SPD-Parteitag:Kohnens schwerster Gang

Natascha Kohnen SPD Parteitag Bayern

SPD-Landeschefin Natascha Kohnen steht zu ihrer Verantwortung - das begeistert nicht alle.

(Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Vor dem Parteitag in Bad Windsheim schwankt die Stimmung in der SPD zwischen Wut und Resignation. Die Versöhnung der Partei funktioniere nur über Inhalte, "aber es kommen keine", klagt der Bundestagsabgeordnete Florian Post.

Von Wolfgang Wittl

So ein Parteitag in Bad Windsheim kann eine wunderbare Sache sein. Mitglieder dürfen sagen, was ihnen gefällt und was nicht, wobei die Zufriedenheit deutlich überwiegen wird. Zwar ist eine Kampfabstimmung um den Landesvorsitz zu erwarten. Weil sie aber demokratische Normalität ist, wird die gute Laune nicht leiden. Und weil die Partei sich insgesamt auf einem hervorragenden Weg befindet, werden die Delegierten in prächtiger Gemütslage wieder auseinandergehen. Das Dumme aus Sicht der Bayern-SPD ist nur, dass eine solche Szenerie im Bad Windsheimer Kultur- und Kongresscenter vermutlich nicht an diesem Wochenende bei ihrem eigenen Landesparteitag zu beobachten sein wird, sondern erst eine Woche später an selber Stelle bei den Grünen.

Drei Monate liegt die Landtagswahl zurück. Die SPD blickt immer noch entsetzt in den Krater, in den der Meteorit namens Wählerwille eingeschlagen ist. Fast elf Prozentpunkte hat sie verloren - mehr als jede andere Partei und mehr, als sie überhaupt an Zustimmung bekam. 9,7 Prozent bedeuten den historisch schlechtesten Wert eines westdeutschen SPD-Landesverbandes. Die Einschnitte sind dramatisch, personell wie finanziell. Die Landtagsfraktion hat sich mehr als halbiert. Ihre Klausur hielt sie aus Kostengründen nicht mehr in Kloster Irsee ab, sondern im Münchner Maximilianeum. Wie geht es nur wieder aufwärts? Und wer trägt die Schuld?

Die beiden Fragen beschäftigen die SPD seit der Wahl, beide sind untrennbar miteinander verbunden. Liegt es an den Einflüssen aus der Bundespolitik, wie Landeschefin Natascha Kohnen sagt? Liegt es an Kohnen, wie ihre Kritiker behaupten? Auf dem Land riss die SPD in manchen Orten die Fünf-Prozent-Messlatte, in den Großstädten wurde sie von den Grünen abgehängt. Deprimierte Genossen rätseln, warum die alte Dame SPD ihren Mitbewerbern nur noch hinterher winkt. Und sie sehen auch, dass die ebenfalls gebeutelte CSU ihre Erneuerung an der Parteispitze bereits vollzogen hat. Für Kohnen wird es vor dem Parteitag dadurch nicht leichter.

Was die Zukunft der Landeschefin angeht, gibt es in der Bayern-SPD drei Strömungen. Kohnens Fürsprecher mahnen Stabilität an, sie bezweifeln mit Verweis auf die Bundespartei, dass häufige Personalwechsel von Erfolg gekrönt seien. Kohnens Kritiker fordern einen klaren Schnitt, der Neubeginn sei nur möglich mit dem Rückzug der Chefin. Und dann ist da noch die wachsende Gruppe von Resignierten, die sich mit dem Gefühl stiller Verzweiflung mehr und mehr zurückziehen.

Gerade Letztere würden Kohnens Gegner gerne wieder aktivieren. Den Abschied der Vorsitzenden halten sie als Voraussetzung für unausweichlich. Eine Ahnung von dem, was Kohnen am Parteitag erwarten könnte, bekam sie am Dienstag bei einem Treffen des Unterbezirks München-Land, ihrer politischen Heimat. Keinerlei Aufarbeitung der Landtagswahl sei erfolgt, hielten Kritiker ihr vor. Keine inhaltlichen Impulse seien erkennbar. "Im Grunde haben wir jetzt ein Weiter-so, und das darf es bei 9,7 Prozent nicht geben", sagt jemand, der dabei war. Als "intensiv und kontrovers" schildern Teilnehmer die Debatte. Im Politiksprech ist das eine höfliche Umschreibung dafür, wenn die Fetzen fliegen.

Die Vorwürfe gegen Kohnen sind massiv

Kohnens Vertraute entgegnen dann, die Chefin stehe zu ihrer Verantwortung, anstatt sie wegzuwerfen. Die SPD habe bei der Wahl keine falschen Themen gesetzt. Die Menschen hätten ihr nur nicht abgenommen, dass sie ihre Inhalte durchsetze.

Kohnens womöglich größter Kritiker sieht das völlig anders. Die Versöhnung der Partei funktioniere nur über Inhalte, "aber es kommen keine", klagt der Münchner Bundestagsabgeordnete Florian Post: "Die einzige Konsequenz aus dem schlechtesten aller Landtagswahlergebnisse war die Befassung mit den Modalitäten für die Listenaufstellung zur nächsten Bundestagswahl." Die Vorwürfe gegen Kohnen sind massiv: Sie grenze aus statt einzubinden, denke nur an ihre Machtsicherung, verweigere eine kritische Analyse. In den Parteitag geht sie ohne Leitantrag, für ihre internen Zweifler "ein Armutszeugnis" sowie weiterer Beleg, dass Kohnen nicht die Richtige sei für diesen Posten. Post sagt: "Wer bei 9,7 Prozent im Amt bleibt und sagt, er hat sein Werk noch nicht vollbracht, macht mir Angst." Angst um die Bayern-SPD.

Post fordert, Natascha Kohnen müsse den Weg frei machen zur Erneuerung, wie es Angela Merkel getan habe. Auch Merkel wäre wieder zur CDU-Chefin gewählt worden, hätte sie ein weiteres Mal kandidiert, sagt Post. Sie sei aber ihrer Verantwortung gerecht geworden. Wenn Kohnen stattdessen ihre Kritiker auffordere, sie sollten einen Herausforderer aufbieten, schade sie damit nur der SPD. "Ihre Aufgabe ist es, die Spaltung der Partei zu verhindern."

Dass er seine Vorwürfe öffentlich äußert, begründet Post mit eingestellter interner Kommunikation. Wenn er sich einbringen wolle, erhalte er keine Antwort von Kohnen. Die Landeschefin spreche viel von Haltung, Stil und Anstand. "Es ist aber nicht per se stillos, Frau Kohnen zu kritisieren", sagt Post: "Ich habe auch meine Haltung."

Natascha Kohnen weiß um das Rumoren in der Partei. Sie sagt, sie werde ihre Vorstellungen am Parteitag klar darlegen. Fest stehe aber auch: Wer wie die SPD über Jahrzehnte Vertrauen verloren habe, könne keine einfachen Erklärungen liefern. "Wir werden eine Menge Arbeit haben, Inhalte zu formulieren" - über die Richtung müsse gemeinsam debattiert werden. Mit dem Rückzug des stellvertretenden Landeschefs Martin Burkert, 54, soll der Vorstand verjüngt werden; ihm soll der Fürther Politikwissenschaftler Matthias Dornhuber, 35, nachfolgen. Für ihre eigene Zukunft gelte unverändert: "Ich klebe nicht an meinem Amt, aber ich schmeiße es der Partei auch nicht vor die Füße", sagt Kohnen. Sie sei Landesvorsitzende "aus Überzeugung und Liebe" zur SPD.

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