Spott über Politiker:Der Babo von der CSU

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Das Wahlplakat, das Fabian Giersdorf nicht nur Lob einbrachte (Screenshot) (Foto: Facebook)

"Chabos wissen, wer der Babo ist!": Der CSU-Nachwuchspolitiker Fabian Giersdorf kann mit dem Gangster-Rapper Haftbefehl nicht viel anfangen. Trotzdem hat er sich eine Liedzeile auf sein Plakat für die Kommunalwahl drucken lassen - und erntet dafür mächtig Spott. Auch Haftbefehl mischt sich ein.

Von Sebastian Gierke

Fabian Giersdorf ist Pfarrgemeinderat der katholischen Pfarrei Roth, er ist Gründungsmitglied des "Fördervereins der städtischen Kindertagesstätte", bei der kommenden Kommunalwahl will er Stadtrat in dem mittelfränkischen Städtchen werden - und er ist der Babo.

Das kam so: Jeder der CSU-Stadtratskandidaten in Roth durfte sein Plakat mit seinem Konterfei und einem Slogan versehen. Die Kandidaten sind also in sich gegangen und haben Sätze abgeliefert wie: Kompetent und ehrlich. Oder: Solide Finanzen. So was in der Art. Sprüche für das politische Poesiealbum eines jeden anständigen CSUlers.

Giersdorf, der sich selbst als "humorig" beschreibt, fand das ein bisschen langweilig. Überhaupt: Es ärgert ihn, dass so viele junge Leute die Politik insgesamt und die Kommunalwahl im Besonderen mit Nichtachtung strafen. "Dabei ist die Kommunalpolitik für die jungen Menschen doch das Wichtigste", sagt Giersdorf. Da könne man noch selbst Vorschläge einbringen, sich engagieren. Was also tun? Giersdorf wollte die Aufmerksamkeit der jungen Menschen. Das Stilmittel der Wahl: "Augenzwinkern". Und "ein bisschen polarisieren", das wollte er, wie er am Telefon versichert. Die jungen Leute da abholen, wo sie sich manchmal auch in Roth rumtreiben. Auf der Straße.

Also ließ Giersdorf unter sein Kopfplakat, auf dem sein eindeutig erst 23 Jahre altes Konterfei zu sehen ist, geschniegelt und gebügelt, der Hemdkragen weiß und steif, die Krawatte hellblau gemustert und perfekt gebunden, dunkles Sakko, folgenden Slogan drucken:

"Chabos wissen, wer der Babo ist."

Zwei Plakate mit dem Spruch waren in Roth zu sehen. Viele der Menschen dort dürften das gar nicht verstanden haben. Trotzdem hat Giersdorf jetzt jede Menge Aufmerksamkeit. Der humorige Typ hat allerdings mittlerweile auch verstanden, dass das mit dem Humor nicht so einfach ist - und schnell ziemlich peinlich werden kann.

"Chabos wissen, wer der Babo ist", die Zeile stammt von Haftbefehl, einem Offenbacher Rapper, bei dem die Bezeichnung Gangsterrapper nicht einfach nur Folklore ist. Ins Hochdeutsche übersetzt bedeutet sie ungefähr: "Die Jungs wissen, wer der Chef ist." Haftbefehls Texte durchziehen Kraftausdrücke, Gewalt- und Drogenverherrlichung, Sexismus. Auch Antisemitismus wird ihm immer wieder vorgeworfen. Der Rapper hat, damit gibt er jedenfalls immer wieder stolz an, keinen Schulabschluss, er rutschte als Jugendlicher ins kriminelle Milieu ab, begann zu dealen, flüchtete nach Istanbul, weil er in Deutschland - per Haftbefehl - gesucht wurde.

Eine Zeile von diesem Haftbefehl, der mit bürgerlichem Namen Aykut Anhan heißt, als Slogan für die CSU? Warum eigentlich nicht! Der Song, aus dem die Zeile stammt, besteht aus türkischen, englischen, kurdischen und serbokroatischen Sprachfetzen. Der extrem erfolgreiche Haftbefehl, Albtraum aller Spießbürger, nennt sein Genre selbst "Azzlack-Rap" (Azzlack steht für asoziale Kanacken), er ist ein Wortakrobat, der die Sprache der multikulturellen Unterschicht in Reime verwandelt. Das ist: Integration mal anders. Der sehr deutsche Reim "Wer betrügt, der fliegt", mit dem die CSU gerade in den Wahlkampf zieht, ist dagegen jedenfalls ziemlicher Mist.

Giersdorf hat mit seinem Plakat trotzdem einen veritablen Shitstorm ausgelöst. Auf seiner Facebookseite wird der Jurastudent verspottet, zum Teil auch beschimpft. Mehr als 2000 Mal wurde das Motiv schon geteilt. Giersdorf sagt, es gehe ihm gerade "ziemlich dreckig". Die Beschimpfungen setzen ihm hörbar zu. "Ich will aber nicht jammern. Immerhin hab ich das Plakat zu verantworten." Und: Er bekomme auch viel Lob für das Motiv. Zum Beispiel von der Bundestagsabgeordneten, Staatssekretärin und in der CSU irgendwie auch für junge Themen zuständigen Dorothee Bär:

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Mit dem Text des Songs oder Haftbefehl will Giersdorf nichts zu tun haben. "Davon distanziere ich mich." Sei doch alles "augenzwinkernd" gemeint, betont er immer wieder. Dem Magazin Vice sagte er: "Ich gebe ein Tutorium an der Uni, weil ich in Jura den Stoff ganz gut vermitteln kann. Da haben mir meine Studenten immer gesagt: 'Du hast es drauf, du bist der Babo'." Die Babo-Zeile sei außerdem doch mittlerweile ein "geflügeltes Wort." Ein ganz normaler Ausdruck aus der Jugendsprache. Tatsächlich wurde "Babo" zum Jugendwort des Jahres 2013 gewählt.

Der Gangster-Rapper Haftbefehl sieht das ein bisschen anders, er droht dem CSU-Politiker Giersdorf ziemlich ordentlich und ziemlich deutsch mit dem Anwalt. Auf Facebook wundert sich Haftbefehl, "wie man meinen Songtitel ausnutzen kann, um neue Wähler für sich zu gewinnen?". Nicht einmal um eine Freigabe des Zitats sei er gebeten worden. Giersdorf dagegen erklärt, Haftbefehl könnte sich doch freuen über ein bisschen Publicity. Auf dessen Facebook-Seite sei ja auch schon lange nichts mehr los gewesen. Battle-Rap mal anders.

Dass die CSU als Volkspartei immer wieder beweisen muss, dass sie sich in allen Lebenswelten auskenne, davon ist Giersdorf überzeugt. Ob es allerdings ein Ausweis subkultureller Informiertheit ist, unter einen weißen Hemdkragen mit blauer Krawatte "Chabos wissen, wer der Babo ist!" zu schreiben? Die Text-Bild-Schere könnte kaum größer sein. Giersdorf hat das mittlerweile eingesehen und auch deshalb seine beiden Plakate in Roth abhängen lassen. "Ich will die Aufmerksamkeit von mir nehmen, weil es mir unangenehm ist, dass mich meine Parteifreunde verteidigen müssen - sie haben im Wahlkampf Wichtigeres zu tun", sagt Giersdorf.

Für sein neues Plakat hat er jedenfalls schon einen neuen Slogan im Kopf. Verraten will er ihn noch nicht. Humorig soll er aber schon wieder sein. Wir sind gespannt. Hier mal ein Vorschlag: "Everybody's darling is everybody's Depp." Die Zeile stammt von Franz Josef Strauß.

[Nachtrag:] Haftbefehl hat sich auf Facebook nochmal zu Wort gemeldet. Und wie sich herausstellt, hat sich nicht nur die CSU bei dem Rapper bedient.

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