Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl:Wie geht es weiter in der Bayern-SPD?

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Florian von Brunn bringt sich für den Neustart als Fraktionschef in Stellung. Manche Parteigenossen reagieren auf seine Ambitionen mit Verwunderung, andere unterstützen sein Vorpreschen.

Von Lisa Schnell, München

"Über alles, wirklich über alles", will SPD-Landeschefin Natascha Kohnen reden, aber bitte erst nächsten Sonntag im Landesvorstand. Ruhe bewahren, zusammenhalten, so lautet ihr Appell an die Partei. Eine Partei, die das schlechteste Wahlergebnis für die SPD in ganz Deutschland eingefahren hat, die um ihre Existenz kämpft. Ruhe bewahren? Schon am Wahlabend forderten einige indirekt Kohnens Rücktritt. Jetzt kommt die Debatte um die Fraktionsspitze im Landtag dazu. Die unliebsamen Personaldebatten haben die SPD mal wieder eingeholt.

Einer ist bemüht, Schritt zu halten. Am späten Montagnachmittag erklärt Markus Rinderspacher, dass er nicht mehr für den Fraktionsvorsitz kandidiert, am Dienstag um 7.47 Uhr verschickt Florian von Brunn eine Pressemitteilung: Er will Fraktionschef werden. Ob er überhaupt noch Landtagsabgeordneter ist, weiß Brunn da noch nicht. Es sieht gut für ihn aus, die Stimmen aber sind noch nicht ausgezählt.

"Peinlich daneben", findet das der Augsburger Landtagsabgeordnete Harald Güller und kündigt an: "Die ausufernde Selbstdarstellung von Einzelnen werde ich nicht unterstützten." Den Hut schon in den Ring zu werfen, bevor die Kämpfer überhaupt die Arena betreten haben? "Taktisch unklug", sagt auch die oberfränkische Abgeordnete Inge Aures und hofft, dass es bis nächsten Donnerstag, wenn die Fraktion den Vorstand wählt, noch andere Bewerber geben wird. Natascha Kohnen, wie einige vermutet hatten, dürfte es nicht sein, zumindest wenn sie bis dahin Landesvorsitzende bleibt. "Von Ämterhäufung halte ich nichts", sagt sie.

Es ist nicht ganz klar, wo die Grenze verläuft zwischen ehrlicher Empörung, über einen, dem es nicht schnell genug gehen kann und dem Versuch, diesen einen zu stoppen. Dem Nürnberger Arif Taşdelen zumindest fällt zu seinem Kollegen nur Gutes ein. Brunn, das sei ein sehr guter Politiker mit Sachverstand, der Umweltthemen besetze und auch die Kunst verstehe, seine Themen in den Medien nach außen zu tragen. Taşdelen muss am Dienstagnachmittag noch bibbern, bis er weiß, dass er es in den Landtag geschafft hat. Andere, die Brunn freundlich gesinnt sein dürften wie Franz Schindler, Ulrich Pfaffmann oder Susann Biedefeld werden der Fraktion nicht mehr angehören.

Brunn ist einer der bekanntesten Landtagsabgeordneten der SPD. Seine Leistungen werden auch außerhalb des Landtags von vielen in der Partei geschätzt. Er versteht es, sich und damit seine Partei in den Medien gut zu platzieren. Das brachte ihm viel Lob ein, aber auch Neid und den Vorwurf, immer mit Mittelpunkt stehen zu müssen. Im Zuge des Bayern-Ei-Skandals machte sich Brunn einen Namen als Umweltpolitiker. Gerade vor dem Hintergrund, dass die SPD in München und bei jungen Wählern von den Grünen überholt wurde, erscheint sein Profil einigen sehr passend. Politisch gehört der 49-Jährige zum linken Flügel der SPD.

Ein Sonderparteitag scheint immer mehr Zustimmung zu bekommen

Gerade erst forderte er den Austritt aus der großen Koalition in Berlin und will diesen Antrag im Landesvorstand einbringen, dem er seit 2017 angehört. Dort will er auch für einen Sonderparteitag werben, auf dem der Vorstand neu gewählt werden soll. Der Landesvorsitz stünde dann wieder zur Disposition. Um diesen bewarb sich Brunn in der Mitgliederbefragung 2017. Dabei unterlag er Kohnen klar, konnte sich aber mit deutlichem Abstand zu seinen Mitbewerbern Platz zwei sichern. Seitdem stand er öffentlich loyal hinter Kohnen. Jetzt, wo einige ihre Nachfolge diskutieren, wird sein Name wieder genannt. Seine Bewerbung um den Fraktionsvorsitz deutet aber darauf hin, dass er dieses Amt attraktiver findet.

Was hätte er also vor mit der Fraktion? Er möchte der Fraktion nicht vorgreifen, betont Brunn. Falls sie ihm das Vertrauen ausspricht, will er die Grünen stärker inhaltlich stellen. Die hätten etwa kein Konzept, wie ihre Obergrenze beim Flächenverbrauch funktionieren könnte. Die SPD brauche konkrete Vorschläge, wie Wohnen und Flächensparen vereint werden können. Auch gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem Land und die Bildung will er mehr betonen. Und sich der Frage widmen: Wie schafft es eine Programmpartei, in der viel diskutiert werde, ihre vielen Papiere auch wieder unter die Leute zu bringen.

Die nächsten Diskussionen stehen der SPD am Sonntag im Landesvorstand bevor. Sie berät zum einen, ob sie mit der CSU sondieren soll. Da Freie Wähler und Grüne schon diese Woche mit Söder zusammenkommen, ließ der es offen, ob es überhaupt noch Gespräche mit der SPD brauche. Und natürlich: Wie geht es weiter mit der SPD und Kohnen? Ein Sonderparteitag scheint immer mehr Zustimmung zu bekommen. Viele der Bezirkschefs sprechen sich mehr oder weniger deutlich dafür aus. Auch Kohnen sagt: "Das kann eine Idee sein." Bis dahin hat sie eine Bitte an ihre Partei: "Nicht über die Medien diskutieren, sondern intern."

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Quelle:
SZ vom 17.10.2018
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