Streit um Finanzen:Freie Wähler lehnen Schuldenpaket von Union und SPD ab

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Am Mittwochnachmittag traf sich die Freie-Wähler-Fraktion zu einer Sondersitzung im Landtag. Danach stellten Fraktionschef Florian Streibl (links) und Parteichef Hubert Aiwanger ihre Position zur Schuldenbremse vor. (Foto: Lennart Preiss/dpa)

Hubert Aiwanger und seine Partei könnten die von Union und SPD geplante Reform der Schuldenbremse theoretisch stoppen und damit Markus Söder und der CSU einigen Ärger machen. Nun stellen sie eigene Forderungen.

Von Thomas Balbierer

Ein wenig wollen die Freien Wähler die bundespolitische Aufmerksamkeit noch auskosten. Wer hätte schließlich geahnt, dass die Partei so kurz nach einer krachenden Niederlage bei der Bundestagswahl (1,5 Prozent) wieder im Fokus steht? Am Mittwochnachmittag kommt die Landtagsfraktion zur Sondersitzung zusammen, um über das gigantische Schuldenpaket von Union und SPD zu beraten. „Dauert noch“, ruft Fraktionschef Florian Streibl, als er nach zwei Stunden an den wartenden Pressevertretern vorbeihuscht.

Tagelang hatten die Freien Wähler Markus Söder und die CSU schon zappeln lassen. Bayerns Ministerpräsident braucht die Zustimmung seines Koalitionspartners zu den Multimilliarden-Schulden für Verteidigung und Infrastruktur, die sich Union und SPD in Berlin ausgedacht haben. Neben dem Bundestag muss auch der Bundesrat die nötige Grundgesetzänderung mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen.

Am späten Nachmittag treten Streibl und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger schließlich vor die Kameras. Und erteilen den Plänen von Söder und Co. eine klare Absage. „Aus jetziger Sicht sehen wir uns nicht in der Lage, dem zuzustimmen“, sagt Aiwanger. Er sieht in dem Schuldenpaket „mehr Gefahr als Chance für die Stabilität unseres Landes“. Statt die Probleme kurzfristig mit massiven Krediten zuzuschütten, brauche es tiefgreifende Reformen. Sonst, so Aiwanger, „ist diese Republik in zehn Jahren tot“. Die Schuldenbremse sei ein „Garant dafür, dass Reformdruck aufrechterhalten wird“. Er fordert die Parteien zu Einsparungen beim Bürgergeld und der Migration auf.

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Streibl weist darauf hin, dass das Festhalten an der Schuldenbremse sogar im Koalitionsvertrag von CSU und FW steht. Man wolle der künftigen Bundesregierung kein „Spielgeld“ zur Verfügung stellen. Man erkenne aber die Notwendigkeit an, in die Wehrhaftigkeit Deutschlands zu investieren. Deshalb bringen die Freien Wähler ein milliardenschweres Sondervermögen für die Bundeswehr ins Spiel, das den Verteidigungshaushalt in Höhe von zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung ergänzen soll. Auf den 500-Milliarden-Euro-Topf für die Infrastruktur wollen sie hingegen verzichten, das Geld für Investitionen solle aus dem regulären Haushalt bezahlt werden.

CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sagt am Abend, er könne die Entscheidung der Freien Wähler „nicht ganz nachvollziehen“. Im BR appellierte er an die Verantwortung der Partei. „Wenn das scheitert, dann ist es auch ein Schaden für die Kommunen in Bayern. Und das wollen doch die Freien Wähler sicherlich nicht, die sich auch als Kommunalpartei bezeichnen.“

Die Stimmung in der bayerischen Regierungskoalition dürfte das Gerangel um die Schulden weiter verschlechtern. Seit der Bundestagswahl herrscht zwischen CSU und Freien Wählern dicke Luft. Den Auftritt am Mittwoch scheint vor allem Aiwanger zu genießen. Der Vizeministerpräsident war wegen seiner bundespolitischen Ambitionen vehement von der CSU bepöbelt worden, insbesondere von Markus Söder. Er würdigte die FW nach der Wahl zur „Splittergruppe“ herab und polterte am Aschermittwoch: „Ich habe keine Lust mehr, bundespolitisches Gequake von Leuten zu hören, die null Ahnung von der Sache haben.“

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Aiwanger, dessen Kurs auch innerparteilich angezweifelt wird, warf der Union seinerseits „Wählertäuschung“ vor. CDU und CSU hatten im Wahlkampf eine Neuverschuldung abgelehnt – und kurz nach der Wahl exakt das Gegenteil angekündigt. „Wenn man das Vertrauen der Bürger zerstören will, muss man’s genau so machen“, sagte Aiwanger in einem Video auf der Plattform X.

Dass der eigene Koalitionspartner seine Schuldenpläne durchkreuzen könnte, tat Söder vor ein paar Tagen mit demonstrativer Gelassenheit ab. „Ich bin sicher, dass es an Bayern nicht scheitern wird“, sagte er am Sonntag im ARD-Talk von Caren Miosga. Er erinnerte an die kommunalpolitische Identität der Freien Wähler: „Wer würde im Jahr vor der bayerischen Kommunalwahl den Kommunen quasi eines der wichtigsten Instrumente aus der Hand nehmen?“ Aus dem geplanten 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur sollen 100 Milliarden an Länder und Kommunen fließen.

Tatsächlich fordern die Freien Wähler nach ihrer Sondersitzung am Mittwoch mehr Geld für die Kommunen, zum Beispiel für Krankenhäuser. Dies müsse aber gezielt vom Bund gezahlt werden und nicht über ein dubioses Sondervermögen, sagt Aiwanger.

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Markus Söder hat für die CSU in Berlin die großen Pläne für Finanzen und Schulden verhandelt. Bei deren Beschluss im Bundesrat müsste der Freistaat Bayern mit einheitlicher Stimme sprechen. Doch die Freien Wähler, der Koalitionspartner daheim, zieren sich bislang. Und dabei geht es nicht nur um inhaltliche Fragen.

Von Johann Osel

Im Landtag verlangten die Freien Wähler Gegenleistungen für eine Zustimmung

Am Dienstag hatten die Freien Wähler im Landtag noch ihre Bereitschaft für höhere Schulden signalisiert. Die Fraktion ist schon lange für höhere Verteidigungsausgaben. Sie verspricht sich, dass davon auch die bayerische Rüstungsindustrie profitiert. Vor ein paar Wochen bezeichnete Fraktionschef Streibl sogar das von US-Präsident Donald Trump genannte Ausgabenziel von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung als realistisch. In Deutschland wären das pro Jahr mehr als 200 Milliarden Euro nur für Rüstung – ohne massive Schulden undenkbar.

Auch beim auf zehn Jahre angelegten 500-Milliarden-Sondervermögen für Verkehr, Energie, Bildung und Co. zeigte der FW-Haushaltsexperte Bernhard Pohl im Landtag Kompromisslinien auf: Einerseits müsste es sich um zusätzliche Investitionen handeln, nicht um finanzielle Umschichtungen zur Bezahlung von Wahlgeschenken. Andererseits „möchte ich schon, dass wir auch den Länderfinanzausgleich mitverhandeln“, sagte Pohl am Dienstag. Zuletzt wurden 9,7 Milliarden Euro von Bayern an finanzschwache Bundesländer umverteilt, der Freistaat trägt mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens. Pohl forderte eine Obergrenze der bayerischen Zahlungen bei „etwa 3,5 bis vier Milliarden Euro“. Zumindest damit rennen die Freien Wähler bei Söder und der CSU offene Türen ein.

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