Süddeutsche Zeitung

Söder zur Klage gegen Länderfinanzausgleich:"Seit heute Morgen um neun Uhr wird geklagt"

Das hat sich der Ministerpräsident anderes vorgestellt. Die Vorstellung der Klage gegen den Länderfinanzausgleich wollte Horst Seehofer im Wahlkampf nutzen. Doch er hat nicht mit seinem Finanzminister gerechnet. Markus Söder stimmt das Kriegsgeheul an.

Mike Szymanski

Es kommt nicht alle Tage vor, dass Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bei Pressekonferenzen in der Münchner Staatskanzlei Weißwürste und Weißbier - in diesem Fall alkoholfreies - reicht. Aber an diesem Tag passt ihm das besonders schön ins Bild: Die aufmüpfigen Bayern, die machen an diesem Montag mobil.

Die Eilboten sind schon in Richtung Karlsruhe unterwegs, zum Bundesverfassungsgericht, unter dem Arm eine 150 Seiten dicke Klage gegen den Länderfinanzausgleich. Das ist jenes Umverteilungssystem, das neben Hessen und Baden-Württemberg dem reichen Bayern Geld nimmt, zuletzt knapp vier Milliarden Euro, und den armen Bundesländern gibt.

Seehofer sagt, er könne dem nicht länger zuschauen. "Es grenzt an Untreue gegenüber dem Steuerzahler in Bayern." Allein fühlt er sich mit dieser Sicht der Dinge nicht. "Wir haben die Bevölkerung als Verbündete", sagt er. Und die Hessen. Die haben wie Seehofer in diesem Jahr eine Landtagswahl zu bestreiten und klagen mit.

Seehofers Finanzminister Markus Söder (CSU) stimmt das Kriegsgeheul an: "Seit heute Morgen um 9 Uhr wird geklagt." Wer sich in diesem Moment an Hitlers: "Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen" beim Überfall auf Polen erinnert, zuckt zusammen. Bayerns Vize-Regierungschef Martin Zeil (FDP), der neben Seehofer sitzt, sieht sich hinterher jedenfalls gezwungen, sich von Söders Äußerungen zu distanzieren: "Meine Wortwahl ist das nicht", sagt er. "Ich denke, dass wir uns sehr sachlich ausdrücken sollten."

Seehofer und Söder sehen dazu zunächst keinen Anlass. Mit einem "Ach, komm'. . ." tut Seehofer Söders Einlassung ab, mit einem empörten: "Bei aller Liebe . . . " weicht der Finanzminister den Nachfragen aus. Erst am Nachmittag lässt er über seinen Sprecher mitteilen: "Sollte sich dadurch jemand verletzt fühlen, sei das nicht beabsichtigt gewesen und man würde das bedauern."

Mit der Klage will die schwarz-gelbe Koalition in Bayern auch SPD und Grüne im Landtagswahljahr unter Druck setzen, die lieber verhandeln als vor Gericht streiten wollen. Eine Abstimmung vor einigen Wochen im Landtag über die Klage hatte die CSU schon zum Patriotentest erklärt. Jetzt gerät Söder in die Defensive. Bayerns SPD-Chef Florian Pronold sagt: "Es ist unfassbar, wie sich Markus Söder aus dem Wörterbuch des Unmenschen bedient. Selbst im Wahlkampf ist ein solcher Ausrutscher nicht mehr zu verzeihen." Dass Seehofer sich nicht distanziert, verärgert ihn.

"Akt politischer Notwehr"

In Hessen, wo an diesem Montag Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ebenfalls die Klage begründet, bleibt dagegen mehr Raum für die eigentlichen Argumente. "Es kann nicht Sinn des Länderfinanzausgleichs sein, die Starken zu schwächen", erklärte Bouffier. Als einen "Akt politischer Notwehr" bezeichnet auch er den Gang zum Gericht. Nur noch drei Zahler müssten inzwischen 13 Nehmerländer mitfinanzieren.

Allein Berlin erhalte mit 3,3 Milliarden mehr als 40 Prozent aus dem Umlagetopf. Konkret halten Bayern und Hessen unter anderem die geltende Stadtstaatenregelung für verfassungswidrig. Dabei werden die Einwohner von Berlin, Hamburg und Bremen stärker berücksichtigt als die Einwohner von Großstädten wie München. Zudem sei es nicht Aufgabe des Länderfinanzausgleichs, die Hauptstadtfunktion Berlins zu finanzieren.

Protest kommt aus den Empfängerländern. "Für bayerisches und hessisches Wahlkampfgetöse stehen wir aber nicht zur Verfügung", sagte Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold. "Probleme löst man nicht durch wechselseitige Klagen, sondern durch Gespräche", erklärte die Grünen-Politikerin.

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SZ vom 25. März 2013/segi
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