Fahrenschon-Nachfolger im bayerischen Finanzministerium:Warum Söder von Angriff auf Abwehr umschalten muss

Lesezeit: 4 min

Für Markus Söder ist es ein wichtiger Schritt auf der Karriereleiter: Er wird neuer Finanzminister im Freistaat. Dass ihm jedoch die Fachkompetenz fehlt, stört weder den ambitionierten Franken noch Ministerpräsident Seehofer selbst. Bei der Ernennung zählten andere Qualifikationen.

Birgit Kruse

Der Spott der Opposition lässt nicht lang auf sich warten. Die Tinte unter der Urkunde für Markus Söder ist noch nicht trocken, da twittert Bayerns SPD-Chef Florian Pronold über den Fahrenschon-Nachfolger: "Motto? Flachmann statt Fachmann." Auch für die Grünen ist Söder eine Notlösung, das "tagelange Gezerre" um die Nachfolge im Finanzressort sei ein klares Zeichen für den maroden Zustand der CSU.

Der 44-jährige Jurist Markus Söder gilt in der CSU zwar als Multitalent, aber nicht als ausgewiesener Finanzfachmann. (Foto: dpa)

Während die Opposition ihre Giftpfeile auf den neuen Finanzminister abschießt, steht Ministerpräsident Horst Seehofer in der Staatskanzlei vor der Presse. Dass Seehofer seine Partei mit der Ankündigung, möglichst rasch einen Nachfolger für den scheidenden Georg Fahrenschon finden zu wollen an den Rand einer Krise geführt hat, davon will er nichts mehr wissen. Er spricht von einem "sehr ruhigen und geordneten Verfahren", in dem er sein Kabinett umgebildet hat - und davon, warum seine Wahl auf seinen derzeitigen Umweltminister gefallen ist. Denn in der Tat: Als Finanzpolitiker ist Söder bisher nicht in Erscheinung getreten. Warum also ausgerechnet Söder?

Gedrängelt habe er jedenfalls nicht, betont Söder. Vielmehr habe Seehofer ihn darum gebeten. "Da kann man sich nicht wegducken, sondern da muss man sein Bestes geben."

Ein wenig laviert Seehofer herum, spricht davon, wie wichtig es ihm ist, dass der neue Finanzchef bislang nichts mit dem Milliarden-Desaster bei der Bayerischen Landesbank zu tun hatte. Und dass er auch in der Fraktion verankert sei. Jetzt wird Söder also Seehofers erster Mann für den Haushalt.

Söder ist einer der ausgewiesenen Polit-Profis in der CSU. Er ist redegewandt, hat ein untrügliches Gespür für publikumswirksame Themen. Er gilt als durchsetzungsstark und ehrgeizig, ob als JU-Chef, Generalsekretär oder Minister. Das weiß auch Seehofer und auf diese Eigenschaften setzt er.

Er bezeichnet den Franken als profilierten Politiker, der die bayerischen Interessen etwa in der Euro-Krise oder bei der Steuersenkungsdebatte exzellent vertreten werde. Außerdem habe Söder einen scharfen analytischen Verstand und arbeite sich ungewöhnlich schnell in neue Themen ein. Und: In Zeiten der Eurokrise brauche es einen "mental starken Mann." Und das sei Söder nun mal.

Aber Seehofer braucht auch einen Finanzfachmann. In Europa wird um die Zukunft des Euro gerungen, in Bayern sind die Verhandlungen für den Nachtragshaushalt 2012 in vollem Gange und in Berlin wird über mögliche Steuersenkungen gestritten. Reicht es da, nur durchsetzungsstark zu sein?

Seehofer ist offensichtlich dieser Meinung. Denn was für den bayerischen Ministerpräsidenten derzeit offenbar mehr zählt als Fachkompetenz ist Durchsetzungsvermögen - vor allem in Berlin. Die CSU hat hier als kleine Schwesterpartei der CDU schon immer eine Sonderrolle, die es zu verteidigen gilt. Es geht darum, eigene Positionen nicht nur zu formulieren, sondern sie in den Verhandlungen auch zu vertreten und - bestenfalls - durchzusetzen. Diese Eigenschaft traut Seehofer Söder offenbar zu.

Denn dass Söder sich sicher auf dem Parkett der Bundespolitik bewegen kann, das hat er bereits in seiner Zeit als Europaminister bewiesen. Schon damals haben seine Kritiker - auch die aus den eigenen Reihen - daran gezweifelt, dass er den Rollenwechsel vom grobkantigen und polarisierenden Generalsekretär zum Europaminister mit diplomatischem Geschick hinbekommen würde. Doch schon bald kennt sich Söder aus im Bunderat. Und noch etwas hat der Franke in dieser Zeit gelernt, was ihm jetzt hilfreich sein wird: Er weiß, wie Politik in Berlin und Brüssel funktioniert.

Und einen weiteren Rollenwechsel hat Söder in den Jahren im Kabinett geschafft. Nach seinem Wechsel an die Spitze des Umweltministeriums 2008 nannte er das Haus um in "Lebensministerium". Rasch folgten Bilder vom Minister auf der Zugspitze, am Strand, mit hochgekrempelter Hose am See. Und spätestens nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima wird Söder zu Seehofers Mann für die Energiewende im Freistaat.

Seehofer vertraut also auf die Fähigkeiten seines Ministers. Überhaupt ist Seehofer voll des Lobes für den Franken. Er agiere auf Augenhöhe mit Bundeskanzleramt, Bundesfinanzministerium und EU-Kommission. Und auch dieses Mal setzt er darauf, dass Söder den Rollenwechsel rasch vollziehen wird. Statt lauter Töne werden künftig die leisen, wenn auch beharrlichen nötig sein. Statt Angriff wird Abwehr das Gebot der Stunde sein.

Doch der 44-Jährige hat nicht nur Freunde in der Partei. Noch gut ist einigen die Zeit in Erinnerung, in der Söder als Generalsekretär der Lautsprecher der Partei war und mit provokanten Äußerungen für Schlagzeilen sorgte. Zuletzt polarisierte er mit seiner Haltung zum Atomausstieg.

Gemeinsam mit Ministerpräsident Horst Seehofer führte er nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima die Ausstiegsdebatte im Freistaat an. Sogar mit Rücktritt hatte Söder gedroht für den Fall, dass sich die Regierung auf ein späteres Ausstiegsdatum als 2022 festlege.

Anderen missfällt, wie Söder im Hintergrund die Strippen zieht und so bereits seit JU-Zeiten an seinem Vorankommen in der Partei arbeitet.

Vor allem missfällt das denjenigen in der CSU, die für sich selbst noch eine Karriere planen. Die Jungen also, den Frauen, wie etwa Sozialministerin Christine Haderthauer. Für sie ist eine kleine Niederlage, den Zuschlag für eines der Schlüsselressorts nicht bekommen zu haben. Oder etwa für Ilse Aigner, die lieber als Verbraucherministerin in Berlin bleibt, als ins bayerische Kabinett zu wechseln. Auch ihr sagt man Ambitionen nach, die Nummer eins in der CSU werden zu wollen.

Auch Söder hat Ambitionen. Er ist ein gewiefter Machtpolitiker. Ein Stratege, ein Polit-Profi, ein Taktierer, der sich seinen Weg nach oben zu bahnen weiß. Und einer, der weiß, wann der Zeitpunkt zum Zupacken gekommen ist. Er will Ministerpräsident im Freistaat werden - und derzeit läuft es gut für ihn. Seine parteiinterne Konkurrentin Christine Haderthauer hat einen Dämpfer erfahren, sein einstiger Rivale und Wählerliebling Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich mit dem Plagiat seiner Doktorarbeit selbst ins politische Aus manövriert.

So wird Söder alles daran setzen, in seinem neuen Amt zu brillieren. Seinem Ziel ist er einen entscheidenden Schritt näher gekommen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: