser auch der Schutz der Volksmusik "vor ungerechtfertigter Geschäftemacherei, zum Beispiel durch Mitglieder der Gema oder durch Verlage". Mit dem deutschen Urheberrecht ist Schusser in dieser Hinsicht ganz zufrieden. In der Europäischen Union wird allerdings gerade eine Anpassung der unterschiedlichen nationalen Urheberrechte diskutiert. Das Archiv befürchtet, dass dadurch das für die "Volksmusik sehr passende deutsche Urheberrecht zu Schaden kommt".

Archiv-Chef Schusser hat jetzt ein Problem. Er darf sich zwar an einer Umfrage der EU zum Urheberrecht beteiligen. Er hat auch die Unterlagen zu der "Public Consultation on the review of the EU copyright rules" erhalten. Doch das Dokument gibt es nur auf Englisch. Die Fremdsprache beherrschen sie im Prinzip zwar auch im Volksmusikarchiv. Aber die Umfrage ist so kompliziert und von juristischen Fachbegriffen durchzogen, dass sich die Oberbayern überfordert sehen, adäquat zu antworten.

Das Archiv hat sich deshalb an Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer gewandt, der protestierte wegen des Vorgangs beim deutschen Botschafter bei der EU. Schließlich müssten eigentlich alle relevanten EU-Dokumente auch auf Deutsch vorliegen.

"Der Anteil der Texte, die ins Deutsche übersetzt werden, sinkt sogar"

Singhammer kämpft schon länger dafür, dass diese Regel in Brüssel auch eingehalten wird. "Der Anteil der Texte, die ins Deutsche übersetzt werden, sinkt sogar", klagt der CSU-Politiker. Zunehmend würden "Dokumente zu einfachen Arbeitsdokumenten deklariert, die nicht mehr aus dem Englischen übersetzt werden müssen". Das sei nicht akzeptabel, schließlich ginge es oft um wichtige Entscheidungen.

Der deutsche Botschafter hat Singhammer inzwischen geantwortet. In seinem Schreiben gesteht er ein, dass das "zentrale Konsultationsdokument" zum Urheberrecht, um das es in diesem Fall gehe, "offenbar nur in englischer Sprache verfasst worden" sei. Seine Vertretung werde daher "diesbezüglich mit der zuständigen Generaldirektion Kontakt aufnehmen", schreibt der Botschafter.

Das Beispiel mag vergleichsweise unbedeutend sein, für Singhammer ist es aber typisch. Er verweist darauf, dass SPD und Union sogar in ihrem Koalitionsvertrag verlangen, dass in den europäischen Institutionen Deutsch "auch in der Praxis den anderen beiden Verfahrenssprachen Englisch und Französisch gleichgestellt" wird. Singhammer geht es vor allem um EU-Dokumente, die für Beratungen im Bundestag notwendig sind.

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"Der Bundestag kann seine Mitwirkungsrechte nur wahrnehmen, wenn es autorisierte Übersetzungen gibt", sagt der Vizepräsident. "In der vergangenen Legislaturperiode haben die Ausschüsse des Bundestags etwa 50 Vorlagen nicht behandelt und nach Brüssel zurückgeschickt, weil sie nur in Englisch vorlagen." Was für den Bundestag gelte, müsse auch für das Volksmusikarchiv gelten, findet Singhammer. Denn die europäische Idee werde nicht vertieft, "wenn oberbayerische Volksmusiker Stellungnahmen in perfekten Oxford-Englisch ablegen müssen".

© SZ vom 17.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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