Zerstrittene SPD-Spitze:CSU-reife Inszenierung der Innigkeit

Streit um die Maaßen-Beförderung? Wir doch nicht! SPD-Chefin Nahles und die bayerische Spitzenkandidatin Kohnen lachen und schäkern beim Aufeinandertreffen in München einfach nur um die Wette.

Aus dem Landtag von Ingrid Fuchs

Wer hätte das gedacht? Die SPD überholt die CSU in der Kategorie "harmonischste Inszenierung aller Zeiten trotz Krisenstimmung". Bis vor Kurzem war die Auszeichnung für das beste Schauspiel fest in Händen von Markus Söder und Horst Seehofer, den beiden CSU-Alphamännern, die sich partout nicht leiden können und dennoch miteinander müssen. An diesem Donnerstagvormittag haben die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles und ihre Stellvertreterin Natascha Kohnen bewiesen: Die SPD kann's extremer.

Nahles steht schwer unter Druck. Sie hat den Wechsel des Verfassungsschutzpräsidenten ins Innenministerium von Horst Seehofer abgenickt, Hans-Georg Maaßen ist jetzt Staatssekretär und damit praktisch befördert worden. In der SPD gibt es deshalb massiven Widerstand - auch von ganz oben. Am Mittwoch hat Natascha Kohnen - nicht nur SPD-Vize auf Bundesebene sondern auch noch Spitzenkandidatin für die bayerische Landtagswahl - einen Brief verfasst, in dem sie ihren Unmut deutlich kundtut und fordert, dass die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder in Berlin der Beförderung Maaßens nicht zustimmen sollen. Es knirscht wieder einmal in der SPD.

Nicht einmal 24 Stunden später treffen Nahles und Kohnen im Bayerischen Landtag aufeinander, zur gemeinsamen Sitzung der Vorstände von SPD-Bundes- und Landtagsfraktion. Der Termin war schon lange vereinbart, es sollte um "Sachthemen" gehen, ums Wohnen und die steigenden Mieten etwa. Daran halten Natascha Kohnen und Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher auch noch am Donnerstagmorgen fest, nicht ohne ein Grinsen allerdings, denn so ein Medieninteresse wie gerade erlebt die bayerische SPD sonst eher selten.

Zur eigentlichen Frage - wie geht es weiter zwischen Kohnen und Nahles? - will an diesem Morgen trotzdem niemand aus der bayerischen SPD-Spitze etwas sagen. Kohnen verteidigt zwar vehement ihren Brief, wegen der großen Unruhe in der Partei habe sie ihre Haltung so klar formuliert. Darüber sprechen werde man aber erst am Montag im SPD-Parteivorstand, nun soll es ausschließlich um Sachpolitik gehen. Echt jetzt? Schelmisches Lächeln. Also dürfen die Beobachter einer CSU-reifen Inszenierung der Innigkeit beiwohnen.

Um 9.53 Uhr rollt die Dienstlimousine von Nahles vor den Bayerischen Landtag. Herzliche Begrüßung, Umarmungen, Geplauder übers schöne Wetter und die vielen SPD-Wahlplakate in München: "Du hängst ja überall, Natascha, allerdings bist du froh und munter, auch wenn du hängst." Die "Schlacht um die besten Bäume", wie Nahles es nennt, habe man offenbar gewonnen. Es wird gelacht und geschäkert. Dann marschieren die Genossen gemeinsam vom Hof Richtung Akademiesaal, wo sich die SPD-Spitze knapp zwei Stunden lang beraten will. Unterwegs stellen sich Nahles und Kohnen noch fotomotivfreundlich ans Fenster und betrachten gemeinsam "das schöne München". Die Ergebnisse der Führungsrunde - reine Sachpolitik, Zwinkerzwinker - wolle man später in einer Pressekonferenz verkünden.

Causa Maaßen ist "machtpolitisches Harakiri"

Unter den SPD-Abgeordneten sieht man das freilich nicht so entspannt. Was da gerade in Berlin entschieden worden ist, sei "Wahnsinn gegenüber dem Wähler", sagt etwa der Landtagsabgeordnete Horst Arnold, die Causa Maaßen sei "machtpolitisches Harakiri". Die Schuld sieht Arnold aber vor allem beim Innenminister, "ich halte Seehofer für einen politischen Amokläufer". Die Entscheidung der eigenen Parteiführung kann er allerdings auch nicht nachvollziehen - daran dürften auch die Aussagen der beiden Parteichefinnen in der Pressekonferenz nichts ändern.

Zunächst halten sie sich an ihr Versprechen: Minutenlang reden Nahles und Kohnen über die beiden Sachthemen, die in der Vorstandssitzung im Fokus standen. Wohnen und Bildung. Mieter schützen und Kitas gebührenfrei machen. Erst nach gut neun Minuten spricht Kohnen das eigentliche Thema des Tages an, "die Causa Maaßen", die SPD und Koalition gleichermaßen zu spalten droht. Seehofer habe "diesem Land etwas zugemutet, was viele Menschen nicht mehr nachvollziehen können". Soweit sind sich die beiden SPD-Frauen einig, in der Sache bleiben sie uneins.

"Es gibt bei uns, das ist heute noch mal deutlich geworden, unterschiedliche Einschätzungen und unterschiedliche Haltungen", sagt die bayerische SPD-Spitzenkandidatin in ihrer sehr sachlichen Art. Auch Nahles rückt nicht von ihrer Haltung ab: Sie stehe als Parteivorsitzende zu dem schmerzhaften Kompromiss.

Auch wenn es in der Partei gerade sehr viel Unmut gebe, ein Ende der großen Koalition steht für sie nicht zur Debatte. Es gebe "einzelne Stimmen, die sich laut zu Wort gemeldet haben", die seien aber ohnehin von Anfang an gegen die Koalition mit CDU und CSU gewesen. Berichte über Protestmails mit Austrittsbekundungen weist Nahles zurück: "Von einer Austrittswelle ist mir nichts bekannt."

Zu erhellenderen Äußerungen lassen sich Nahles und Kohnen an diesem Donnerstag nicht bewegen, sie bleiben harmonisch und die Ausgangslage gleich: Erst am Montag soll im SPD-Vorstand diskutiert werden - egal, wie laut es bis dahin in der Partei weiter rumort.

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