SPD-Klage erfolgreich:Verfassungsgerichtshof verhandelt Verwandtenaffäre

Die Verwandtenaffäre ist für die Staatsregierung wohl noch nicht beendet. Im März verhandelt der Verfassungsgerichtshof über eine Klage der SPD. Womöglich müssen dann die in die Affäre verstrickten Minister alles offenlegen.

Von Mike Szymanski

Die Verwandtenaffäre holt die bayerische Staatsregierung noch einmal ein. Am 27. März kommt es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zu einem Prozess. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher und vier weitere SPD-Parlamentarier hatten vergangenes Jahr Verfassungsklage eingereicht. Sie sehen ihr Fragerecht als Abgeordnete durch die Staatsregierung verletzt und wollen die Staatsregierung dazu zwingen, weitere Details in der Affäre zu veröffentlichen: Es geht um Bruttogehälter, Jahresprämien, genaue Aufgabenbeschreibungen.

Rinderspacher zeigte sich erfreut über die Ladung zur mündlichen Verhandlung: "Das ist eine gute Sache. Das Ergebnis könnte sein, dass die in die Affäre verstrickten Minister komplett alles offenlegen müssten." Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu erfahren, inwieweit Regierungsmitglieder Familienangehörige beschäftigt und auf Staatskosten bezahlt haben.

Fünf Kabinettsmitglieder hatten auch noch in der Zeit, als sie bereits der Regierung angehörten, enge Familienmitglieder für sich in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete arbeiten lassen: Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Kultusminister Ludwig Spaenle, die damalige Justizministerin Beate Merk und die Staatssekretäre Franz Pschierer sowie Gerhard Eck. Als die Affäre vor einem Jahr aufkam, hatte Seehofer die Aufarbeitung zur Chefsache erklärt und seine Kabinettsmitglieder dazu verdonnert, das an Verwandte gezahlte Geld für die Zeit der Regierungszugehörigkeit zurückzuzahlen.

SPD will Informationen gerichtlich erstreiten

Zwar gaben einige Kabinettsmitglieder von sich aus Auskunft über Summen - Merk und Spaenle beispielsweise zahlten jeweils etwa 35 000 Euro zurück - auf genaue Nachfragen etwa der SPD blieb die Staatsregierung jedoch Antworten schuldig. Sie hatte erklärt, die Fragen würden die Kabinettsmitglieder in ihrer Funktion als Abgeordnete des Landtags betreffen, somit sei die Regierung nicht zuständig. Die SPD sieht das anders. Deshalb hatte sie sich entschlossen, die Informationen "gerichtlich zu erstreiten". Ihrer Auffassung nach ist die Regierung sogar verpflichtet, die Auskünfte zu erteilen, schließlich hatte Seehofer sich selbst eingeschaltet und erklärt: "So etwas tut man nicht." Er hatte seinen damaligen Staatskanzleichef eigens mit einer internen Untersuchung beauftragt. Nun wird das Gericht die Frage klären müssen, wer Recht hat.

Fakt ist aber, dass der Verfassungsgerichtshof der Staatsregierung schon 2010 ihre große Verschwiegenheit nicht durchgehen ließ. Damals ging es um Umfragen der Staatskanzlei, deren Ergebnisse diese nicht rausrücken wollte. Das Gericht hat damals die Abgeordnetenrechte gestärkt.

Personelle Konsequenzen bei der CSU blieben aus

Für die CSU ist die Klage mindestens ärgerlich. Seehofer hatte die Verwandtenaffäre längst für "erledigt" erklärt. Auch für Landtagspräsidentin Barbara Stamm gehört dieses Kapitel zur Vergangenheit. Für die Kabinettsmitglieder ist der Richterspruch in jedem Fall von großer Bedeutung. Seehofer hatte nach der gewonnenen Landtagswahl im September darauf verzichtet, die in die Affäre verstrickten Politiker auszutauschen. Er hatte zur Grundlage seiner Personalpolitik deren Abschneiden bei der Landtagswahl am 15. September erklärt. Wer das Vertrauen der Wähler erhalte, könne auch damit rechnen, wieder ins Kabinett berufen zu werden.

Weil die Wähler der CSU die Affäre größtenteils offenkundig nicht übel nahmen und ihr zur Rückkehr zur Alleinregierung verhalfen, blieben die personellen Konsequenzen aus. Sollte die Staatsregierung durch den Richterspruch pikante Details, womöglich noch ganz andere Summen als bisher bekannt, herausgeben müssen, dürfte die Debatte womöglich wieder aufflammen.

Gegen den ehemaligen CSU-Fraktionschef Georg Schmid laufen zudem nach wie vor Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg. Schmid, der dem Landtag nicht mehr angehört, steht unter Verdacht, seine Frau jahrelang als Scheinselbstständige beschäftigt zu haben. Der Landtag hat mittlerweile die Gesetze verschärft, damit sich eine solche Affäre nicht wiederholt. Familienangehörige auf Staatskosten zu beschäftigen, ist den Abgeordneten seither generell untersagt.

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