SPD in Bayern:Ziemlich beste Feinde

Landesparteitag der Bayern SPD

Der SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold ist bei CSU-Chef Horst Seehofer nicht gerade wohl gelitten. Aber irgendwie müssen sie zusammenarbeiten.

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Das politische Leben ist hart, besonders für die SPD: Jetzt, da die CSU in Berlin wohl ihr Koalitionspartner wird, ist es in Bayern vorbei mit dem reflexartigen Draufhauen. Nett attackieren, geht das? Szenen einer Zwangsehe.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

"16", sagt Horst Seehofer und wiederholt diese Zahl ein paar Mal. Es ist die Antwort des Ministerpräsidenten auf die Frage, was er von SPD-Landeschef Florian Pronold und seinen Attacken hält. 16 Prozent, das war Pronolds Erststimmenergebnis bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Rottal-Inn. "16", sagt Seehofer noch einmal in einer bösen Form von Milde. "Ende." Und geht in den Sitzungssaal der CSU im Landtag.

Drei Stunden später steht Florian Pronold ebenfalls im Landtag und muss sich fragen lassen, ob er sich auf Augenhöhe mit Partner Seehofer sieht. Der ewig jungenhafte Pronold, der sich stark fühlt, seitdem er in Berlin den Koalitionsvertrag mit ausgehandelt hat, pariert nicht schlecht. Er rede nicht über die Höhe von Augen, kontert er. Partnerschaft hin oder her.

Nach den beiden Wahlen vom September hat sich in der Landespolitik etwas verschoben. Vor allem für die SPD: Opposition in München, Regierung in Berlin. Sie ist in einer unbequemen Doppelrolle. Die CSU hat's leichter. Sie braucht die SPD in Bayern nicht. Aber sie muss sie schonen - wegen Berlin. Menschlich knirscht es noch, wie Seehofers Lästerei zeigt. Und politisch? "Wo es bundespolitische Bezüge gibt, sollten wir auch in Bayern gemeinsam handeln", meint der Regierungschef. Er bietet der SPD "partnerschaftliches Arbeiten" an. Schließlich gehe es auch darum, aus den im Berliner Koalitionsvertrag vereinbarten Investitionen, etwa in die Bildung, "ein möglichst großes Stück des Kuchens für Bayern zu bekommen".

Etwas abbekommen, darum geht es. Vor allem aber für die SPD. Seehofer ist selbst gespannt, wie die Sozialdemokraten sich behaupten. "Das ist eine schwierige Rolle für die SPD", sagt Seehofer.

Pronold und der SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher kämpfen mit verteilten Rollen. Pronold gibt den "Bad Guy", den bösen Buben. Über Seehofers Pkw-Maut für Ausländer hat er längst gestänkert, dass sie nie kommen werde. Obwohl sie im Koalitionsvertrag steht. Eine klare Provokation. Rinderspacher macht den Sachpolitiker und versucht es nun mit einer bayerischen Antwort. Bei den bayerischen Themen werde man die CSU "stellen", sagt Rinderspacher. "Da können wir Landespolitik pur machen."

Schon in der vergangenen Amtszeit hatte Rinderspacher dies als Kurs vorgegeben. Nun verbieten sich die früher so beliebten Oppositionsattacken auf die Regierung völlig, sie solle sich endlich in Berlin für eine Lösung der Probleme X, Y oder Z einsetzen. Denn in Berlin sitzt die SPD schließlich künftig selbst in der Regierung - sofern es die Mitglieder so beschließen. "Im Bund sind wir ja jetzt neue Freunde", sagt CSU-Finanzminister Markus Söder im Plenum belustigt. "Nachdem Sie ein möglicher künftiger Partner sind, will ich Sie barmherzig behandeln", scherzt Seehofer später an die Adresse der SPD.

Der Tonfall ändert sich. Als Söder am Vortag zu spät in den Haushaltsausschuss kommt, empören sich nur noch die Grünen. Die SPD seift der Minister dagegen ein. Er habe sich im Kabinett stundenlang mit dem "tollen" Vertrag mit dem "künftig geliebten Koalitionspartner SPD" auseinandergesetzt. Sein ganzer Vormittag habe quasi schon der SPD gehört. Der SPD-Abgeordnete Harald Güller ist hinterher nicht in Rauflaune. Der Ausschuss werde die Arbeit der Landesbank die gesamte Legislatur über kritisch begleiten, sagt er. Einen Angriff kann man das wohl nicht nennen.

Hier dagegen, dort dafür

Intern witzelt die SPD schon, man werde sich eben künftig verhalten wie früher die CSU: In München gegen das sein, was man in Berlin mit beschlossen hat. Beim Thema Windkraft haben die bayerischen Genossen ihren Unmut gegen Berlin schon aufblitzen lassen. Den im Koalitionsvertrag vereinbarten Freibrief für die Länder, größere Mindestabstände zwischen Windrädern und Siedlungen anzuordnen, trägt die Bayern-SPD nicht mit. Verhindern kann sie diese Politik trotzdem nicht. Die CSU hat die absolute Mehrheit. Richtig beschweren hierüber kann sich die SPD kaum.

Zum Schwur kommt es am Mittwoch im Plenum auch gleich bei einem anderen großkoalitionären Thema: dem Mindestlohn. Die SPD will mit einem Gesetz erreichen, dass es in Bayern eine eigene Mindestlohnvariante gibt. Die öffentliche Hand soll Aufträge nur noch an Firmen vergeben, die ihren Mitarbeitern mindestens 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Die SPD fordert das seit Jahren wie ein Ritual, auch jetzt noch, wo man sich in Berlin schon einig geworden ist. Und was macht die CSU? Sie lehnt das ab, wie früher. Absurd. Es ist ein Moment, in dem die geschrumpfte echte Opposition lebendig wird: Freie Wähler und Grüne attackieren vor allem die SPD. "Vielleicht müssen sie auch selbst jetzt erst mal ihre Rolle finden?", stichelt der Grünen-Abgeordnete Thomas Mütze.

Dass die SPD buchstäblich ihren Platz sucht, war schon zum Start der neuen Amtsperiode deutlich geworden. Fraktionschef Rinderspacher setzte bei der Sitzordnung durch, dass seine Fraktion in die Mitte des Plenarsaals rutschen darf. Dort sitzt sie nun neben der CSU.

Seehofer bemüht sich, die Politik des gemäßigten Tonfalls gegenüber der SPD als langfristige Strategie darzustellen. Schon in der letzten Amtsperiode seien von der CSU immer weniger Angriffe ausgegangen. "Wir sind nicht auf der SPD rumgetrampelt", sagt Seehofer. Denn "plumpes Polarisieren und plattes Phrasendreschen" wollten die Leute sowieso nicht. Diese Epoche sei längst vorbei, sagt Seehofer jedenfalls. Das stimmt nicht ganz, wie dieser Tag zeigt. "16 Prozent. Ende." Das hätte er auch beim politischen Aschermittwoch über Pronold so sagen können.

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