Wirtschaftskrise:SPD-Fraktion fordert „Bayernmilliarde“ für E-Mobilität

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SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer und der Wirtschaftspolitiker Florian von Brunn (links) fordern eine Milliarde für die bayerische Autoindustrie. (Foto: Thomas Balbierer)

Bayerns Sozialdemokraten wollen der schwächelnden Autoindustrie unter die Arme greifen – mit viel Geld und mehr Beinfreiheit beim Klimaschutz. Vom Ziel der CO₂-Neutralität 2040 rückt Fraktionschef Grießhammer ab.

Von Thomas Balbierer

Die deutsche Autoindustrie steckt in einer ungemütlichen Lage. Es ist daher nicht unpassend, dass die bayerische SPD-Fraktion ihrerseits ein eher unbequemes Setting für ihren neuen autopolitischen Vorstoß gewählt hat. Bei frostigen Temperaturen stehen Fraktionschef Holger Grießhammer und der Wirtschaftspolitiker Florian von Brunn am Dienstag auf einer zugigen Fußgängerbrücke in der Nähe des Münchner BMW-Werks und berichten von ihrer Idee einer „Bayernmilliarde“. Während sie erklären, wie sie der Autoindustrie mit viel Geld aus dem Landeshaushalt unter die Arme greifen wollen, rauscht unter ihnen der Verkehr über den Mittleren Ring. Die fröstelnde Menschentraube aus Sozialdemokraten und Journalisten wird mehrmals von vorbeifahrenden Radfahrern angeklingelt.

Ursprünglich wollte die SPD ihre Pressekonferenz zum Auftakt der Winterklausur bei BMW abhalten. Dort informierte sie sich bei einem Werksbesuch am Dienstag über den schwierigen Wandel hin zur Elektromobilität. Doch der Autohersteller hat die Öffentlichkeit vor die Tür gesetzt, bei der Pressekonferenz war kein BMW-Vertreter anwesend. Wegen der „Nähe zur Bundestagswahl“, wie die SPD-Fraktion mitteilte. Ein BMW-Sprecher gab an, dass der Besuch auf Anfrage der SPD „bei unseren Arbeitnehmervertretern“ stattfand. Beleidigt wirkt Fraktionschef Grießhammer aber nicht, im Gegenteil: Er will die Branche auf dem Weg in die Elektromobilität großzügig unterstützen. Mit viel Geld und mehr Beinfreiheit beim Klimaschutz.

Auf ihrer Klausur will die SPD ein Positionspapier beschließen, das den Automanagern gefallen dürfte: Für den Ausbau von Ladestationen für Elektroautos sollen im bayerischen Haushalt 500 Millionen Euro locker gemacht werden, 250 Millionen sollen in die Batterietechnik und Digitalisierung fließen. Weitere 125 Millionen will die SPD für die Weiterbildung und Qualifizierung von Fachkräften ausgeben. Am Ende summieren sich die Forderungen der Sozialdemokraten auf eine Milliarde Euro.

Das Geld soll laut Grießhammer aus Rücklagen im Haushalt stammen und über einen Zeitraum von zwei Jahren investiert werden, „eventuell auch länger“. Es solle nicht nur den großen Herstellern zugutekommen, die trotz aller Probleme beim E-Autoverkauf noch immer Milliardengewinne machen. Vor allem solle den Zulieferbetrieben geholfen werden. Hier stehen viele Jobs auf der Kippe. Als Beispiel nannte Grießhammer die Industrieregion rund um Schweinfurt. „Die beutelt’s am meisten.“

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Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Florian von Brunn, betonte, dass die Autoindustrie ein „riesiger Wohlstandsmotor“ für Bayern sei. 450 000 Jobs würden direkt oder indirekt an der Branche hängen. Es gehe um den Erhalt dieser Arbeitsplätze. Deshalb müsse man die Firmen vor weiteren Belastungen schützen, auch beim Klima. In diesem Jahr drohen den deutschen Autokonzernen Milliardenstrafen der EU, wenn ihre Fahrzeugflotten mehr klimaschädliches CO₂ ausstoßen als nach europäischem Recht erlaubt. Die Strafzahlungen müssten „ausgesetzt werden“, fordert die SPD in ihrem Papier. Damit zeichnet sich auch bei der Bayern-SPD eine Distanzierung von gesetzlichen Klimavorgaben ab.

Grießhammer rückt vom Ziel der Klimaneutralität 2040 in Bayern ab

CSU und Freie Wähler gehen hier längst einen Schritt weiter. Sie fordern, das von der EU beschlossene Verkaufsverbot von klimaschädlichen Verbrennerautos ab 2035 abzuschaffen. Das sieht Grießhammer anders. „Das E-Auto ist das Auto der Zukunft“, sagt er. Man müsse es noch stärker fördern. Seine Partei wirbt im Bundestagswahlkampf mit einer neuen Kaufprämie für E-Autos.

Im aktuellen Streit um Bayerns Klimaziele nahm Grießhammer am Dienstag eine überraschende Neupositionierung seiner Fraktion vor. Nachdem vergangene Woche bekannt geworden war, dass CSU und Freie Wähler ihr gesetzliches Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2040 abschaffen wollen, sprach Florian von Brunn noch von einer „Unverschämtheit“ und einem „Rückschlag für den Klimaschutz“. Nun sagt Grießhammer, dass er eine Verschiebung des Klimaziels auf 2045 in Ordnung findet. Fünf Jahre hin oder her seien „am Ende nicht entscheidend“. Auf der Fußgängerbrücke dürfte es Brunn in diesem Moment besonders kühl vorgekommen sein.

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