Space Night gerettet:Aufstand der Schlaflosen

Space Night gerettet: Ein Fall für die Space Night: Die Aufnahme zeigt das Space Shuttle Discovery mit einem Modul für die Raumstation ISS.

Ein Fall für die Space Night: Die Aufnahme zeigt das Space Shuttle Discovery mit einem Modul für die Raumstation ISS.

(Foto: AFP)

Die harmlose Variante eines Drogentrips: Der BR hat wegen der Gema-Gebühren die Space Night abgesetzt, eine der meditativsten Sendungen im deutschen Fernsehen. Doch die Fanproteste sind groß. So groß, dass der Sender jetzt einen Neustart in den Orbit beschlossen hat - mit kostengünstiger Musik.

Von Hans Kratzer

Welch eine bittere Nachricht für all die Schlaflosen, die jede Nacht in Stille und Verlassenheit den Morgen herbeisehnen, lediglich getröstet durch die Sendung Space Night im Bayerischen Fernsehen, die wohl originellste Ablenkung, die zwischen Mitternacht und Morgengrauen via Bildschirm möglich ist. Also in jener Zeit, in der Nachtschwärmer vor dem Fernsehapparat noch chillen wollen, junge Väter ihren plärrenden Nachwuchs beruhigen müssen oder Menschen unter sanfter TV-Berieselung bis in die Früh arbeiten.

Doch mit dem beliebten Weltraum-Programm ist jetzt Schluss. Vor 14 Tagen hat der Bayerische Rundfunk (BR) diese Sendung, ein Kleinod des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, aus dem Programm genommen. Im Jahr 1994 erstmals ausgestrahlt, hat sich die Space Night peu à peu eine riesige Anhängerschar erworben, die sich eine Existenz ohne Orbit und Sphärenklänge gar nicht mehr vorstellen mag und sich mit der Entscheidung des BR nicht abfinden will. Im Internet hagelte es tagelang Proteste gegen die Abschaltung der Space Night.

Der BR schlägt nach zunächst abwehrenden Äußerungen nun wieder freundliche Töne an. Die Space Night werde wieder auf den Bildschirm kommen, hieß es am Dienstag, und: "An einem neuen Konzept wird gearbeitet." Am Mittwoch folgte dann die Bestätigung durch den BR: Ab Herbst wird es neue Folgen geben.

Die vorläufige Absetzung der Space Night steht im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Gema-Beiträge (Gema: Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte). Bei einer Fortführung der Space Night in der bisherigen Form, so argumentiert der BR, hätten sich die Kosten für die Ausstrahlung deutlich erhöht. Allein für die Musikrechte wäre künftig ein siebenstelliger Betrag fällig geworden.

Netzaktivisten hatten dem BR gleich nach der Abschaltung der Space Night empfohlen, anstelle von Gema-Titeln auf sogenannte "Creative Commons lizensierte Musik" zurückzugreifen, wodurch sich die Kosten reduzieren ließen. Am Dienstag teilte der BR mit, diese Möglichkeit werde geprüft, die künftige Space Night werde auf jeden Fall zu erheblich niedrigeren Kosten für Musikrechte ausgestrahlt. Immerhin verfügt der BR dank seiner weltweit bekannten Klangkörper über eigene Musikrechte und Kompositionsmöglichkeiten.

Zweifellos würde das Bayerische Fernsehen ohne die Space Night einen Teil seiner Identität und seiner Qualität verlieren. Dieses Format bildet einen der originellsten Gegenentwürfe zu den Trashformaten der privaten Sender. Schon vor der Space Night geleitete der BR seine Zuschauer mit der meditativen Sendung Zen in den Schlaf (Zuschauen, Entspannen, Nachdenken).

Die harmlose Variante eines Drogentrips

Da schaukelte beispielsweise eine chinesische Dschunke im Jangtse minutenlang still hin- und her. Oder die Kamera fing ein Schilfrohr ein, wie es der Wind bewegte, untermalt von der Rezitation eines Naturgedichts. Als dann auf den Nachbarsendern allerlei Nackerte zu stöhnen anfingen, verließ die Programmchefs der Mut, so etwas Erhabenes wie Zen zu senden. Wenigstens ersetzte der Sender am 1. Juli 1994 das nächtliche Bildschirmflimmern durch die wunderbaren Bilder der Space Night.

Fünf Stunden pro Nacht durften die Zuschauer durch die Kameras des Space Shuttle die Erde aus dem All betrachten und in ihren Wohnzimmern in die Weiten des Weltalls segeln, während Kontinente, Wüsten und die fein ziselierten Falten der Himalaja-Berge vorüberglitten. Kaum hatte man den Kegel des Vesuvs erkannt, kam schon der Nil in den Blick und das Rote Meer.

Dann die Überquerung des endlosen Pazifischen Ozeans, fantastische Bilder, unterlegt mit sphärischer Chill-out-Musik. Der Zuschauer entdeckte die meditative Kraft der unendlich langsam wirkenden Fahrt, in Wahrheit flog er rasendem Tempo in 90 Minuten rund um die Erde. Manchmal liefen auch alte Filme über die Apollo-Mondmissionen, begleitet von den Songs der damaligen Zeit: Santana, Jefferson Airplane, all die Woodstock-Helden.

In Zeiten, in denen das Leben immer hektischer, die Tage immer schneller und die Bilder immer schriller werden, wächst vor den Fernsehschirmen offenbar die Sehnsucht nach der Langeweile, hat die taz einmal über die nächtlichen Pufferprogramme vom Schlage der Space Night geschrieben. Vermutlich aber finden die Zuschauer in diesem meditativen Fernsehen mehr zu sich als in all den austauschbaren Talk- und Castingshows.

Die Space Night sei eine Einübung in den Blick von außen auf den Planeten, hat der Philosoph Wilhelm Schmid einmal angemerkt. Die Angst vor der schlaflosen Nacht sei seit der Space Night unbegründet. "Denn der Blick von außen auf uns selbst ist seit antiker Zeit eine Standardübung der Lebenskunst." Zumindest hat die Space Night vielen Menschen beim Einschlafen geholfen - manche sagen sogar, sie habe ihnen die harmlose Variante eines Drogentrips verschafft.

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