Sperrstunde in Passau:Um zwei Uhr geht das Licht aus

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In der Passauer Innenstadt müssen Kneipen und Diskotheken künftig werktags um zwei, am Wochenende um drei Uhr schließen. In der Universitätsstadt ist die Empörung groß: Studenten fürchten um das Nachtleben, Wirte sehen ihre Existenz bedroht - und versuchen die Neuregelung nun zu stoppen.

Nadja Boxheimer

Ab November soll es hier nachts ruhig werden: In Passau soll wieder eine Sperrstunde eingeführt werden - doch es gibt viele Beschwerden. (Foto: dpa)

Kommt die verlängerte Sperrzeit in der Passauer Innenstadt oder kommt sie nicht? Eine Frage, über die Stadtrat, Gastwirte und Anwohner in der niederbayerischen Universitätsstadt eineinhalb Jahre lang erbittert diskutiert haben. Seit einem Plenumsbeschluss im Juli steht fest: Sie kommt.

Vom 1. November an müssen Kneipen und Diskotheken auch im Zentrum Passaus werktags um zwei Uhr, am Wochenende um drei Uhr schließen. Für die Gastronomen ist das letzte Wort allerdings noch nicht gesprochen. In einer Normenkontrolle lassen sechs Wirte die Rechtmäßigkeit der Sperrzeitverordnung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof prüfen.

Eigentlich wollte die bayerische Staatsregierung eine flächendeckende Regelung etablieren, als sie 2005 die Sperrzeit im Freistaat auf eine Putzstunde zwischen fünf und sechs Uhr morgens begrenzte. Die Realität heute gleicht eher einem post-napoleonischen Flickenteppich. Passau ist nicht die erste bayerische Stadt, die am Schalter Sperrstunde neu justiert. Unter anderem Regensburg, Bamberg und Erlangen haben den liberalen Öffnungszeiten schon einen Riegel vorgeschoben - jede Stadt allerdings auf unterschiedliche Art.

Mehr Körperverletzungen und Lärmbeschwerden

Die Gründe fürs Zurückrudern stimmen aber überein: Beschwerden wegen Lärmbelästigung sowie vermehrte Vandalismus- und Körperverletzungsdelikte gaben den Ausschlag. "Wir hatten Ende 2010 dramatische Zustände. Die Anwohner sagten, sie könnten so nicht weitermachen", verdeutlicht der Vorsitzende des Passauer Ordnungsausschusses, Urban Mangold.

Eine Polizeiuntersuchung stützt diese Argumentation. Von 2006 bis 2011 ist die Zahl der Körperverletzungen in der Innenstadt von 85 auf 131 Fälle gestiegen, 308-mal musste die Polizei 2011 unter anderem wegen Streitigkeiten und Ruhestörungen eingreifen. Laut Hauptkommissar Martin Pöhls stieg die Einsatzbelastung vor allem an Wochenenden und Feiertagen ab zwei Uhr sprunghaft an, die meisten Gewaltdelikte gab es zwischen zwei und vier Uhr.

Für Björn Andresen, Besitzer zweier Diskotheken in der Innenstadt, ist die Sperrzeitverordnung alles andere als eine Patentlösung. "Für mich ist das existenzbedrohend", sagt er. Den Kern des Problems sieht er im Rauchverbot, das in Bayern seit August 2010 gilt. Erst damit seien die Lärmbeschwerden losgegangen, da die Besucher zum Rauchen raus auf die Straße müssten. "Der Beschluss ist ein Armutszeugnis. Sollen die Gäste um halb eins kommen und um zwei gehen?", kritisiert er.

Auch der Vorsitzende des Studierendenparlaments, Felix Speidel, ist skeptisch, ob die Sperrzeitverlängerung die gewünschte Wirkung hat. "Das Problem ist nicht, dass Leute in Kneipen feiern, sondern dass danach lärmende Gruppen umherziehen", sagt er. Der AStA der Universität plädiert deshalb dafür, geschultes Personal zur Zerstreuung der Gruppen zu engagieren.

Speidel bedauert nicht nur, dass Passau als Universitätsstandort nun an Attraktivität verliere. Auch über eine mangelnde Einbindung der Studenteninteressen in die Kommunalpolitik klagt er: "Wir wurden vorher nicht angesprochen, sondern haben zufällig von der Verhandlung erfahren."

Trotz des Gegenwinds bleibt die Sperrzeitverlängerung ein Jahr auf Probe bestehen - vorbehaltlich der Normenkontrolle, deren Ergebnis noch aussteht. Doch Ruhe kehrt zum 1. November nicht ein. Den Entschluss des Ordnungsausschusses, bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine Ausnahmegenehmigungen an Wirte zu vergeben, kippten jüngst elf Stadträte und legten ihn der Regierung Niederbayerns zur Prüfung vor. Er entspräche nicht dem Plenumsbeschluss, findet Stephan Bauer von den Grünen.

Zur falschen Zeit die Hand gehoben

Entweder Ausnahmen erlauben oder die Neuregelung vor Abschluss der Normenkontrolle nicht in Kraft treten lassen, so die Forderung. Das ist zwar Anlass zur Hoffnung für Andresen, aber kein Ende des Hin und Her. Gibt es vorher kein anderes Gerichtsurteil und keine entgegengesetzte Stellungnahme der Regierung Niederbayerns, wird der gekippte Beschluss erst am 17. Dezember Thema im Plenum. Somit wird auch erst dann über Ausnahmegenehmigungen beraten. "Also mindestens eineinhalb Monate Umsatzverluste", sagt der Klubbesitzer.

Der Beschluss des Ordnungsausschusses ist nicht die erste Volte in Sachen Sperrzeit. Wegen eines Abstimmungslapsus im März musste das Thema im Stadtrat neu aufgerollt werden. Damals hob ein ÖDP-Vertreter zur falschen Zeit die Hand und stimmte aus Versehen gegen eine Ausweitung der Sperrzeit.

Das ganze Hin und Her sei mittlerweile wirklich etwas lächerlich, gibt Grünen-Stadtrat Bauer zu. Trotzdem beharrt auch er auf der Aussetzung des Beschlusses. Manch einer fragt sich da, ob es den beiden Lagern noch um das Kernthema Sperrzeit geht. Oder ob politische Machtspielchen im Vordergrund stehen.

Wie lange Studenten in anderen bayerischen Unistädten feiern dürfen, lesen Sie hier.

© SZ vom 30.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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