Süddeutsche Zeitung

Sommerfest:Integrationsbeauftragter will wohl bei radikalem türkischen Verein sprechen

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Von Lisa Schnell, München

Martin Neumeyer (CSU) kann die Aufregung nicht verstehen. Für ihn ist es nur eine Einladung, die Chance, mit einer türkischen Gemeinschaft ins Gespräch zu kommen. Nichts Ungewöhnliches für den Integrationsbeauftragten der Staatsregierung, meint er. Grüne und SPD dagegen sind empört über die Einladung zum Sommerfest am 16. und 17. Juli in Neuaubing, bei dem Neumeyer als Eröffnungsredner angekündigt ist.

Sie stammt vom türkischen Kulturzentrum München. Ein Verein, der vom Bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird, weil er Verbindungen zur ultra-nationalistischen und türkisch-rassistischen Bewegung der Grauen Wölfe hat. Diese vertritt eine Rassentheorie, nach der Türken privilegiert sind.

Die Grauen Wölfe rufen zum Kampf für ein türkisches Großreich auf. Vor allem jüngere Anhänger lassen laut Verfassungsschutz eine erhöhte Gewaltbereitschaft insbesondere gegen kurdische Volksgruppen erkennen. Auch die Bedrohungen türkischstämmiger Bundestagsabgeordneter kämen aus dieser ideologischen Ecke.

Wenn der Integrationsbeauftragte tatsächlich bei einem Verein sprechen sollte, der einer rassistischen Ideologie nahe steht, wäre das für Katharina Schulze von den Grünen ein "Unding". Man könnte hier schon die Frage stellen, ob Neumeyer sich mit dem Verein nicht "gemein" mache.

Zumindest werte er ihn mit seinem Auftritt auf. Auch Florian Ritter von der SPD kritisiert: "Das wirkt, als sei das ein ganz normaler Verein, mit dem man reden kann. Das können die Grauen Wölfe aber nicht sein." Neumeyer legt er nahe, sich mit dem Bayerischen Verfassungsschutz zu unterhalten. Von dort heißt es, mit türkischen Rechtsextremisten solle man nicht anders umgehen als mit deutschen. Man müsse sich fragen, ob man auch an einem Sommerfest der NPD teilnehmen würde.

"Ich sehe jede Einladung als Ehre, auch diese"

Er wisse schon, dass das türkische Kulturzentrum München mit den Grauen Wölfen in Verbindung gebracht wird, sagt Neumeyer. Der Staat müsse aber auch Präventionsarbeit leisten. "Wir brauchen das Gespräch", sagt er. Das wolle er dazu nutzen für Werte wie Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie zu werben. "Ich sehe jede Einladung als Ehre, auch diese", sagt Neumeyer.

Dass er den umstrittenen Verein mit seinem Auftritt salonfähig machen könnte, findet er nicht dramatisch. "Da überschätze ich meine Wichtigkeit nicht", sagt er. Noch sei nicht klar, ob er es zeitlich zu dem Sommerfest schaffe, er hätte aber prinzipiell kein Problem damit, dort zu sprechen.

Serdar Duran, Vorsitzender des JU-Arbeitskreises Migration im Bezirksverband München, plant zu kommen. Dass es im türkischen Kulturzentrum München überwiegend rechtsextremistische Ansichten gebe, sehe er nicht. Wie erfolgreich die Beobachtungsgabe des Verfassungsschutzes sei, hätte man ja beim Neonazi-Trio des NSU gesehen. Es dürfe den Leuten nicht übel genommen werden, dass sie sich für ihr Land stark machen. "Gerade jetzt, wo das türkisch-deutsche Verhältnis an einem Scheideweg steht, dürfen die Leute nicht in eine rechtsextreme Ecke gedrängt werden", sagt Duran.

Doch nicht nur Grüne und SPD haben da ihre Zweifel. Auch Miriam Heigl von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus in München sieht ein Sommerfest nicht als geeignete Plattform für eine kritische politische Auseinandersetzung. Gerade in einer Stadt wie München, die so einen hohen Migrationsanteil hat, dürften ultranationale Strömungen nicht unterstützt oder gefördert werden.

Das sei auch bei Diskussionen des Ausländerbeirats und des Bezirksausschusses Aubing deutlich geworden. Dessen Vorsitzender Sebastian Kriesel ist wie Neumeyer bei der CSU. Er unterstützt das Sommerfest des Kulturzentrums aber bewusst nicht und will auch nicht dort sprechen. Allerdings müsse das jeder selbst wissen. So sieht es auch JU-Vorsitzender Hans Reichhart. Allerdings, so merkt er an, stehe keine Vereinigung zu Unrecht im Verfassungsschutzbericht.

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SZ vom 21.06.2016
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