100 Jahre Staatskirchenvertrag:Ein Nein zu einer Gesellschaft ohne Kirche

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Die erste Reihe beim Festakt zum Staatskirchenvertrag in der Allerheiligen-Hofkirche, von links: Ministerpräsident Markus Söder, Landesbischof Christian Kopp, Staatskanzleichef Florian Herrmann und Rechtsprofessor Peter M. Huber. (Foto: B. Lindenthaler/Imago)

Der Freistaat und die evangelische Landeskirche: Das ist keine Beziehung, die frei von Spannungen ist – vor allem, wenn der Ministerpräsident sich in harschem Ton Einmischung verbittet. Beim Festakt in München schlägt er einen versöhnlichen Ton an – und nennt die Leistungen des Staats an die Kirchen „gut angelegtes Geld“.

Von Katja Auer

Einen Hang zur Predigt hat Ministerpräsident Markus Söder bei sich ausgemacht und auch sonst demonstriert er ja gerne seinen engen Bezug zu den Kirchen. „Ich fühle mich – und ich hoffe, sie spüren das – der Kirche sehr verbunden“, sagte er am Montagabend in der Münchner Allerheiligen-Hofkirche beim Festakt zu 100 Jahre Staatskirchenvertrag. Seitdem sind die Beziehungen zwischen evangelischer Landeskirche und Freistaat umfassend geregelt, auch die finanziellen Leistungen, ähnlich wie beim katholischen Konkordat von 1924.

Der Staatskirchenvertrag sei ein Ja zur Trennung von Kirche und Staat, aber ein kleines Nein zu einer Gesellschaft ohne Kirche, sagte Söder. Diese werde auch als Institution gebraucht, nicht nur als Trägerin von sozialen Einrichtungen.

Söder schlug einen versöhnlichen Ton, ganz im Gegensatz zum CSU-Parteitag vor einigen Wochen, als er den Kirchen mehr Zurückhaltung in politischen Fragen nahegelegt hatte, wegen deren Kritik am Asylkurs der Union. Und gleich noch unverhohlen anmerkte, dass der Freistaat schließlich die Gehälter der Kirchenoberen zahle. Davon war nun keine Rede mehr, es herrsche Respekt und Vertrauen, sagte Söder, aber „der sportliche Dialog gehört eben dazu“.

Landesbischof Christian Kopp beließ es ebenfalls bei einem dezenten Verweis auf die harschen Töne. „Manchmal reiben wir uns aneinander“, sagte er zum Verhältnis von Staat und Kirche. „Aber das gehört dazu zu einer gewachsenen Beziehung und das halten wir gut aus.“ Es hatte kritische Stimmen gegeben, die sich mehr Widerstand aus beiden Kirchen gegen Söders Kritik gewünscht hätten, doch die hatten sich zurückgehalten.

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Kopp und Söder lobten den Staatskirchenvertrag, er „hat uns durch die letzten 100 Jahre gut gebracht“, sagte Söder. Wie schon beim Festakt zu 100 Jahre Konkordat im vergangenen Juni nannte er die Staatsleistungen an die Kirchen „gut angelegtes Geld“ und erteilte den wiederkehrenden Forderungen, diese zu beenden, erneut eine Absage.

Die engen Verflechtungen von Staat und Kirchen sind immer wieder Anlass für Kritik, da im Grundgesetz der Bundesrepublik die Trennung von Staat und Kirche verankert ist. Außerdem ist in der Weimarer Reichsverfassung (Artikel 138, Absatz 1) die Ablösung der Staatsleistungen festgeschrieben und das gilt immer noch. Ernsthafte Bestrebungen dafür gibt es kaum, zuletzt hatte es sich die Ampel-Regierung das vorgenommen, war damit aber über wenige Gespräche nicht hinausgekommen.

Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU), der auch für die Kirchen zuständig ist, nannte es „ein besonders bösartiges Projekt“ der Ampel. Nur vordergründig sei es dabei um die Umsetzung des Artikels 138 gegangen, eigentlich habe die frühere Bundesregierung die strenge Trennung „dieses besonderen verschränkten Systems“ betrieben.

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Der Münchner Rechtsprofessor Peter M. Huber stimmte zu, dass es wohl kaum ohne Staatsleistungen gehen würde, über die Ausgestaltung könne jedoch diskutiert werden. Denn aktuell leide das Thema unter einer „historischen Erblast“, indem es die Deutung gebe: „dafür, dass uns die Kirchen nicht mehr beherrschen dürfen, zahlen wir immer noch“.

Meist steht die katholische Kirche im Fokus, wenn es um die Verbindungen zwischen Staat und Kirche geht, schon deswegen, weil die Summen deutlich höher sind und Bayern – Altbayern zumindest – vielerorts stärker katholisch geprägt ist. Gut 75 Millionen Euro bekommen die katholischen Bistümer vom Freistaat, die evangelische Landeskirche etwa ein Drittel davon.

In den Verträgen ist zudem geregelt, dass der Freistaat den Religionsunterricht an den Schulen finanziert ebenso wie Lehrstühle an den Universitäten. Außerdem hat die bayerische Staatsregierung auch Einfluss auf die Bischofswahl beider Kirchen. So muss das Präsidium des evangelischen Kirchenparlaments – der Landessynode – vor der Wahl des Landesbischofs mit der Staatsregierung Kontakt aufnehmen und sich das Einverständnis für die Kandidaten holen. Im Konkordat mit dem Vatikan ist festgelegt, dass der Heilige Stuhl „volle Freiheit“ bei der Ernennung von Erzbischöfen und Bischöfen hat. Gleichzeitig muss der Vatikan aber die Staatsregierung anfragen, ob es Einwände gegen den jeweiligen Kandidaten gibt. Und die katholischen Bischöfe legen einen Eid auf die Bayerische Verfassung ab.

Das ist ein Akt, über den Söder gerne witzelt, weil die Bischöfe bei ihm den Treueeid ablegen – nicht auf ihn zwar, aber für einen Scherz reicht es doch. Bei den evangelischen Vertretern wies er nun darauf hin, dass bis 1918 der König das Oberhaupt der evangelischen Christen in Bayern war und dessen Nachfolger nun irgendwie – Kunstpause – der Ministerpräsident sei. Aber nein, „ich bin dankbar, dass Sie das machen, Herr Landesbischof“.

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