Wahl zum Ministerpräsidenten:Söder zeigt einen Anflug von Demut
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Aus dem Landtag von Ingrid Fuchs
Das muss wohl diese Demut sein, von der Markus Söder so oft spricht. An diesem Dienstag umgibt ihn im Bayerischen Landtag zumindest ein Hauch davon. Zum zweiten Mal binnen weniger Monate wird der 51-Jährige zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt - und zum ersten Mal hat man den Eindruck, dass er den Spruch mit der Demut wirklich ernst meinen könnte. Er nutzt diesmal nicht jede Gelegenheit, um sich in Szene zu setzen, verzichtet darauf, sich vor prächtiger Kulisse von den Fotografen ablichten zu lassen, blickt ernst drein - man könnte fast sagen: demütig.
Kurz vor Beginn der Sitzung betritt er mit seiner Frau Karin Baumüller-Söder den großen Steinernen Saal des Landtags, läuft auf den Pulk aus Kameras zu - und geht ziemlich unspektakulär weiter Richtung Plenarsaal. Seine Frau verschwindet nach oben auf die Tribüne für die Ehrengäste, er setzt sich auf den Platz eines ganz normalen Abgeordneten. Auf der Tagesordnung steht genau ein Punkt: "Wahl des Ministerpräsidenten".
Was Söder an so einem Tag fühlt? "Das ist etwas, was man mit Demut erwartet und mit großer Verantwortung, denn Bayern ist ein Superland", sagte er vorab im Radio. Und: "Bayern zu repräsentieren, ist eine große Aufgabe." Da ist sie, die Demut.
Bei der Wahl bekommt Söder 110 der 202 abgegeben Stimmen. Die neu gebildete Koalition aus CSU und Freien Wählern hat 112 Mitglieder, ein Abgeordneter war krank, wo die andere Stimme geblieben ist, darum wird sich der neu gewählte Ministerpräsident wohl später Gedanken machen. Er sitzt nun in einem Parlament, das aus sechs Parteien besteht. Neben CSU, Grünen, SPD und Freien Wählern sind die FDP und die AfD neu dabei. Man sieht das daran, dass viele Abgeordnete in den hinteren Reihen sehr gedrängt nebeneinandersitzen. Und weil alle mit besonderer Aufmerksamkeit auf die AfD schauen. Für Söder aber erfüllt sich an diesem Vormittag nach jahrelangem Sehnen, Schuften und Zerren ein Lebenstraum. Schon wieder.
Klar war das in den vergangenen Monaten nicht immer. Bis zur Bundestagswahl im vergangenen Herbst sah es für die CSU gar nicht so schlecht aus. Dann der Absturz auf 38,8 Prozent - für Söder war er nützlich, er konnte seinen ewigen Rivalen Horst Seehofer aus dem Ministerpräsidenten-Amt vertreiben. Im Dezember gewann er den Zweikampf, wollte "mit Mut und Demut" an die neue Aufgabe gehen und wurde im März zum ersten Mal selbst ins Amt gewählt. Doch der Landtagswahlkampf lief alles andere als geschmeidig für Söder und die CSU. Am Wahlabend vor gut drei Wochen machte sich fast schon Erleichterung breit, dass man nur 10,5 Prozentpunkte verloren hat - und nebenbei auch die absolute Mehrheit. Aber an die hatte sowieso schon niemand mehr geglaubt. 37,2 Prozent, ein Ergebnis, das Söder "mit Demut" annahm, wie er bei jeder Gelegenheit betonte.
Weder in den Wochen nach der Wahl noch in den Monaten zuvor merkte man ihm diese selbstverordnete Demut an. Die CSU entschied sich so schnell für die Freien Wähler als Koalitionspartner, dass gar keine Zeit fürs Nachdenken blieb. Der Koalitionsvertrag könnte auch mit einem "Weiter so" überschrieben sein, ein neuer Kurs ist darin nicht zu erkennen. Dafür stößt Söder bei seiner kurzen Rede nach der Wahl eine Veränderung an: Er wünsche sich einen neuen Stil im Landtag und eine Politik des Optimismus.
Alle Parlamentarier sollten sich zu Beginn der neuen Wahlperiode bemühen, die Argumente des anderen verstehen zu wollen. "Stil und Anstand sind wichtig", betont Söder und klingt dabei wie das Herrchen, das geduldig und sanft auf seinen Hund einredet. "Das Ringen um das Beste macht den Parlamentarismus stark. Wer andere schlechtmacht, wird selber nie erfolgreich sein." Worauf Söder abzielt, ist klar: Man muss jetzt miteinander auskommen - und er als Landesvater wird alles dafür tun, dass das auch klappt. Zumindest in dieser kurzen Rede möchte man ihm das auch abnehmen. Die Worte sind sorgsam gewählt, der Ton bedacht und ruhig.
Seinen Appell an besseren Stil richtet Söder an die eigene Regierung ebenso wie an die Opposition: Fernab aller Parteiprogramme gehe es darum, den Wohlstand Bayerns zu vermehren und Schaden abzuwenden, sagt Söder landesväterlich pathetisch. Die AfD zeigt sich zur Kooperation bereit - sehr deutlich: "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, verzaubern Sie uns!", ruft Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner in Richtung Söder. Man wünsche sich, dass nicht prinzipiell alle ihre Anträge im Landtag abgelehnt würden, sagt Ebner-Steiner. Sollte dies geschehen, droht sie mit juristischen Konsequenzen. "Halten Sie sich ans Grundgesetz und an die Rechtsprechung, dann können Sie eine konstruktive Opposition erwarten."
Schon am ersten Tag sah sich die AfD benachteiligt, der vorgeschlagene Kandidat fürs Amt des Vizepräsidenten im Landtag wurde abgelehnt, für Ebner-Steiner eine pauschale Verurteilung ihrer Partei. "Hören Sie endlich auf, Patriotismus und das ursprüngliche Bedürfnis der Deutschen nach nationaler Identifikation zu bekämpfen und mit Rassismus gleichzusetzen." Forderungen, die bei den anderen Parteien für aufgebrachte Zwischenrufe sorgen.
Was sich an diesem zweiten Tag im Landtag schon abzeichnet: Nicht nur in der Regierung geht es weiter wie bisher, auch im Parlament sieht es ganz so aus, als würden die alten Strukturen schon wieder bestens funktionieren. "Diesem Anfang wohnt in meinen Augen so gar kein Zauber inne. Ein Bündnis der Mutlosen hat sich dafür zusammengetan", urteilt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze über die neue Koalition. SPD-Fraktionschef Horst Arnold kritisiert, die Koalition sei kein Projekt des Aufbruchs, sondern zeuge von "stabiler Perspektivlosigkeit". FDP-Fraktionschef Martin Hagen fordert "ein Update" für Bayern. Wie lange Söders Anflug von Demut da wohl halten wird?
In den kommenden Tagen hat der neue bayerische Regierungschef noch eine ganz andere Aufgabe zu bewältigen: Am kommenden Montag wird sein Kabinett vereidigt. Die Freien Wähler bekommen die drei Ministerien Kultus, Umwelt sowie Wirtschaft, Energie und Landesentwicklung. Den Rest verteilt Söder unter seinen Leuten, einige werden dabei leer ausgehen. Aber das wird ihnen der Landesvater bestimmt sanft und demütig beibringen.