Süddeutsche Zeitung

Sprache und Dialekt:Hallo, Pfiati - und Tschüss

Kampf der Sprachkulturen: Eine Passauer Rektorin hat die Begrüßungsfloskeln "Tschüss" und "Hallo" aus ihrer Schule verbannt und eine alte Debatte entfacht. Denn über die korrekte Begrüßung streiten die Bayern seit jeher.

Hans Kratzer

Der Vorstoß der Passauer Rektorin Petra Seibert, die populären Grußwörter "Tschüss" und "Hallo" aus ihrer Schule zu verbannen, hat über Bayern hinaus erregte Debatten entfacht. Seibert hat diesen Schritt mit dem Argument begründet, Wörter wie Tschüss seien unhöflich. Gutes Benehmen aber sei die wichtigste Voraussetzung bei der Jobsuche. Gleichwohl musste die Rektorin jede Menge Kritik einstecken.

Tatsächlich ist das Tschüss eines der schillerndsten Reizwörter in dem von unzähligen Dialekten und Fremdsprachen durchtränkten bairischen Sprachraum. Gefördert durch Zuzug und Medieneinfluss hat sich das norddeutsche Grußwort seit den 70er Jahren im Freistaat großflächig verbreitet. Eine frühe Gewährsperson ist die aus dem Bayerischen Wald stammende Schauspielerin Cleo Kretschmer, die in dem vor fast vier Jahrzehnten gedrehten Film "Amore" ein bayerisches Landdotscherl spielt und unentwegt Tschüss sagt.

Damit setzte sie in München einen Trend. Altbacken anmutende Grüße wie "Grüß Gott", "Servus" und "Habe die Ehre" wurden von da an im städtischen Sprachgebrauch langsam zurückgedrängt.

Bald war das Tschüss auch auf dem Land zu hören, selbst bairisch sprechende Bäuerinnen sagen heute wie selbstverständlich "Tschüss" statt "Pfiati". Reinhard Wittmann, der frühere Literaturchef des Bayerischen Rundfunks, stellt sich trotzdem auf die Seite der Rektorin Seibert. "Ihr Anliegen ist ja nicht die Bewahrung des Dialekts, sondern ihr geht es um Höflichkeit und Umgangsformen." Aus dem norddeutschen Dialektwort Tschüss sei ein Soziolektwort geworden, sagt Wittmann.

Ein Wort also, das Vertraulichkeit herstellen soll, aber als zudringlich empfunden werden kann. Zum Beispiel wenn Fernsehmoderatoren sich bei ihren Zuschauern anwanzen wollen. "In der Berufswelt geht das aber nicht", sagt Wittmann. Hier signalisierten Tschüss und Hallo eher ein mangelndes Sprachgefühl und fehlende Umgangsformen. Der Sprecher bewege sich damit unverbindlich auf der untersten sprachlichen Ebene. Ein freundlicher Gruß wie "Grüß Gott" oder "Guten Tag" sei dagegen ein Ausdruck jener Höflichkeit, wie man sie in einer kälter werdenden Massengesellschaft so dringend benötige.

Schon lange vor Seibert hat es in Bayern Initiativen gegen das Tschüss gegeben. Im Jahr 2006 erklärte der Dialektpfleger Hans Triebel den oberbayerischen Ort Gotzing augenzwinkernd zur "Tschüss-freien Zone" und versah die Ortstafeln mit entsprechenden Verbotsschildern. Seine Aktion schlug Wellen bis nach Norddeutschland und Südtirol. Wurde Triebel von seinen bayerischen Landsleuten überwiegend angegriffen ("Denken Sie doch an den Fremdenverkehr!"), hörte er aus dem Norden fast ausschließlich Zustimmung.

"Das Tschüss gehört zu uns. Die Bayern sollten nicht unsere Sprache kopieren", hörte er beispielsweise von Touristen aus Bielefeld und Hamburg. Triebels Kollege Sepp Obermeier vom Bund Bairische Sprache schlug damals vor, als Alternative eine sprachmelodisch wohltuende Verballhornung des französischen "Adieu" wiederzubeleben, nämlich jenes "Adjes", das bis in die 60er Jahre gebräuchlich war.

Obwohl es weitaus älter ist, steht auch das Wort Hallo in keinem guten Ruf. Als der Bürgermeister von Taufkirchen 2011 zur großen "Hallo"-Aktion aufgerufen hatte, spürte er heftigen Gegenwind, weil Hallo in Bayern keine Tradition habe. Diese Aussage steht freilich konträr zu dem alle vier Jahre stattfindenden Historienspiel der "Landshuter Hochzeit von 1475", wo dem Besucher wochenlang ein einziges "Hallooo" entgegenschallt. Und das, obwohl die Landshuter größten Wert auf Historizität legen.

In alten bayerischen Schriftzeugnissen taucht das Hallo nicht auf. Anthony Rowley, der Schriftleiter des Bayerischen Wörterbuchs, nennt es ein Lehnwort aus der Seemannssprache, das schon im 15. Jahrhundert belegt sei. Damals haben vermutlich Fährleute und Rossknechte solche Laute ausgestoßen: "Hallo, pass auf!" "Sprachgeschichtlich ist nichts gegen Hallo zu sagen", meint Rowley. Möglicherweise stammt das Wort sogar aus dem Ungarischen. Das ungarische Wort hall heißt hören (hallotam rola = ich hörte über ihn).

Trotzdem ist es ratsam, einen Personalchef bei einem Vorstellungsgespräch mit "Grüß Gott" statt mit "Hallo" zu begrüßen. Der Audi-Manager Peter Tropschuh schilderte vorige Woche bei einer Podiumsdiskussion in Gungolding (Landkreis Eichstätt) seine Erfahrungen in der Zentrale in Wolfsburg: "Mit einem süddeutschen Akzent springen einem sofort die Sympathien entgegen. Dialektsprecher sitzen bei Vorstellungsgesprächen mit einer gewissen Ehrlichkeit und Authentizität vor einem."

Sepp Obermeier hält Frau Seibert auf jeden Fall zugute, ihre Schüler für Vorstellungsgespräche möglichst gut präparieren zu wollen. Mit dem Thema Dialekt habe das aber nichts zu tun. "Das Tschüss ist ned schuld, wenn der bairische Dialekt ausstirbt."

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SZ vom 07.02.2012/sonn/gba
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