Sozialpolitik:Auf den Hund gekommen

Münchner Kinder testen ihr Viertel auf  Barrierefreiheit, 2013

Die meisten Menschen ohne Behinderung kennen nur Blindenführhunde. Doch die Tiere werden etwa auch für Diabetiker und Autisten ausgebildet.

(Foto: Florian Peljak)

Menschen mit Behinderung sind meist auf Hilfe angewiesen: Assistenzhunde können sie leisten. Doch die Tiere sind teuer. Die SPD fordert deshalb deutlich mehr Unterstützung durch den Staat

Von Dietrich Mittler

Soni ist im Dienst, fern der Heimat. Weit weg vom unterfränkischen Veitshöchheim. Und wer so im Geschirr steckt wie Soni, der weiß sich zu benehmen - erst recht bei einem Termin im Landtag, bei dem die SPD dafür wirbt, Menschen mit Behinderung durch Assistenzhunde zu unterstützen. Ein entsprechender Antrag der SPD war jüngst im Sozialausschuss gescheitert, obwohl ihn auch die CSU prinzipiell als gut erachtete. In der kommenden Woche will Ruth Waldmann, sozialpolitische Sprecherin der Landtags-SPD, erneut einen Anlauf nehmen, die Sache im Plenum auf den Weg zu bringen. Und um das vorab unterstützen zu können, war Soni mit Frauchen in den Landtag gekommen. Privat ist Soni der Typ Genießerin. "Soni ist ein Labrador. Das heißt, sie frisst auch eine Badewanne leer und kommt dann immer noch betteln", sagt Sibylle Brandt.

Shacky hat dem Frauchen bereits dreimal das Leben gerettet

Als Brandt mit Mitte 30 durch eine Erkrankung der Netzhaut Zug um Zug ihre Sehkraft verlor, da brach für sie die Welt zusammen: Ihre Marketing-Agentur musste sie aufgeben, wegen der Behinderung ging gar die Ehe in die Brüche. "Ich hatte das Gefühl, in ein tiefes, schwarzes Loch zu stürzen", sagt sie. Brandt packte ihr Leben wieder an, schulte in Veitshöchheim am Berufsförderungswerk zur Verwaltungsfachangestellten um. Seit sieben Jahren sind ihr Blindenführhund Soni und sie nun ein Gespann. Soni geleitet sie nicht nur ohne Blessuren durch fremde Städte, sie lässt sie auch heil Treppen herunterkommen und zielsicher in Züge steigen - so wie nun auf der Reise nach München. Soni kann aber mehr. "Hunde sind die besten Therapeuten, die man sich vorstellen kann", sagt Brandt. Durch einen Assistenzhund müsse man Verantwortung übernehmen. "Und das hilft unheimlich, das ist ein stetiges Geben und Nehmen", sagt Brandt.

Eine Erfahrung, die Heidi Menge, die erste Vorsitzende der Initiative "Assistenzhundewelt", teilt. Sie selbst ist als Contergan-Geschädigte nicht nur gehandicapt durch ihre angeborene Behinderung, sondern auch noch gefährdet durch Diabetes sowie eine Medikamenten-Allergie. Die hätte mit Sicherheit bereits in drei Fällen tödlich geendet, gäbe es da nicht Shacky, ihren Assistenzhund. Shacky hat ihr immer wieder, als sie bereits handlungsunfähig am Boden lag, das Leben gerettet. Der Hund zog nicht nur am Hausnotrufsystems des Berliner Roten Kreuzes die Leine, um so die Retter zu alarmieren. Shacky ließ die Rettungskräfte, nachdem die das richtige Codewort gesagt hatten, auch gleich in die Wohnung. "Shacky kann alles außer kochen", hieß es oft.

Doch nun ist Shacky "in Rente", wie Heidi Menge sagt. Bobby hat Shacky ersetzt. Shacky erledigt, im Sinne des Wortes, nur noch kleine Handreichungen, bringt Frauchen etwa das läutende Telefon, das sie selbst nicht vom Tisch hochheben kann. So weit, so gut. Aber es gibt Probleme, und die haben mit der Gesetzeslage zu tun: Die Krankenkassen müssten zwar Blindenhunde finanzieren, nicht aber jene Assistenzhunde, die Menschen mit anderen Behinderungen beistehen, sagt Menge.

Laien können sich oft kaum vorstellen, für welche Zwecke Assistenzhunde speziell ausgebildet werden oder wie sie zum Einsatz kommen - eben längst nicht nur als Blindenführhunde: Da gibt es etwa Spürhunde, die gehörgeschädigte Menschen auf sicherheitsrelevante Geräusche aufmerksam machen, es gibt Autismusbegleithunde, die speziell auf psychische Beeinträchtigungen eingehen können. Und es gibt zum Beispiel auch Hunde, die bei einem Zuckerkranken den verdächtigen Acetongeruch wahrnehmen und laut anschlagen, bevor es wegen Insulinmangels zu einer lebensbedrohlichen Krise kommt.

All diese Hunde, so appelliert Sibylle Brandt, müssten künftig von den Kassen finanziert werden. Brandt sagt das nicht nur als Privatperson, sondern auch als Landes- und stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD-Initiative "Selbst Aktiv". Sie hat da eine Rechnung aufgemacht. Alles in allem koste ein gut ausgebildeter Assistenzhund über die Jahre hinweg rund 75 000 Euro. "Aber für eine menschliche Assistenzkraft müsste man gut und gern 750 000 Euro veranschlagen", sagt sie.

Der Forderungskatalog, den die SPD doch noch auf den Weg bringen will, umfasst insgesamt sechs Aspekte: Nicht nur die Finanzierung dieser Tiere solle vom Gesetzgeber geregelt werden, auch ihre Ausbildung müsse Normen unterliegen, heißt es da etwa. Ruth Waldmann kann durchaus energisch werden, wenn sie eine bayerische Bundesratsinitiative fordert. Soni indes bleibt da ganz cool: Dienst ist Dienst.

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