Süddeutsche Zeitung

SPD in Bayern:Sechs Kandidaten, ein Ziel

  • Die Bewerber für den SPD-Landesvorsitz fahren durchs Land und stellen sich den Mitgliedern vor.
  • Für das höchste Parteiamt in Bayern kandidieren Natascha Kohnen, Uli Aschenbrenner, Klaus Barthel, Florian von Brunn, Markus Käser und Gregor Tschung.
  • Die Favoritin schlägt sich wacker, aber auch ein Neuling bekommt Sympathien.

Von Lisa Schnell

Sechs Bewerber gibt es für den SPD-Vorsitz in Bayern, auf sieben Regionalkonferenzen stellten sich die Kandidaten vor. Wer kam gut an, wer hat wenig Chancen? Ein Überblick.

Auf der Bühne nimmt Natascha Kohnen, 49, das Mikro in die Hand, sieht ihre Zuhörer an, spricht frei. Sie ist die Professionelle, seit acht Jahren Generalsekretärin. Ihre Aufgabe: zeigen, dass sie trotzdem eine Art Neuanfang ist. Ihr Politikstil sei anders, er soll die Menschen nicht nur im Kopf, sondern im Herzen erreichen. Sie erzählt von ihren Kindern, die nicht mit Zukunftsangst, sondern mit Zuversicht aufwachsen sollen. Auf diese Vision für Bayern müssen sich die SPD konzentrieren, anstatt sich an der CSU abzuarbeiten. Die Rede kommt gut an. Dann die unausweichliche Frage: Was wird sich ändern mit ihr? Kohnen referiert, was getan wurde, um die Partei finanziell wieder zu sortieren und sagt, es brauche eine verständlichere Sprache. Was anders wird, haben einige nicht verstanden. Trotzdem gilt sie als Favorit.

Ein Umfragetief, eine Generalsekretärin, die nur sich selbst Angst mache statt der CSU und, na gut, ein paar neue Kopierer gekauft habe. Ein Angriff, wie ihn so deutlich nur Markus Käser, 41, formuliert. Sein Fazit: Alles muss anders werden und zwar mit ihm. Statt Hemd trägt Käser einen blauen Strickpulli. Er hält eine Kladde hoch: "Plan B", sein Parteiprogramm. Die Kladde ist leer. Über das Programm sollen die Mitglieder entscheiden. Wie über alles, was wichtig ist. Regionalproporz-Klüngeleien soll es nicht mehr geben, keinen Landeschef mit Mandat. Als Spitzenkandidatin kann er sich die Augsburger Unternehmerin Sina Trinkwalder vorstellen. Viele Ziele der SPD seien bei ihm zu Hause in Pfaffenhofen schon umgesetzt. Dass Bayern nicht Pfaffenhofen ist, dass ein Landeschef ohne Mandat viel Geld kostet, darauf geht Käser nicht ein. Das Publikum aber reißt er mit. Wenn viele Unzufriedene abstimmen, könnte ihm das nützen.

Wem Kohnen zu sehr Establishment ist und Käser zu radikal, der könnte sein Kreuz bei Florian von Brunn, 48, machen. Der sitzt zwar seit drei Jahren im Landtag, ein gebügeltes Hemd hat er auch, mit den vermeintlichen Fehlern der SPD-Führung aber kann man ihn schwer in Verbindung bringen. Auch er will Neuanfang sein, nur nicht so extrem. Immer wieder betont er, wie sehr ihm die Frauenförderung am Herzen liege. Eine indirekte Kritik an Kohnen, die das kaum erwähnte. Eine Generalsekretärin müsse sich öfter zu Wort melden, sagt Brunn. Die alte SPD spiele Defensivfußball, er sei Angriffsspieler. Seine Angriffslust in seiner Rede spürbar zu machen, schaffte Brunn nicht immer.

Die Liste, die Klaus Barthel, 61, aufzählt ist lang: Er kenne Dorf, Großstadt, Bund, Regierung, Opposition. Seine Erfahrung - 23 Jahre Bundestag, 15 Jahre Kreistag - ist das eine Pfund, das Barthel für sich auf die Waage legt. Das andere sei seine Glaubwürdigkeit. Als Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen habe er jahrelang gepredigt, was jetzt mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wieder in Mode sei: soziale Gerechtigkeit. Wenn er von prekärer Arbeit spricht, von den Fehlern der SPD bei der Agenda 2010, nicken viele im Publikum. Manchmal platziert er sogar eine Spitze gegen den jetzigen Landesvorstand. Ab und zu hebt er die Fäuste, aber nur kurz. Mancher nennt seine Rede fundiert, andere schielen nach der Uhr. Man kennt Barthel, schätzt ihn, aber warum er jetzt Landesvorsitzender werden will, verstehen einige nicht.

Uli Aschenbrenner, 48, stellt sich als "Kandidat aus dem Nichts" vor. Kaum jemand kennt den Berufsschullehrer aus dem niederbayerischen Ascha. Also referiert er seinen Lebenslauf von Geburt an. Statt einer Parteikarriere bietet er Lebenserfahrung. Den Wert der Freiheit habe er als Kind erkannt, das auf den Feldern rumtobte, Verantwortung als Vater von vier Kindern gelernt. Politisiert wurde er durch den Kampf gegen eine Mülldeponie. Jetzt kandidiert er, weil die SPD, wenn sie so bleibe wie sie ist, nicht mehr lange bleibe. Er spricht in kurzen, einfachen Sätzen, die manchmal abgehackt klingen. Die Sympathie einiger hat er, ihre Stimme wohl nicht.

Eine Pointe funktioniert. Wenn ein schwuler, evangelischer SPDler in Niederbayern Landrat werden könne, dann sollte doch ein koreanisch-kölscher Katholik Landeschef werden können, sagt Gregor Tschung, 51. Viel mehr als diesen Lacher schenkt ihm das Publikum nicht. Tschung liest vom Blatt ab, vernuschelt seine Sätze. Ein wenig versteht man trotzdem: Als Sprecher der Münchner Tafel plädiert er dafür, die Schwächsten wieder mehr in den Blick zu nehmen. Wenn er aber nach anderen Positionen gefragt wird, wirkt er oft hilflos. Manche unterstellen ihm, seine Kandidatur sei ein Rachefeldzug gegen die Parteispitze, mit der Tschung sich als kurzzeitiger Sprecher der Bayern-SPD überworfen hat. Dass er den anderen Kandidaten Stimmen wegnimmt, ist unwahrscheinlich.

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Quelle:
SZ vom 07.04.2017
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